Tichys Einblick
Anhörung im Bundestag

Gesetze fürs Klima – nicht für die Menschen

Bei der Anhörung im Bundestag zum Heizungsgesetz sitzen die Leidtragenden in der Minderheit. Die Grünen schicken die DUH mit aggressiver Klimarhetorik ins Rennen. Am Ende trägt der Steuerzahler die Konsequenzen.

IMAGO / Christian Thiel
Sachverständigenausschüsse im Bundestag können eine Qual sein. Sie laufen nach demselben Prinzip ab: Die Parteien berufen ihre Experten zur Anhörung, die möglichst ihre eigene Ansicht untermauern sollen. In der Anhörung befragen sie dann auch fast ausnahmslos ihren eigenen Experten, statt sich möglicherweise wirklich um eine wissenschaftlich orientierte Lösung zu bemühen.

Anhörungen werden daher häufig von der Einholung wissenschaftlicher Expertise zu einem Schaulaufen degradiert. Wenn in die Gesetzesentwürfe eine Anmerkung aus der Anhörung einfließt, dann meistens, wenn die Regierungsexperten den sowieso schon gelobten Entwurf ergänzen. Selten, dass ein Sachverständiger, der von der Opposition berufen wurde, als einziger Kritiker einen Gesetzesentwurf entscheidend ändern kann – selbst, wenn er in der Sache Recht haben sollte.

Dennoch: Sachverständigenanhörungen sind mehr als ein Ritual. Insbesondere, wenn sie sich mit so wichtigen Themen wie etwa der damaligen bundesweiten „Corona-Notbremse“ beschäftigen; sie zeigen, wie Sachverständige in Konfliktlagen ignoriert und andere Stimmen bevorzugt werden. Die Parteien zeigen mit der jeweiligen Nominierung, wen sie für verlässlich und vertrauenswürdig halten. Und sie zeigen, wer gehört werden sollte – oder nicht. Als am Mittwoch der Sachverständigenausschuss zum Heizungsgesetz tagte, stellte sich dieser Eindruck neuerlich ein.

Wie in der Corona-Krise konnte das Publikum zuschauen, wie Gesetze von Politikern nicht für das öffentliche Wohl und Mitbürger, sondern für das Klima und gegen Individuen durchgedrückt werden sollen. Die große Gefahr, die der Demokratie droht, nämlich dass eine politische Mehrheit zu einem vermeintlich „höheren Zweck“ das Wohlergehen einer politischen Minderheit aufs Spiel setzt, war an diesem Tag greifbar. 14 Vertreter waren anwesend. Nur einer repräsentierte die Minderheit der Wohnungseigentümer (derzeit rund 42 Prozent der deutschen Haushalte). Die Mieter repräsentierten wenigstens zwei Verbandsvorsitzende.

Der Rest: Vertreter der Städte und Gemeinden, kommunale Unternehmen, Verbraucherzentrale, Handwerkervertretungen und Öko-Lobbys. Dass dem Eigentümerverein gleich zwei grüngesinnte Organisationen gegenüberstanden – der Bundesverband Erneuerbare Energie und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) – zeigt überdeutlich, welchen Stand der gemeine Hausbesitzer zwischen den Mahlrädern der Klimapolitik hat. Es ist nur eines vieler Sinnbilder in dieser Ampel-Republik.

Bereits der Beginn zeigte, wie blank die Nerven in Parlament und Regierung liegen. Der Vorsitzende Klaus Ernst (Linkspartei) musste die schwierige Situation erklären, dass man nun über einen Gesetzesentwurf reden müsse, der im Grunde obsolet sei, weil dieser in dieser Weise nicht in den Bundestag eingebracht würde. Ihm seien allerdings „Leitplanken“ beigelegt, die schon eher auf den zukünftigen Gesetzesentwurf verwiesen. 50 Minuten später, als Timon Gremmels (SPD) nach den Statements der Sachverständigen das Fragerecht erhielt, nutzte er dies für eine „Vorbemerkung“, um richtigzustellen, dass es üblich sei, dass Gesetzesentwürfe abgeändert würden. Man verhandele daher über den im Bundestag eingebrachten Gesetzesentwurf. Die Ampel ist beim Heizungsgesetz dünnhäutig geworden.

