Tichys Einblick
EU-Kommission gegen Apple

Der Wirtschaftskrieg gegen die USA hat begonnen

Die Europäische Kommission verhängt eine Milliardenstrafe gegen den iPhone-Hersteller. Der EU-Protektionismus gegen den US-Konzern Apple verschafft Brüssel zwar einen Milliardenbetrag, sorgt aber langfristig für weniger Wohlstand. Von Samuel Faber

IMAGO / teamwork

Das Urteil aus Brüssel war eindeutig. Apple muss 1,8 Milliarden Euro an die EU-Kartellbehörde bezahlen. Der Vorwurf: Das Unternehmen habe seine marktbeherrschende Stellung für den Vertrieb von Musik-Streaming-Apps missbraucht. Bereits seit drei Jahren kritisieren die Beamten das Vorgehen des Tech-Giganten. So müssen Verkäufe von Abos in den Apps über Apples Bezahlplattform abgewickelt werden, wenn die App über Apples App Store heruntergeladen wurde. Dabei behält der Konzern 30 oder 15 Prozent der Einnahmen ein.

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Zu viel für die EU-Kommission, die bei europäischen Kartellfragen entscheidet. Apple habe laut Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Möglichkeit von App-Entwicklern eingeschränkt, Apple-Nutzer über alternative, günstigere Optionen zum Kauf von Musik zu informieren, die außerhalb des Apple-Ökosystems verfügbar sind. „Das“, so macht die Dänin unmissverständlich deutlich, „ist illegal!“

Die Strafe ist höher ausgefallen, als Experten dies im Vorfeld vermutet hatten. Doch offenbar möchte die EU damit ein Exempel statuieren. So habe laut Vestager Apple mit seinem App Store ein Monopol auf den Vertrieb von Musik-Streaming-Apps für seine IOS-betriebenen Geräte etabliert. Konkurrenten wie Spotify hätten so keine andere Wahl gehabt, als die Bedingungen von Apple zu akzeptieren oder sich vom App Store zurückzuziehen.

Spotify entlässt fast 20 Prozent der Mitarbeiter

Die Geldbuße umfasse einen zusätzlichen „Pauschalbetrag“, um den Schaden mitabzubilden, den Apples Verhalten Millionen von europäischen Nutzern zugefügt habe. Die Milliardenstrafe, so die Wettbewerbskommissarin, solle in ihrer Höhe auch abschreckende Wirkung haben. Oder anders gesagt: Die EU zieht im Wirtschaftskrieg die härteren Bandagen an. Während Apple ein US-amerikanisches Unternehmen ist, kommt Spotify aus Schweden, also der Europäischen Union.

Der europäische Streamingdienst hatte zuletzt mit Problemen zu kämpfen. Ende 2023 gab das Unternehmen bekannt, 1500 Arbeitsplätze abzubauen. Fast jeder fünfte Mitarbeiter musste Spotify verlassen, schrieb Unternehmenschef Daniel Ek auf der Spotify-Internetseite. Als Begründung nannte er das verlangsamte Wirtschaftswachstum sowie die gestiegenen Zinsen und gesteigerte Kosten. Kosten, die auch Apple erzeugt hatte.

Ek benennt zwar den US-Konzern nicht genau, doch wer zwischen den Zeilen liest, der weiß, dass auch Apple dabei eine Rolle spielt, wenn die Schweden Personal freistellen: „In Anbetracht der Kluft zwischen unseren finanziellen Zielen und unseren aktuellen Betriebskosten habe ich jedoch beschlossen, dass eine umfassende Maßnahme zur Anpassung unserer Kosten die beste Option zur Erreichung unserer Ziele ist“, schrieb der Manager.

Apple hat gar keine „marktbeherrschende Stellung“

Apple hingegen kritisiert die Entscheidung der EU. So wurde die milliardenschwere Strafe ohne stichhaltige Beweise getroffen, dass Verbraucher tatsächlich geschädigt worden seien. Im Gegenteil: Ein großer Erfolg von Spotify basiere laut den Amerikanern auf den iPhone-Nutzern. Dennoch wolle man die Kostenstruktur, was die Entwickler für den europäischen Markt angeht, anpassen.

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Anders gesagt: Die protektionistische Abschreckung wirkt. So stellte Apple im Januar bereits Alternativen für das App-Geschäft in der EU vor. Dazu gehört, dass die Abgabe beim Verkauf digitaler Artikel und Abos über den App Store gesenkt wird. Aus bisher 30 Prozent beziehungsweise 15 Prozent für Abonnements ab dem zweiten Jahr werden jeweils 17 und zehn Prozent. Apple stellt aber klar, dass dieser Anteil unabhängig davon verlangt werden soll, welchen Zahlungsdienst ein App-Entwickler nutzt. Greift also eine App auf Apples Bezahlsystem zurück, werden zusätzlich drei Prozent fällig. Vestager prüft bereits diese Regelung.

Inwieweit diese Änderung positive Auswirkungen auf den Verbraucher hat, ist völlig unklar. Klar ist, dass sich ein europäisches Unternehmen auf Druck der EU einen Vorteil gegenüber einem US-amerikanischen Unternehmen verschafft. Und das ohne Not. Denn von einer „marktbeherrschenden Stellung“ von Apple kann in Europa keine Rede sein. So nutzen in der Union 33 Prozent der Bürger iOS, während mehr als 66 Prozent der Handy- und Tabletnutzer Geräte mit dem Google-Betriebssystem Android nutzen. Die Begründung von Vestager erschließt sich nicht.

Weniger Wohlstand durch mehr Protektionismus

Erfasst die EU mithilfe von Kartellstrafen neue Geldquellen? Zu dem Entschluss kann man kommen. Denn die Europäische Union selbst hat, jenseits der Beiträge der Mitglieder, zwei eigene Einnahmequellen: Zölle und Vertrags-, also auch Kartellstrafen. Hierbei scheint Brüssel zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Einerseits protektioniert die Union ein europäisches Unternehmen. Und andererseits sorgt sie dafür, dass das Haushaltsbudget steigt.

Hinzu kommt, dass ein Gremium über die Strafen entscheidet, das keine demokratische Legitimierung hat: die EU-Kommission. Während in Deutschland die Kartellbehörde dem Wirtschaftsministerium unterstellt ist, das von einem Minister geleitet wird, der immerhin demokratisch gewählt wurde, ist das bei der Kommission anders. Wir erinnern uns, aufgrund welcher Schmierenkomödie Ursula von der Leyen ihren Job als Kommissionspräsidentin bekam.

Auch wenn Spotify bzw. Apple Music keine entscheidenden Industriezweige repräsentieren, ist eines klar: Der Wirtschaftskrieg zwischen der EU und den USA ist längst im Gange. Statt sich auf marktwirtschaftliche Prinzipien zu berufen, werden uralte merkantilistische Konzepte aus der Schublade gekramt, die noch nie geklappt haben und nur eines evozieren: weniger Wohlstand.

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