Tichys Einblick
TESLA-WERK in Grünheide

Brandenburgs grünes Ministerium spricht Tesla von allen Umweltsünden frei

Umweltschäden durch die Tesla-Fabrik „Giga-Berlin“ erhitzen in Brandenburg die Gemüter. Die dort im Umweltministerium regierenden Grünen nehmen daran keinen Anstoß – ganz im Gegenteil.

IMAGO / Bernd Friedel

Das Tesla-Werk Grünheide in Brandenburg unweit von nBerlin, im Firmenjargon „Giga-Berlin“ benannt, kommt nicht aus den Schlagzeilen. Die Expansion des Werkes verursacht ökologische Schäden. Doch in der Politik genießt das Unternehmen besondere Protektion. Gerade auch im grün geführten Umweltministerium Brandenburgs.

Der Reihe nach: Der kalifornische Autobauer produziert dort seit März 2022 Elektroautos. Bei Tesla in Grünheide arbeiten derzeit mindestens 8500 Mitarbeiter, genaue Zahlen darüber wie auch über andere Unternehmensbesonderheiten gibt das Unternehmen nicht bekannt, die Mitarbeiter wurden schriftlich zur Geheimhaltung verpflichtet. In der ersten Ausbauphase sollen es 12.000 Beschäftigte sein. Gewerkschaften, wie die IG Metall, sind im Unternehmen nicht zugelassen, der – qua Gesetz vorgeschriebene – Betriebsrat unterliegt der Schweigepflicht. Die IG Metall hat sich besorgt über die Arbeitsbedingungen bei Tesla in Grünheide gezeigt, ohne dass allerdings bisher ein nennenswerter Exodus von Tesla-Beschäftigten bekannt geworden wäre.

Das bisherige Tesla-Gelände umfasst rund 300 Hektar. Das Unternehmen von Tesla-Chef Elon Musk baut dort auch eine Batteriefabrik und hat weitere Expansionpläne, die beginnen, örtliche wie Landes-Behörden vor zunehmende Probleme zu stellen. Denn das Werk soll erheblich erweitert werden, Tesla will einen eigenen Werkbahnhof für den Güterverkehr, Logistikflächen und eine Betriebs-Kita auf einer angrenzenden Fläche errichten, da das bestehende Gelände dafür nicht reicht. Desweiteren hat Tesla die Genehmigung für eine Recycling-Anlage eingereicht.

Für die Erweiterung des Werkes muss ein Bebauungsplan vorliegen. Die Gemeindevertretung Grünheide stimmte im Dezember 2022 mit Mehrheit für die Aufstellung eines neuen Bebauungsplans. Der Autobauer kann nun eine Fläche von über 100 Hektar kaufen. Dafür muss weiterer Wald gerodet werden.

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Beim Bebauungsplan will die Gemeinde Tempo machen. Der parteilose Bürgermeister hält eine Aufstellung des Bebauungsplans bis zum ersten Quartal 2024 für möglich. Allerdings: „Dafür müsste alles sehr gut klappen.“ Derzeit warte die Gemeinde auf Informationen der zuständigen Planungsbüros. Dann würden die Träger öffentlicher Belange einbezogen, ihre Stellungnahmen müssten dann noch ausgewertet werden. 

Umweltschützer und betroffene Anrainer sind besorgt und alarmiert. Sie sahen von Anfang an hohe Risiken für das Grundwasser. Zum einen wegen der hohen Entnahmemenge, zum anderen weil ein Teil des Werksgeländes in einem Wasserschutzgebiet liegt. Jede bauliche Erweiterung des Werkes macht weiter Abholzungen und Eingriffe in den Naturschutz notwendig. Ein Problem von Beginn an ist der hohe Grundwasserverbrauch der Giga-Fabrik in einer Region, die traditionell für extreme Wasserknappheit bekannt ist.

Aber offensichtlich genießen Elon Musk und Tesla Grünheide bei der Landesregierung Brandenburg besondere Privilegien, vulgo: Narrenfreiheit. Nicht anders ist es zu erklären, dass die Landesregierung die Auflagen zum Schutz des Grundwassers für Tesla hoheitlich sogar gekippt hat. Tesla wurde von der Einbindung des Wasserverbands befreit. 

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Das hat zur Folge, dass der Autobauer bei seinen Investplänen den Wasserverband nicht mehr in allen grundwasserrelevanten Fragen einbeziehen muss. Dazu gehören auch Bauvorhaben. Bisher musste Tesla laut grünem Umweltministerium über 400 Auflagen und Nebenbestimmungen im Rahmen der umweltrechtlichen Genehmigung erfüllen, mehr als 100 davon betreffen das Thema Wasser. Tesla legte Widerspruch beim Landesumweltamt gegen die Auflage ein, dass der Wasserverband (WSE) Strausberg-Erkner bei allen grundwasserrelevanten Fragen einbezogen werden muss. Diese Auflagen hat die Brandenburger Landesregierung daraufhin gekippt. Seither kann Tesla schalten und walten ohne Aufsicht der Betroffenen.

Und mit einer sehr fadenscheinigen Begründung verteidigt die Landesregierung diese Entscheidung. Die Behörden in Brandenburg seien davon überzeugt, dass die Überwachung der Auflagen zum Schutz des Wasserschutzgebiets durch staatliche Stellen und Tesla selbst auch ohne die Auflage gewährleistet sei, so der Umwelt-Abteilungsleiter im Umweltministerium, Axel Steffen, im zuständigen Landtagsausschuss. Die Auflage zur Einbeziehung des Wasserverbands in Grundwasserfragen sei nicht erforderlich für die Einhaltung der Pflichten. „Alle grundwasserrelevanten Belange sind in anderen Auflagen präzisiert und konkretisiert.“ In der Auflage seien Begriffe wie grundwasserrelevant „nicht genug bestimmt gewesen“. Das Land habe verhindern wollen, dass dies später vor Gericht kommt. 

