Tichys Einblick
Der Verbrenner hat viel Entwicklungspotenzial

Was ist der ideale Auto-Antrieb für die Zukunft?

Noch scheint nicht Hopfen und Malz verloren. Den Verbrennungsmotor haben die deutschen Hersteller nicht vollständig über Bord geworfen. Jede Firma hat ihren Plan B, denn es könnte ja sein, dass es den Verbrenner doch viel länger gibt, als sich die Politik das wünscht oder einredet.

Holger Douglas
Zugegeben, die Konstruktion wirkt reichlich antiquiert: Kolben bewegen sich auf und ab, Massen müssen beschleunigt und abgebremst werden, ein sehr kompliziertes Wechselspiel mit Ventilen sorgt dafür, dass Kraftstoff und Luft in genau den richtigen Mengen in den Brennraum kommen. Eine sehr aufwendige und präzise Steuerung regelt, ob mehr oder weniger Leistung gefragt ist.

So funktioniert ein Verbrennungsmotor – schon seit 1863, als der belgische Erfinder Étienne Lenoir in seinem „Hippomobile“ neun Kilometer von Paris nach Joinville-le-Pont und zurück tuckerte. Über das Versuchsstadium kam Lenoir seinerzeit allerdings nicht hinaus, der Motor war zu schwer, brachte zu wenig Leistung und rollte nicht schneller als sechs Kilometer pro Stunde.

Entscheidende Schritte vorwärts ging es erst, als Nikolaus August Otto und darauf dann Gottlieb Daimler die Maschine weiterentwickelten und effektiver machten. Weitere 20 Jahre später, 1883, wurde das erste Patent für einen schnellaufenden Einzylinder-Viertaktmotor erteilt.

Eigentlich erstaunlich, dass sich ein solches altes Prinzip wie ein Verbrennungsmotor über 160 Jahre gehalten hat und nicht durch eine andere, bessere Technologie überrundet wurde.

Eine technisch ziemlich aufwändige Angelegenheit, Feuer unter Kontrolle zu kriegen und in eine Kraft umzuwandeln und damit Gefährte anzutreiben. Warum gibt es da noch nichts Besseres?

»Das ist im Prinzip ganz einfach erklärt«, sagt Motorenentwickler Fritz Indra im Gespräch mit dem TE-Wecker. »Es wurden ja immer wieder Angriffe genommen mit anderen Konzepten, ich denke nur an Stirling Motor. Ich denke an den Wankelmotor oder immer wieder an andere Ventil-Steuerungen. Man hat immer wieder versucht, dieses Prinzip, das aufwendig klingt, aber total ausgereift ist, wegzukriegen, weil man gesagt hat, es muss doch was Einfacheres geben.«

Fritz Indra ist Diplom-Ingenieur, studierte Maschinenbau an der Technischen Universität Wien, leitete lange Zeit bei Opel die Motorenentwicklung und verantwortete Motoren, die ausgezeichnet wurden, weil sie die höchsten Wirkungsgrade hatten. Er konstruierte die ersten Diesel Direkteinspritzer mit Vierventiltechnik und nur einer oben liegenden Nockenwelle, technische Highlights seinerzeit. Er war in Detroit Leiter der Vorausentwicklung bei General Motors, wurde zum Honorarprofessor für Verbrennungskraftmaschinen an der TU Wien ernannt und unterrichtet im Fachgebiet Rennmotoren und Rennwagen.

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Kaum jemand, der sich besser mit der Entwicklung von Motoren auskennt als er, der weiß, wie man Automobile sparsam bewegt, und der auch immer noch einen sehr guten Einblick hat, wohin sich weltweit die Autoentwicklung bewegt.

»Aber die Geschichte lehrt uns«, sagt er, »dass es eben in Summe, wenn man alles, auch die Energie, den Transport, das Auto und die Energiegewinnung und die Reichweite und die Kosten nimmt, es nach wie vor nichts Besseres gibt. Und auch der Angriff der Elektroautos ist ja nicht der erste. Es gab schon früher in den 90er-Jahren die Überzeugung mancher Politiker, das Elektroauto sei die Zukunft. Alle Angriffe bisher konnte der Verbrennungsmotor abwehren, und er hat auch noch sehr viel Potenzial.«

»Das zeigen uns jetzt Gott sei Dank die Firmen, die nach wie vor an den Verbrennungsmotor glauben. Ich gehöre natürlich auch dazu. Da ist immer wieder viel Potenzial drinnen, nicht nur, was Verbrauch, sondern auch, was die Umwelt betrifft. Das ist sehr erfreulich. Leider kommen diese neuen Motoren nicht aus Europa, sie kommen aus Asien.«

»Warum«, fragt Indra im Gespräch mit dem TE-Wecker weiter, »werden in Europa 16 neue Motorenwerke gebaut?« Paradoxer geht kaum: »Während Brüssel den Verbrenner verbieten will, bauen Chinesen und Renault neue Motorenwerke.« Für Indra ein unvorstellbarer Erdrutsch, den die EU mit dem Verbrennerverbot ausgelöst hat; derzeit schicken deutsche Hersteller Tausende von Ingenieuren nach China, um dort neue Motorentechnik zu lernen.