Es kam zu den bekannten Mustern. Die von der CDU/CSU berufene Kerstin Andreae vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft forderte zwar fundamentale Änderungen und verwies darauf, dass die Infrastruktur angepasst werden müsste. Doch letztendlich sei die „Wärmewende unabdingbar“. Ähnlich wie die Union will man letztlich die Wärmwende nicht verhindern, sondern nur so abschwächen, dass sie gesellschaftlich gerade noch akzeptabel ist.

Die größte Kritik – darin waren sich mehrere Experten einig – lautete: Es brauche mehr Fördergelder. Thomas Engelke vom Verbraucherzentrale Bundesverband forderte eine Förderung nach Einkommen, in Härtefällen eine Vollförderung und gegebenenfalls eine Krediterleichterung für Betroffene.

Die Mieterverbände warnten vor neuen Modernisierungsumlagen, bei denen die Vermieter den Einbau der Anlagen geltend machen – und die Mieter belasten könnten. Eine zweite Modernisierungsumlage sei bereits vorgesehen. Mieter dürften die Folgen der Fehlplanung nicht tragen, so Sebastian Bartels vom Mieterverein Berlin. Der Entwurf sei unzureichend, die Belastungen zu hoch. Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund fragte, warum eine weitere Modernisierungsumlage nötig sei und nicht eine erste reiche. Für den Zuschauer stellte sich dabei die Frage: Geht die Ampel bereits davon aus, dass der Wärmepumpeneinbau teurer wird als veranschlagt?

Zweifel bestanden auch darüber, was die Kommunen leisten könnten. Zwar erklärte Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag, dass man der Verantwortung nachkommen wolle, und es für realistisch halte, die Wärmeplanungen bis 2028 abzuschließen. Doch nicht jede Gemeinde habe bisher mit der Wärmeplanung begonnen. Es gebe eine „schwierige Erwartungshaltung“ an die Kommunen. Man bräuchte ausreichende Förderung. Es dürfe keinen Rechtsanspruch auf eine Umsetzung einer bestimmten Infrastruktur geben.

Mit Letzterer war vor allem die Möglichkeit gemeint, von Erdgas auf Wasserstoff umzustellen. Zwar verwiesen mehrere Politiker und Sachverständige darauf, Technologieoffenheit zu garantieren, und dass nicht in jeder Kommune eine Wärmepumpe die beste Alternative sei, es sich also in einigen Fällen durchaus anbieten könnte, eine auf Wasserstoff basierende Heizung zu etablieren. Doch je länger die Diskussion darüber anhielt, umso deutlicher wurde, dass am Ende alles auf die Wärmepumpe hinauslief.

Der von der AfD benannte Ingenieur Helmut Waniczek war der einzige Teilnehmer, der das Gesetz im Ganzen verwarf, während andere nur an Nachjustierungen interessiert seien. Der ganze Gesetzesentwurf sei „respektlos gegenüber dem Bürger“. Beim Thema Wasserstoff im Erdgassystem verwies er darauf, dass es nicht bloß ein nationales, sondern ein europäisches Gassystem gebe, und der Umstieg Deutschlands auf Wasserstoff zu Problemen mit den Nachbarländern führen könnte. Wasserstoff würde zudem bald zehnmal teurer als aktuell sein. Wärmepumpen seien bisher vor allem in südeuropäischen Ländern großflächig angebracht worden, sollten diese im Winter in Deutschland durch Schnee und Eis schwerer werden, könnten sie baustatische Konsequenzen nach sich ziehen.

