Tichys Einblick
Bauernproteste in ganz Deutschland

Bauernzorn gegen Özdemir und Kretschmer

In Ellwangen wird Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit Buhrufen und Trillerpfeifen empfangen. In Dresden widerfährt dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer ein ähnliches Schicksal. Die Bauern sehen sich von Ampel und CDU verraten.

Protestkundgebung in Dresden am 10. Januar 2024.

IMAGO / Bernd März
Tag drei der bundesweiten Aktionswoche von Bauern, Spediteuren und anderen Unternehmen. Die Bauernverbände versprachen zuzulegen, nachdem der Dienstag wie geplant nach dem furiosen Auftakt am Montag etwas ruhiger verlaufen war. In vielen Städten und Gemeinden protestierten Bauern sowohl gegen die drastischen Kürzungen als auch gegen die Ampelkoalition in Berlin.

Er sei als Fachminister nicht in die Kürzungen für die Bauern mit einbezogen worden und sei auch nicht damit einverstanden. So der derzeitige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, der in Ellwangen im Osten Baden-Württembergs bei einer Bauernkundgebung auftrat. Die fand während des Kalten Marktes statt, einem der ältesten Märkte, entstanden in früheren Jahrhunderten aus einem großen Vieh- und Pferdemarkt zu einer Zeit, als noch redlich mit der Landwirtschaft umgegangen wurde. Wäre er mit einbezogen worden, wären die Beschlüsse so nicht gekommen, sagte Özdemir, der von Buhrufen und Trillerpfeifen begleitet wurde.

Die ursprünglich geplante PR-Besichtigung Özdemirs der Löwenbrauerei im benachbarten Aalen fand nicht statt. Der Chef hatte den Besuch aus Solidarität mit den Bauern abgesagt. Die lieferten den Brauweizen und Braugerste – Lebensgrundlage, ohne die sie nicht existieren könnten, so der Brauereichef.

In Augsburg fuhren Bauern mit mehr als 1.600 Traktoren zu einer zentralen Veranstaltung des bayerischen Bauernverbandes auf das Volksfestgelände am Plärrer. Das Gelände war voll, die Zufahrtsstraßen waren schon Stunden vorher blockiert. Der Präsident des bayerischen Bauernverbandes, Günther Felßner, sprach als Hauptredner. »Wir denken in Generationen, nicht in Legislaturperioden«, hieß es auf Plakaten oder »Ohne uns Bauern wird Dein Essen importiert«.

In Dresden war der Theaterplatz vor der Dresdner Oper mit Tausenden von Demonstranten gefüllt. Der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, wurde ausgebuht.

»Wir fühlen uns verlassen von unserer Bundesregierung«, rief der Präsident des Landesbauernverbandes, Torsten Krawczyk. »Wir stehen für die Mitte und wir sind extrem unzufrieden.«

»Sie vergraulen hier mit ihrer Koalition alle Bauern in Sachsen«, sagte ein anderer Landwirt. »Wir hatten einmal eine Heimat in der CDU.« Er rief dem in eine grüne Jacke gekleideten Ministerpräsidenten zu: »Ziehen Sie Ihre grüne Jacke aus!«

Weiß und grün seien die Farben der sächsischen Heimat, deshalb ziehe er die Jacke nicht aus, entgegnete Kretschmer. Er betonte seine Solidarität mit den Landwirten und »hart arbeitenden Menschen«. Er entschuldigte sich für die massiven Verspätungen der Ausgleichszahlungen der Landesregierung an die Landwirte. Der grüne Landwirtschaftsminister Sachsens, Wolfram Günther, hatte sich als unfähig erwiesen, für die rechtzeitige Begleichung der Ansprüche der Landwirte zu sorgen.

Als »scheinheilig« kritisierte die sächsische Opposition den Auftritt des Ministerpräsidenten. »Kretschmer hat den Bauern selbst massiv geschadet, indem er den grünen Agrarminister Günther in sein Amt beförderte«, so der AfD-Fraktionsvorsitzende, Jörg Urban. »Nach den Pannen bei der Agrarförderung muss er den Minister endlich entlassen.« Urban verweist darauf, dass die Ursachen viel weiter zurückliegen: »Zudem stammen die Düngeverbote und Flächenstilllegungen, unter denen unsere Landwirte leiden, zum großen Teil aus der Feder von EU-Chefin und CDU-Mitglied von der Leyen. Das Gleiche gilt für die ideologische ‚Klima-Transformation‘. Auch die ständig steigende CO2-Steuer ist eine Erfindung der CDU.« Die Steuererhöhungen für die Landwirte müssen komplett rückgängig gemacht werden, forderte Urban. »Zusätzlich muss der Ministerpräsident eine zügige Auszahlung der Agrarförderung durchsetzen. Auch die Düngeverbote in den roten Gebieten müssen aufgehoben werden.«

In Bremerhaven wurden Zufahrtsstraßen zum Containerterminal blockiert. Der Betrieb des Terminals musste eingestellt werden, Schiffe können den Hafen nicht verlassen. Sie warten auf Ladung. Vor dem Hafen warten die nächsten Schiffe, sie können nicht einfahren, weil der Hafen belegt ist.

In Flensburg waren nach Angaben eines Stadtsprechers etwa 2000 Fahrzeuge unterwegs. Der Verkehr staute sich bis zur Autobahn zurück. Der Konvoi sei 15 bis 20 Kilometer lang gewesen. Sie fuhren auch vor dem Wahlkreisbüro des derzeitigen Wirtschaftsministers Robert Habeck vorbei. Der selbst war nicht anwesend.

Nach Schwerin fuhren ebenfalls Landwirte zu einer Kundgebung vor dem Wirtschaftsministerium. Vor dem Landtag protestierten nach Angaben des NDR zudem Jäger gegen das neue Jagdgesetz.

Mittlerweile finden die Proteste mehr Widerhall in den Medien. Die beschäftigen sich allerdings überwiegend damit, ob sich die Bauern genügend »nach rechts« abgrenzen. Umfragen zeigen allerdings, dass den meisten egal ist, wer alles demonstriert.

Der Präsident des Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hatte im ZDF-Morgenmagazin gefordert, die Regierung müsse sämtliche Kürzungen zurücknehmen, um die Demonstration zu beenden. Ansonsten werde es weitere Demonstrationen geben. Die teilweise Rücknahme der Pläne sei ein fauler Kompromiss. Es gehe um Wettbewerbsgleichheit und Fairness in der EU. Er berichtete von einem kurzen Gespräch mit Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner. Die Regierung wolle an den Streichungen festhalten, hieß es.

Doch die Kürzungen seien nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, betonen die Bauern. Es gehe insgesamt um eine vernünftige Politik. Für morgen sind weitere große Protestveranstaltungen unter anderem in Hamburg geplant.

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