Tichys Einblick
"Lage angespannter als 2015"

Alle Bundesländer gemeinsam fordern mehr Geld – und strengere Migrationspolitik

Die Bundesländer sind in Sachen Flüchtlingspolitik einer Meinung: Sie fordern in einer gemeinsamen Beschlussvorlage für den morgigen Migrationsgipfel mehr Geld und strengere Maßnahmen von der Regierung. Die Fronten zwischen Bund und Ländern verhärten sich weiter.

Hauptbahnhof in München, 21.04.2023

IMAGO / Sven Simon

In einem sind sich die Regierungschefs aller Bundesländer einig: So kann es mit der Flüchtlingspolitik nicht weitergehen. Sie haben gemeinsam eine Beschlussvorlage erarbeitet für die morgige Sonder-Konferenz mit Kanzler Olaf Scholz. Ihre Forderungen sind deutlich: Der Bund solle sich stärker an den Flüchtlingskosten beteiligen und Maßnahmen bieten, die den Zuzug nach Deutschland wirksam begrenzen. Der Süddeutschen Zeitung (SZ) und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung  (FAZ) liegt nach deren Angaben die Beschlussvorlage der Länder vor.

Dass sich alle Länder über Parteigrenzen hinweg einig in dieser Sache sind, ist einzigartig. Nicht nur CDU-Landespolitiker fordern ein strikteres Asylvorgehen und mehr Geld , sondern auch Grüne-, Linke- und SPD-Politiker. Die vom Bund zugesagten Beträge für das laufende Jahr von insgesamt 2,75 Milliarden Euro – davon 1,5 Milliarden für Flüchtlinge aus der Ukraine – können demnach „nicht den steigenden Zahlen von Geflüchteten gerecht werden“, zitiert die SZ aus der Beschlussvorlage der Länder. Stattdessen fordern sie ein „atmendes System“: Die Zahlungen der Regierung an die Länder sollen sich an die verändernden Flüchtlingszahlen anpassen. Der Bund soll die Länder somit passend zu den tatsächlichen Flüchtlingszahlen unterstützen, statt mit einer Pauschale. Das war laut FAZ auch in den Jahren nach der Flüchtlingskrise von 2015 und 2016 die Regel. Nun sei die Lage in vielen Kommunen sogar noch angespannter: Die Situation wird als „dramatischer“ als 2015 beschrieben. Man habe festgestellt, dass „es sich bei den Migrationsbewegungen der letzten Jahre um eine dauerhafte Entwicklung handelt“.

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Die Bundesländer bauen ihre Forderung in ihrer Beschlussvorlage auf vier Säulen auf: Erstens fordern sie, dass der Bund die Kosten für Unterkunft und Heizung von Geflüchteten vollständig erstatte. Zweitens beanspruchen sie eine allgemeine monatliche Pro-Kopf-Pauschale für die Unterbringung und Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Laut SZ hätten Finanzminister bei einer Konferenz am Sonntag einen Betrag von etwa 1.000 Euro für diese Pauschale genannt. Drittens verlangen die Länder, dass der Bund die Kosten für die Integration aller Geflüchteten sowie für unbegleitete Minderjährige verlässlich übernimmt. Und viertens: Der Bund müsse die Beratung von Geflüchteten, Erstorientierungs- und Integrationskurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge „sowohl quantitativ als auch qualitativ bedarfsgerecht ausbauen“. Die Anerkennung von Berufsqualifikationen müsse vereinfacht werden, um die Flüchtlinge einfacher in den Arbeitsmarkt einzugliedern.

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Mit diesen Forderungen verhärten sich die Fronten zwischen Bund und Ländern noch mehr, als ohnehin schon: Immerhin hat die Regierung in einer eigenen Beschlussvorlage erneut betont, dass sie nicht bereit ist, mehr Geld als bisher vereinbart an die Länder zu zahlen, wie die Tagesschau berichtet. Der Bund sei aufgrund der „angespannten Haushaltslage“ nicht in der Lage, zusätzlich zu helfen. Dabei verweist die Regierung insbesondere darauf, dass sie seit Juni etwa 90 Prozent der Leistungen für Flüchtlinge aus der Ukraine übernehme – der derzeitig größte Anteil der Flüchtlinge in Deutschland. Diese erhalten Bürgergeld beziehungsweise Sozialhilfe vom Staat. Wie die SZ weiter berichtet, habe der Bund dafür im letzten Jahr rund drei Milliarden Euro aufgewendet. Dieses Jahr peile der Bund etwa fünf Milliarden Euro an.

Während sich also in Sachen Kosten die Positionen verhärten, stimmen Bund und Länder in anderen Bereichen überein oder eröffnen zumindest eine Kompromissbasis: Die Ministerpräsidenten fordern von der Regierung, dass diese sich in der Europäischen Union (EU) dafür stark macht, dass Asylverfahren bereits an den EU-Außengrenzen abgewickelt werden. Außerdem wollen beide Seiten, dass die Asylverfahren beschleunigt werden.

Abgesehen davon verlangen die Ministerpräsidenten aller Länder, dass die Regierung die Binnengrenzen im Schengen-Raum intensiver überwachen lässt und die Grenzkontrollen zu Österreich im Bedarfsfall auf weitere Grenzabschnitte ausweitet. Sie finden, die Bundespolizei müsse Schleierfahndungen an allen deutschen Binnengrenzen vornehmen. Damit einhergehend fordern die Länder außerdem, dass der Bund rechtliche Regelungen anpasst: Momentan verhinderten oder erschwerten diese, dass Flüchtlinge abgeschoben würden.