Tichys Einblick
Flüchtlingspolitik

Kommunen im Stich gelassen – Bund versagt Hilfe

Die Kommunen sind mit der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen und Migranten längst überfordert. Sie fordern nun mehr finanzielle Hilfe vom Bund. Lindner und Faeser lehnen das ab. Der Bund tut aber auch nichts, um weitere Migration zu begrenzen. Das müssen die anderen EU-Länder erledigen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach dem Spitzengespräch von Bund, Ländern und Kommunen zur Flüchtlingslage am 11. Oktober 2022, Berlin

IMAGO / Jürgen Heinrich
Die Bundesregierung ist Forderungen der Kommunen nach einer Übernahme der Kosten für die Unterbringung Geflüchteter entgegengetreten. „Die Möglichkeiten des Bundes sind limitiert“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dem Handelsblatt (Montagausgabe). Er verwies dabei auf bereits erfolgte Entlastungen für die Länder etwa dadurch, dass Geflüchtete aus der Ukraine Bürgergeld und nicht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen.

„Wir haben zudem trotz der im vergangenen Jahr noch geringen Zahl an Geflüchteten hohe zusätzliche Mittel für die Länder zur Weitergabe an die Kommunen bereitgestellt, ebenso Bundes-Liegenschaften als Unterkünfte“, sagte Lindner. Der Bundesfinanzminister sagte zudem, dass die Länder inzwischen eine „wesentlich bessere Einnahmenentwicklung als der Bund“ hätten.

Nach CDU-Forderungen
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Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser lehnt weitere Finanzhilfen ab: Die „Finanzierungsverantwortung für die Aufnahme und Betreuung von Schutzsuchenden“ liege bei den Ländern, sagte ein Sprecher ihres Ministeriums dem Handelsblatt. „Der Bund darf hier keine Aufgaben finanzieren, für die er nach dem Grundgesetz über keine Verwaltungskompetenz verfügt.“ Außerdem habe der Bund die Länder und die Kommunen bereits „in erheblichem Umfang durch zusätzliche Umsatzsteuermittel finanziell entlastet, um die zusätzlichen Belastungen abzufedern“.

Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) sagte dem Handelsblatt, es gehe jetzt nicht darum, einfach reflexhaft mehr Geld vom Bund zu fordern: „Wenn wir diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe aber gut bewältigen wollen, dann muss sich auch der Bund stärker engagieren“, sagte Bayaz. Beim Bund betont man hingegen, dass die Länder finanziell gut dastünden und für die Ausstattung der Kommunen zuständig seien. „Wir als Land unterstützen unsere Kommunen bereits massiv“, sagt Bayaz dazu. „Jetzt sollte von einem Flüchtlingsgipfel auch das Signal ausgehen, dass auch der Bund der aktuellen Situation gerecht wird“, forderte der Grünen-Politiker.

Zuvor hatte unter anderem der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) mit Blick auf den Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen in der kommenden Woche eine erhebliche Aufstockung der Bundeshilfen gefordert: „Die Kosten allein im Zuständigkeitsbereich des bayerischen Innenministeriums für Asyl und Integration belaufen sich sowohl in 2022 als auch in 2023 auf rund 1,5 Milliarden Euro – da sind die zusätzlichen Kosten für die Beschulung, für Kinderbetreuung, für die pflegebedürftige Menschen und, und, und noch gar nicht eingerechnet.“

Gegen zweites Treffen mit Faeser
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„Die Zusagen der Bundesregierung zur Beteiligung an den flüchtlingsbezogenen Kosten belaufen sich hingegen für alle Länder in 2022 auf 3,5 Milliarden Euro, in 2023 auf 2,75 Milliarden Euro.“ Dabei betrage der bayerische Anteil für das vergangene Jahr rund 555 Millionen Euro und 2023 sogar nur rund 436 Millionen Euro – also knapp ein Drittel der tatsächlichen Kosten. Herrmann fügte hinzu: „Eine Verdreifachung der Bundesbeteiligung wäre daher ohne weiteres sachlich gerechtfertigt. Insofern ist die Größenordnung von acht Milliarden Euro, die ich schon beim letzten Kommunalgipfel der Bundesinnenministerin gefordert habe, weiterhin angemessen. Der Bund muss sich mit seiner finanziellen Zusage nochmals deutlich nach oben bewegen.“

Auch diese Diskussion geht an den Bürgern vorbei. Für den Netto-Steuerzahler macht es keinen Unterschied, ob der Bund oder die Länder sein Geld für Migranten ausgeben.

Auf Druck vor allem der Kommunen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen weiteren „Flüchtlingsgipfel“ für den 16. Februar einberufen. Seitens der Städte, Gemeinden und Landkreise gibt es ebenfalls Forderungen nach mehr Unterstützung des Bundes bei der Unterbringung und Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und anderen Schutzsuchenden. Auch die Frage, wie Faeser die irreguläre Migration nach Deutschland begrenzen und Rückführungen abgelehnter Asylbewerber voranbringen will, dürfte bei dem Treffen zur Sprache kommen.

Deutsche Landräte forderten bereits einen Asylgipfel mit Olaf Scholz und Abschiebezentren. Der Grüne Jens Marco Scherf, seit dem 1. Mai 2014 Landrat im fränkischen Miltenberg, fordert „weniger Geflüchtete und mehr Ressourcen“ vom Kanzler. Der Bund lehnt finanzielle Unterstützung ab, tut aber auch nichts, um weitere Migration zu begrenzen.

Das müssen mal wieder andere europäische Länder erledigen, wie der gestern zu Ende gegangene EU-Sondergipfel gezeigt hat. Dort wurden konkrete Maßnahmen inklusive Grenzschutz beschlossen, auch auf Druck des österreichischen Kanzlers Karl Nehammer. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hielt sich dagegen vornehm zurück. Ausgerechnet das zentrale Zielland Deutschland, das an einer restriktiveren Migrationspolitik ein besonderes Interesse haben sollte, bremste.

(Mit Material von dts Nachrichtenagentur)

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