Tichys Einblick
Humboldt-Universität

Berlin: Studenten brüllen israelische Richterin aus Hörsaal

Am Donnerstagabend sprengten Studenten eine Podiumsdiskussion in einem Hörsaal der Humboldt-Universität. Grund dafür war die Teilnahme einer Richterin an Israels Oberstem Gerichtshof. Im israelischen Fernsehen wird angesichts der Eskalation an den Berliner Universitäten von einer „Antisemitismuswelle in Deutschland“ gesprochen.

Screenprint: via X/democ_de
Der schwere Angriff auf einen israelischen Studenten der Freien Universität Berlin ist noch nicht eine Woche her, da kommt es an der Humboldt-Universität zum nächsten Eklat: Am Donnerstagabend sprengten Studenten eine Podiumsdiskussion in einem Hörsaal der Humboldt-Universität. Grund dafür war die Teilnahme von Dafna Barak-Eres, einer Richterin an Israels Oberstem Gerichtshof. Nach Auskunft der Störer selbst waren an der Aktion Studenten der Humboldt-Universität, der FU Berlin und der Hertie School of Governance beteiligt.

Auf einem Video des Beobachtungsportals „democ.“ bei X ist zu hören, wie Teilnehmer aus dem Publikum auf Englisch rufen: „Stoppt den Genozid“. Zudem schreit eine Frau: „Man kann nicht mit Menschen in den Dialog treten, die Völkermord begehen.“ Damit meinte sie offenbar die Richterin Barak-Eres.

Nach übereinstimmenden Teilnehmerangaben erhielten die Studenten die Möglichkeit, im Hörsaal eine längliche Stellungnahme zu verlesen. Laut eines von der Gruppierung selbst hochgeladenen Transkripts warfen sie dem israelischen Obersten Gericht vor, Menschenrechtsverletzungen Israels zu decken. Das Gericht diene dazu, Israels internationales Ansehen zu schützen, sei aber mitschuldig „an Apartheid, illegalen Siedlungen und Kriegsverbrechen“.

Wie die Humboldt-Universität bestätigte, wurde die Podiumsdiskussion „zunächst abgebrochen“, da „die Aktivist*innen“ keine Diskussion zugelassen hätten. Sie sei aber nachgeholt worden. Auf einem Video von „democ.“ Ist zu sehen, wie die Bundesverfassungsrichterin Doris König ihre israelische Kollegin aus dem Saal geleitet. Dabei brüllt eine Frau auf Hebräisch in ihre Richtung: „Schäm dich, Du und Deine Freundin!“

Zu sehen ist auch, dass Polizeibeamte außerhalb des Saales stehen. Auf Nachfrage von Tichys Einblick erklärte eine Sprecherin der Polizei Berlin am Freitagmittag, dass die Polizei vorab über die Veranstaltung informiert war. Es seien drei Einsatzkräfte im Nahbereich gewesen, um gegebenenfalls einzugreifen. Als es zur Störung kam, habe die Polizei ihre Hilfe angeboten, worauf die Universität aber nicht zurückgegriffen habe.

Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Sozialwissenschaften, das die Veranstaltung mitorganisiert hatte, verteidigte bei X den Abbruch: „Die Veranstaltung durch die Polizei räumen zu lassen, hätte die Demonstrierenden nur in ihrem Opfer-Narrativ bestärkt. Daher hat die Hochschulleitung absolut richtig gehandelt.“ Andere sahen darin indes eine Kapitulation.

Der linksradikale Aktivist und Linken-Mitglied Ramsy Kilani von der Gruppe „Palästina spricht“, der nach eigener Auskunft im Gaza-Krieg 2014 mehrere Familienmitglieder verlor, jubelte bei X: „Ein großartiger Durchbruch! Das erste Mal in deutschen Universitäten erzwangen anti-Genozid-Aktivist:innen den Abbruch einer Uni-Veranstaltung mit Repräsentantin des genozidalen Apartheidregimes Israel. Das, was in anderen Ländern längst Gang & Gebe [sic!] ist, nimmt auch in Deutschland Fahrt auf“.

Bemerkenswert an dem Vorgang: Richterin Dafna Barak-Eres ist eine linksliberale, keine konservative Rechtssprecherin. Als sie 2012 ihren Posten antrat, ventilierte die Siedler-nahe israelische „Kanal 7“ den Vorwurf, die Professorin gehöre der „radikalen Linken“ an. Barak-Eres war an mehreren Urteilen beteiligt, die sich gegen die rechtskonservative Mehrheit in der Knesset richteten und zugunsten von Arabern oder Palästinensern gingen.

So half sie 2020 ein Gesetz zu stoppen, das rückwirkend israelische Bauten auf privatem palästinensischen Land legalisieren sollte. Im selben Jahr verhinderte sie den Ausschluss einer arabisch-nationalistischen Politikerin von den Knesset-Wahlen, den das Zentrale Wahlkomitee angestrebt hatte. Die Politikerin hatte einen Terroristen als „Märtyrer“ verklärt. Zuletzt half Barak-Eres, einen zentralen Teil der Justizreform der Netanjahu-Regierung zu kippen.

Auch die Störer in der Humboldt-Uni attestierten ihr am Donnerstagabend, dass sie „progressiver sei als ihre Kollegen“ und sogar an Fällen mitgearbeitet habe, die Palästinenserrechte schützten. Ihre Beteiligung an anderen, angeblich entgegengesetzten Fällen, könnten sie der Richterin aber „nicht verzeihen“.

Oder anders formuliert: Für eine differenzierte Diskussion war bei den Störern mit ihrem bipolaren Weltbild aus „Unterdrückern“ hier und „Unterdrückten“ dort kein Platz. Am Ende war Barak-Eres für sie eben doch nur Teil eines angeblich unterdrückenden israelischen Kollektivs. In den Abendnachrichten des israelischen Fernsehenders „Kan“ sprach die Moderatorin am Donnerstag angesichts der Eskalation an den Berliner Universitäten von einer „Antisemitismuswelle in Deutschland“.

Anzeige