Sandra Rostek vom Bundesverband Erneuerbare Energien dagegen forderte Nachbesserungen – weil der Entwurf nicht ausreiche. Es sei unnötig, das Gesetz von „unnötigen Vorgaben“ zu entschlacken. Deutlicher wurde Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH. „Wir müssen raus aus der fossilen Energie“, polterte sie. Es sei „erschreckend“, wie der „Konsens aufgekündigt“ sei. Sie meinte damit die an den Entwurf angeschlossenen Leitplanken, die sie als „Kapitulation“ bezeichnete. Würde das Gesetz so verabschiedet, dann handele es sich um einen „Rechtsbruch“ der Bundesregierung. Konkret forderte sie einen Stopp der Förderung für Pelletheizungen, man müsse die „Kipppunkte“ im Auge haben.

Die Grünen zeigten an diesem Tag Nerven, mit der DUH ausgerechnet eine Vertreterin der grünen Lobby zur Sachverständigen zu berufen, die in der Vergangenheit mit der Agora Energiewende zusammengearbeitet hat, deren Direktor federführend bei der Ausarbeitung der ersten Fassung war. Vermutlich hatte man lediglich Skrupel, direkt jemand aus der Denkfabrik zu berufen. Teils erinnerten die Äußerungen der Co-Geschäftsführerin an den Duktus einer Aktivistin denn einer Expertin. Man muss ihre Berufung als Signal aus der grünen Fraktion an die Parteien deuten.

Kai Warnecke, Präsident des Eigentümerverbandes Haus & Grund, zeigte sich neben Waniczek als kritischster Sachverständiger des Gesetzes, stand aber mehrfach auf verlorenem Posten. Das Gesetz treffe vor allem Hausbesitzer. In den Verbänden herrschte nicht mehr Angst und Wut, sondern mittlerweile Verzweiflung. Es gehe ans „finanziell Eingemachte“. Es brauche konkrete Förderung und nicht heiße Luft. Die Modernisierungsumlage, die die Mieterverbände ansprachen, gelte in erster Linie für große Wohngesellschaften, aber so gut wie nie für private Vermieter, die unter dem Gesetz besonders litten. Die Härtefallklausel beziehe sich auch bisher nur auf das jeweilige Objekt, nicht aber auf die Situation des Eigentümers.

Bereits jetzt, so konstatierte Warnecke, habe der Gesetzesentwurf dramatische Auswirkungen. Wegen Unsicherheiten bezüglich der möglichen zukünftigen Heizform seien Wertverluste von Objekten zu beobachten. Der Verbandschef bezifferte sie im sechsstelligen Bereich auf dem Land. Rentner verlören ihr Heim als Altersvorsorge, doch ebenso treffe das Gesetz die Situation von jungen Familien. Das Gesetz sei ein „Anti-Wohneigentumsprogramm“, so Warnecke. Sein Appell, die Wärmewende nicht wie die Verkehrswende anzugehen, verpuffte wohl ungehört.

Erst in den letzten 10 Minuten der Sitzung kam Andreae auf einen springenden Punkt: dass eine elektrisch betriebene Energiewende nicht klimaschonend sei, wenn aus der Steckdose Kohlestrom kommt. Eigentlich wären solche Überlegungen an den Anfang zu setzen – nicht bei einer Anhörung, sondern bei einem politischen Projekt, das eine 80-Millionen-Republik klimaschonend umbauen will. Nicht nur für Anhörungen gilt, dass man meistens erst kurz vor Schluss einen rebellischen Gedanken bekommt, der einen großen Plan infrage stellt. Dass die Stromfrage in der Wärmefrage komplett entkoppelt war, zeigt, auf welchen Füßen das Heizungsgesetz stand und steht.

Dass die „Wärmewende“ tiefergehende strukturelle Mängel hat und ihre eigenen Ziele nicht halten kann, spielt auch in den Medien bis heute kaum eine Rolle. Das Credo lautet: Der Verzicht und das Opfer im Sinne der Klimapolitik sind wichtiger. Ideologie ist dann am zerstörerischsten, wenn nicht einmal mehr das Ziel eine Rolle spielt, sondern nur noch die Haltung dazu. Die Konsequenzen dürfen zuletzt Mieter und Vermieter tragen, indes sich die Klimaverfechter darüber beklagen, dass auch dies nicht weit genug ginge.

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