Tichys Einblick
Woher soll der viele Strom kommen?

Tesla-Fabrik für E-Autos in Brandenburg: Skepsis bleibt angebracht

Brandenburger und Berliner Politiker jubeln über die Absicht von Elon Musk, ein Tesla-Werk in Brandenburg zu errichten. Doch zwei Probleme will man weiter ignorieren: Wo soll der Strom herkommen, um sie abends aufzuladen? Und: Will sie überhaupt jemand kaufen?

imago images / HMB-Media
Bild ist begeistert: »Was für eine Sensation! Die europäische Tesla-Giga-Factory wird in der Umgebung von Berlin errichtet. Das verkündete Tesla-Boss Elon Musk bei der Preisverleihung zum Goldenen Lenkrad von BILD am Sonntag und AUTO BILD in Berlin. Rund 10 000 Arbeitsplätze sollen entstehen.«

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geriet angesichts der Ankündigung von Tesla ganz aus dem Häuschen und bezeichnete allein die Ankündigung »als Aufwertung des Standortes Deutschland«. Dies sei ein »Meilenstein« für den Ausbau der Elektromobilität. Er fragte nicht nach der Bilanz von Tesla und zum Beispiel des jüngsten Tesla Produktes, des neuen Model 3. Das sollte für 35 000 Dollar das »Elektroauto für jedermann« werden, ist aber auch in den Augen der Wirtschaftswoche mangels Nachfrage »tot«.

Dessen Reichweite ist künstlich begrenzt, läßt sich jedoch für eine Handvoll Dollar für längere Strecken freischalten. Oder wenn es die PR-Abteilung für geboten hält – etwa, wenn ein Hurrikan kommt, der Tesla noch am Supercharger hängt und die E-Autofahrer mangels Strom nicht mehr aus dem Gefahrengebiet fliehen können.

Die Fabrik soll in der Nähe des neuen Flughafens BER in Brandenburg entstehen und soll eine Fläche von etwa 300 ha umfassen. 3000 Arbeitsplätze sollen in einer ersten Stufe entstehen. Die Investitionen betragen mehrere Milliarden Euro.

Die Bauarbeiten sollen bereits in wenigen Monaten starten, die ersten Autos im Jahre 2021 aus der Fabrik rollen. Skeptisch stimmt, dass dies Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach mit Freude verkündet. Der ist von der SPD, und eine solche Aussage aus der Ecke kann nur lautes Lachen auslösen. Zumal er davon spricht, Unterlagen müssten mit Rekordgeschwindigkeit eingereicht werden. Mag das Einreichen noch angehen – aber das zügige Bearbeiten in der Verwaltung gehört schließlich auch dazu. Steinbach hat nach eigener Aussage eine »Absichtserklärung« mit Elon Musk unterschrieben.

Wie Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte, habe die geplante Fabrik Signalwirkung für Europa. »Das erste Mal gelingt es, hier bei uns in Brandenburg zu zeigen, dass Klimaschutz und Schaffung von Wohlstand und Arbeitslätzen Hand in Hand gehen können.« Drunter macht er’s wohl nicht, und das läßt zugleich aufhorchen. Je lauter die Sprüche desto weniger kommt erfahrungsgemäß am Ende heraus.

So meinte er tatsächlich, Tesla käme wegen der Ökoenergie nach Brandenburg. »Wir haben den Rohstoff der Zukunft, wir haben erneuerbare Energien in Brandenburg.« Er bezieht das hoffentlich nicht auf die Windräder, die derzeit aufgrund der Flaute praktisch keinen Strom liefern. Die Gigafactory müsste deshalb ihre Produktion einstellen.

Seit fünf bis sechs Monaten habe Brandenburg mit dem Tesla-Chef verhandelt. Das Entscheidende ist allerdings noch offen: »Wir sind bei 95 Prozent der Fragen durch, aber es werden auch noch weitere Fragen geklärt werden müssen,« sagte Woidke. Er fügte nicht hinzu, dass es sich dabei um die Frage der Höhe der Subventionen handelte. Es seien, heisst es, lediglich Zusagen für übliche Subventionen im Rahmen des EU-Beihilferechts gemacht worden.