Offensichtlich sieht es die Landesregierung Brandenburg für wichtiger an, die Schlampigkeit ihrer Gesetzgebung als den Schutz der Lebensgrundlage ihrer Bevölkerung, nämlich die Versorgung mit Wasser zu verteidigen. Anders ist eine solche Haltung nicht zu erklären.

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Unterstützung der Landesregierung kommt auch aus der Abteilung Wasser im Umweltministerium. Danach bedient sich Tesla bei der Selbstüberwachung akkreditierter Büros und Labore und stellt die Daten den Behörden zur Verfügung. Für den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen gebe es strenge Auflagen und Prüfungen. Die, so ist es allgemeine Regel, vom Behördenschreibtisch aus vorgenommen werden. Bezahlt werden diese Gutachten und Prüfungen im Übrigen von Tesla selber. Wie diese Selbstkontrollen in der Wirtschaft funktionieren, ist durch viele Skandale bekannt. Die Diesel-Affäre könnte als Beispiel dienen.

Damit ist der Autobauer also selber für die Überwachung des Grundwassers zuständig, was nach Angaben der Landesregierung üblich sei, wie die Automobilwoche berichtet. Das Landesumweltamt und der Landkreis Oder-Spree kontrollieren laut Ministerium regelmäßig, ob Auflagen eingehalten werden. Ein Teil des Werksgeländes liegt in einem Wasserschutzgebiet. Tesla hatte Bedenken zurückgewiesen.

Nicht ohne Grund ist der Wasserverband misstrauisch. Seit Beginn an gibt es Streit um die Grundwasser-Überwachung im Werk, zumal ein Teil des Werksgeländes in einem Wasserschutzgebiet liegt 

Wohl zu Recht sieht der – ausgehebelte – Wasserverband keine ausreichende Kontrolle des Grundwassers bei Tesla und bezweifelt eine ernsthafte Selbstkontrolle. Der Verband nannte als Beispiel, dass in 2022 ein Abfalllager bei Tesla gebrannt habe, dessen Bau aber keine Genehmigung gehabt habe. Wie man im Nachhinein feststellen musste. Und auch nur feststellen konnte, weil die großen Rauchfahnen weithin sichtbar waren. Über Löschwasser-Eintragungen in den Boden wurde seitens der Landesregierung nichts bekannt. 

Doch es kommt noch schlimmer. Inzwischen sind weitere nicht genehmigte Bauarbeiten bei Tesla bekannt geworden, neue Streitigkeiten drohen. So wollte Tesla ein Solardach über einem Parkplatz errichten und hat dafür ohne Genehmigung Pfähle in den Boden gerammt.

Brandenburgs grüner Umweltminister Axel Vogel plant ein Krisentreffen mit Tesla für Anfang März. Der Landkreis sei „schwer enttäuscht“ von Tesla, berichtet die Automobilwoche.

Im Streit über nicht genehmigte Bauarbeiten auf dem Tesla-Gelände in Grünheide will Brandenburgs Umweltminister den US-Autobauer mit Verbänden und Behörden an einen Tisch bringen. „Einen Terminvorschlag haben wir für Anfang März unterbreitet“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. „Mit dem Gespräch wollen wir mit den Beteiligten vertiefend über die Grundsätze der Zusammenarbeit sprechen.“ Im Industriejargon würde man sagen: Arbeitskreis statt Kontrolle.

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Konkret geht es um folgenden Vorfall: Tesla hatte nach Angaben des Landkreises Oder-Spree auf einem Parkplatz der Fabrik in Grünheide mehr als 100 Pfähle in die Erde eingebracht, und will damit eine Überdachung des Parkplatzes mit Solarmodulen bauen. Die Bauarbeiten wurden aber gestoppt, da keine Genehmigung vorlag, wie der Sprecher des Kreises mitteilte. „Der Landkreis ist vom Vorgehen von Tesla schwer enttäuscht. Wir erwarten, dass das Unternehmen seine internen Abläufe so aufstellt, dass sich solch ein Anfängerfehler nicht wiederholen kann“, so die Kreisverwaltung, die auch Genehmigungsbehörde ist. Die Pfahlgründungen würden derzeit untersucht.

Obwohl die Ergebnisse der Untersuchung noch nicht vorliegen, sehen die Behörden vorab schon mal keine akute Gefährdung des Grundwassers. „Wir gehen im Moment davon aus, dass es sich um ein genehmigungspflichtiges Vorhaben handelt“, teilte der Sprecher des Kreises Oder-Spree laut Automobilwoche weiter mit. „Nach einer ersten Einschätzung gehen wir aufgrund der geringen Einbringungstiefe der Pfähle aber nicht von einer akuten Gefährdung des Grundwassers aus.“

Auch wenn sich diese Auffassung als richtig herausstellen dürfte, bleiben Zweifel am eigenmächtigen Vorgehen des US-Autobauers. Kommt dann noch der Entfall von kontrollierenden behördlichen Hemmschwellen bei dessen Vorhaben hinzu, werden schwerwiegendere Umweltverfehlungen wahrscheinlicher. 

Der Volksmund würde sagen: Das ist eine Aufforderung zum Tanz! Oder anders gewendet: Frösche aller Länder kommt nach Brandenburg. Hier dürft ihr die Arbeiten zur Trockenlegung des Sumpfes selber kontrollieren und beaufsichtigen. Angesichts dieser kontroversen und von Misstrauen geprägten Lage dürfte es der Landesregierung Brandenburg in Zukunft etwas schwerer fallen, die Expansionspläne der Giga-factory Grünheide in Zukunft bedenkenlos zu unterstützen.

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