Das Schlimme für einen europäischen Ingenieur ist, dass das nicht mehr in Deutschland entwickelt wird, sondern alles aus China kommt. »Fürchterliche Vorstellung!«

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Das Gespräch kommt auf die jüngsten Absonderlichkeiten der Motorenentwicklung: immer kleinere Motoren wurden seit Jahrzehnten gebaut. Die bisherige Doktrin »Downsizing«, also immer kleinere, scheinbar sparsamere Motoren zu bauen, leuchtet nur auf dem Papier ein – in der Praxis allerdings versagt sie.

»Dieses Downsizing ist gut für die Verbrauchswerte am Papier, damit werden die CO2-Emissionen ermittelt. Dann steht beim Auto drinnen: weniger CO2 durch Downsizing. In der Praxis hat sich immer rausgestellt, dass die Motoren im Vergleich zum Beispiel Dreizylinder mit Vierzylinder, ungefähr gleiche Fahrzeugklasse, dass in der Praxis der Vierzylinder-Verbrauch immer besser ist als der Dreizylinder-Verbrauch.«

Extrembeispiel sei der Zweizylindermotor, den es bei Fiat gab. In der Praxis werden diese Autos mit höheren Drehzahlen gefahren. Ein ausgeglichener Sechszylinder-Motor, der auf dem Papier mehr verbraucht als der Vierzylinder, schluckt in der Praxis viel weniger, weil er mit niedrigeren Drehzahlen gefahren werden kann. »Als Ingenieur kann man natürlich tolle Motoren entwickeln, aber wir müssen ihn so entwickeln, dass der Kunde dann automatisch in dem Bereich fährt, wo der Motor am effizientesten arbeitet.«

Von BMW gebe es jetzt einen Dieselmotor mit drei Liter Hubraum und mit unglaublich günstigem Verbrauch. »Und wenn man das Ganze noch, wie es auch Mazda richtigerweise macht, mit einem sogenannten Mild Hybrid System kombiniert, dann hat man eigentlich den idealen Antrieb für die Zukunft.«

»Mild heißt, da wo die Lichtmaschine normalerweise mit Antrieb über Riemen sitzt, wird die Lichtmaschine ersetzt durch einen Lichtmaschinen-Generator, der kaum größer ist, etwa mit 17 PS, den man einfach anbauen. Man braucht nichts zu ändern und das ist das ideale System.«

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Mit diesen 17 PS kann man beim Wegfahren besser beschleunigen und man kann vor allem sehr gut rekuperieren. Das heißt, beim Verzögern kann man dann über die Lichtmaschine, der dann ein Generator ist, wieder Strom zurückliefern in die Batterie. Das ist die einzig sinnvolle Methode für einen sogenannten Hybrid. Das ist finanzierbar, das macht Sinn und bringt Verbrauch und auch besseres Anfahrverhalten.«

Die Wärmeenergie, die beim Bremsen entsteht, wird nicht ungenutzt ins Freie geleitet, sondern teilweise in elektrischer Energie gespeichert, die man wieder benutzen kann. Dieses Rekuperieren ist allerdings begrenzt; wenn dies zu häufig geschieht, geht die Batterie durch die häufigen Lade- und Entladezyklen schneller kaputt.

Realisiert hat dieses Konzept Mazda in seinen neuen Sechszylinder-Dieselmotor. Ebenso erstaunlich: Mazda bringt einen Sechszylinder-Dieselmotor auf den Markt. Vor etwa vier Jahren, so schätzt Indra, habe Mazda mit dem neuen Konzept angefangen. Ein »wunderbarer Motor«, so Indra, der früher aus deutschen Entwicklerstuben gekommen wäre.

Doch noch scheint nicht Hopfen und Malz verloren. Den Verbrennungsmotor haben die deutschen Hersteller nicht vollständig über Bord geworfen. Indra: »Ich weiß zuverlässig, dass VW nach wie vor nicht wie von Herrn Diess mal gesagt ‚Motoren brauchen wir nicht‘, die schließen wir, da gibt es immer noch über 2.000 Leute, die in der Motorentwicklung sitzen. Und die haben zum Beispiel einen sehr, sehr guten Benzinmotor der TSFI Motor entwickelt. Evo heißt der, der hat 1,5 Liter Hubraum, ist ein wunderbarer technischer Motor mit Zylinder Abschaltung, Ladeluftkühler auch am Motor. Da ist auch schon alles drin, was man für die Zukunft braucht.

Und das ist ein High-Volume-Motor im VW Konzern, der ist in ganz vielen Modellen drinnen. An dem wird auch weitergearbeitet. Also im Grunde hat jede Firma seinen – man nennt das so gerne – Plan B, wo sie sagen, könnte ja sein – es wird natürlich auch sein – dass es den Verbrenner doch viel länger gibt, als sich die Politik das wünscht oder sich einbildet, dass man das machen muss, ihn zu verbieten, was völliger Unsinn ist, was nicht gut ist für Wirtschaft und die Umwelt schon gar nicht. Und deswegen arbeiten viele Firmen nach wie vor am Verbrenner.«

Was weg muss, ist das Verbrennerverbot.