Kaum einen Dollar selbst verdient

Tesla selbst hat bisher kaum einen eigenen Dollar verdient und lebt auch von jenen CO2-Zertifikaten, die die Erbauer von Benzinern und Dieselfahrzeugen abdrücken. General Motors und Fiat Chrysler zum Beispiel kaufen Tesla »Verschmutzungsrechte« ab, um ihre Verbrennungsmotoren weiter produzieren zu können. Die können dann Teslas Elektroautos in die CO2-Bilanz ihrer Fahrzeugflotten hinzurechnen. Das nutzt auch anderen Autobauern wieder bei künftigen EU-Abgasvorschriften.

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Die rosigen Aussichten, am CO2-Ablasshandel kräftig mitzuverdienen, könnten durchaus Teslas Lust auf Europa beflügelt haben. Wo auf der Welt gibt es sonst noch solche hirnrissig regierten Länder, in denen sich auf diese Weise Geld verdienen läßt? Teslas Finanzvorstand Zachary Kirkhorn sagte einmal laut Bloomberg bei einem Investorengespräch, Zertifikatsverkäufe würden künftig »einen bedeutenderen Teil des Tesla-Geschäfts« darstellen. Mehr Schwindel, den letztlich der Käufer eines Benziners oder Diesel bezahlt, ist schlecht vorstellbar.

Bernhard Mattes, Noch-Chef des Verbands der Automobilindustrie (VDA) dagegen: »Die Ankündigung von Elon Musk zeigt, wie wichtig der Automobilstandort Deutschland für den Hochlauf der Elektromobilität in Europa ist. Sollten die Pläne in einigen Jahren umgesetzt werden, bedeutet dies einen weiteren Schub für die Elektromobilität. Eine Ansiedlung von Tesla in Deutschland stärkt den Automobilstandort Deutschland, der VDA begrüßt daher diese Entscheidung.«
Es fehlen nur noch die Kunden, die erst vom Kauf eines teuren Elektroautos überzeugt werden müssen, das die halbe Leistung eines Benziners bietet. Und es fehlt mindestens auch der Strom.

Denn die Stromanbieter wollen Stromtanken an Ladesäulen beschränken. So haben die Stromnetzbetreiber in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Tschechien angekündigt, die Stromabgabe an Ladesäulen für Elektroautos in Spitzenzeiten zu begrenzen.

Wenn also am Abend Besitzer vieler Elektroautos ihr Fahrzeug an das Netz anschließen und die Batterien wieder laden wollen, entstehen hohe Leistungsspitzen. Für die ist das Stromnetz nicht ausgelegt, es gibt auch keine entsprechenden Stromerzeugungskapazitäten. Daher müssen diese Spitzen »abgefedert« werden, wie die Stromanbieter den Mangel feinsinnig formulieren. Die hielten in dieser Woche ihren Elektromobilitätskongress in Mannheim ab. Der Grund für den heftigen, aber unter Fachleuten noch als zaghaft angesehenen Vorstoß: »Wir müssen das Netz vor einem Blackout schützen.«

Reinhard Nenning, Leiter des Arbeitskreises Verteilernetze beim Verband Österreichs Energie in Wien im Klartext: »Die Reserven in den Niederspannungsnetzen sind nicht so hoch, wie oft angenommen.« Und weiter: »Wir haben das Problem, dass wir nicht zu jedem Zeitpunkt jede Leistung zur Verfügung stellen können. Unsere Netze kommen ins Schwitzen, wenn gleich mehrere Elektroautos in einem Wohngebiet mit 11 oder gar 22 kW laden.«
Die Stromnetze seien zwar an den wachsenden Bedarf angepasst worden, allerdings seien die Reserven für eine stark wachsende Stromnachfrage durch die Elektromobilität zu gering. »Der Netzausbau läuft langsamer als die Montagebänder der E-Autoindustrie.« Allerdings: nach den Kaufinteressen der potentiellen Kunden haben auch die Stromversorger nicht gefragt.

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