Tichys Einblick

Stuttgart: Jagd auf Dieselfahrer beginnt

Ab sofort sollen Dieselfahrer in Stuttgart gejagt werden. Gleichzeitig häufen sich die Demonstrationen gegen die grüne Politik.

Demonstration in Stuttgart am 2. Februar 2019

THOMAS KIENZLE/AFP/Getty Images
»Macht euch keine Sorgen, wir verschaffen uns Gehör!« rief laut der Veranstalter Ioannis Sakkaros, Mitarbeiter in der Fahrzeugmontage bei Porsche, zum Abschluß den Teilnehmern zu. Er organisierte auch die vierte Demonstration, zu der heute Nachmittag mehr als 2.000 Demonstranten an das Stuttgarter Neckartor gekommen waren. Die Proteste gegen die Diesel-Fahrverbote in Stuttgart gehen also weiter.

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Gleich mehrere Protestkundgebungen fanden heute statt. Die erste wurde bereits um 10 Uhr von der AfD veranstaltet: »Fahrverbote stoppen – Rettet den Diesel«. An der nahmen laut Polizeibericht rund 55 Personen teil. Die Partei hatte bereits im vergangenen Herbst zu mehreren Demonstrationen aufgerufen.
Gegen diese AfD-Veranstaltung wiederum versuchten 40 Gegendemonstranten zu demonstrieren und in die Reihen der AfD zu gelangen. Es kam zu Rempeleien und Beleidigungen. Die Polizei schloß daraufhin die Gegendemonstranten aus der Kundgebung aus und stellte deren Personalien fest.

Bereits am Freitag hat ein Bündnis Zukunft Stuttgart zu einer Kundgebung aufgerufen.

Am Freitag fanden sich in Ludwigsburg rund 200 Bürger zu einer kleinen Demonstration gegen Diesel-Fahrverbote zusammen. Der Veranstalter der großen Demonstration in Stuttgart, Sakkaros, bemüht sich vehement, die Kundgebungen überparteilich zu halten. Denn kritisch wird von Teilnehmern gesehen, dass offenbar politische Gruppierungen versuchen, den Kampf gegen die Dieselfahrverbote politisch zu kapern und in einen Kampf gegen Industrie und Kapitalismus umzumünzen. So brachte ein linker Aktivist einen Kampf gegen Kapitalismus ins Spiel. Der sprach auch schon am vergangenen Samstag davon, dass man Diesel-Fahrer nicht gegen die Menschen ausspielen solle, der die Gesundheit wichtig seien. An der Wurzel des Problems stehe vielmehr Politikversagen. »Die Politik hat sich den Konzernen gebeugt.«

© Thomas Kienzle/AFP/Getty Images

Jedenfalls sollen am kommenden Samstag die Demonstrationen weitergehen.

Ha noi, se werdet so schnell wütend! Das diagnostiziert ein Lokalredakteur der Stuttgarter Zeitung über seine Leser und findet das anstrengend.

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»Mit Diesel läßt sich Stimmung machen!« Meint er. Weiter am Problem vorbei gehts nicht. Ihm entgeht, dass sich Bürger gegen massive Enteignungen zu Wehr setzen. Sie sollen nicht mehr in die Stadt zum Beispiel zu den Arbeitsplätzen kommen. Einfach auf Bus und U-Bahn umsteigen, so berichteten Redner bereits bei der Demonstration am vergangenen Samstag, gehe kaum: Die seien überfüllt.
Eilfertig berichten die Medien unter dem Motto »Stuttgart bereitet sich vor« und machen glauben, wie gut für die Gesundheit doch die Fahrverbote angesichts der »dreckigsten Luft« (ZDF) in der Stadt seien. Wer so etwas wiedergibt, muß sich über das Schimpfwort »Lügenpresse« nicht wundern, das die Demonstranten so lautstark in Stuttgart rufen. Ein Blick in die aktuellen Daten des Umweltbundesamtes zeigen das Gegenteil: Nie war die Luft in den Städten sauberer. Das angesichts sinnlos niedriger Grenzwerte, die übrigens in der Schweiz doppelt so hoch und in den USA mit 103 µg/m3 fast dreimal so hoch wie hierzulande sind.

Jedenfalls soll jetzt die Schonfrist in Stuttgart vorbei sein. Die Jagd auf Dieselfahrer in Stuttgart ist eröffnet. Wurden noch Dieselfahrer, die in die Stadt am Neckar fuhren, mit Karten über ihr Vergehen aufgeklärt, wollen die Grünen jetzt andere Saiten aufziehen.

Bisher haben die Mitarbeiter der »Verkehrsüberwachung« nach eigenen Angaben rund 1000 Karten verteilt. Die Stadt hat zwar kein Geld, um aus ihren Schlaglochpisten ordentliche Straßen zu machen, aber Mittel für Verkehrsüberwacher und Kaminblockwarte, die die Bürger zum Frieren statt Heizen auffordern, sind vorhanden.

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Ab jetzt sollen Autos an die Bußgeldstelle gemeldet werden. Die überprüft anhand der Fahrzeugdaten, nach welcher Norm das Auto zugelassen ist und verteilt dann ein Bußgeld in Höhe von 80 Euro.

Stehen Dieselfahrzeuge mit anderen Kennzeichen als Stuttgarts auf den Straßen, so prüfen die Behörden zudem, ob nicht gar der Wagen auf einen Stuttgarter zugelassen ist. Denn die Bewohner Stuttgarts dürfen noch bis Ende März in der Stadt mit ihren Dieselfahrzeugen fahren. Dann soll auch für sie die baden-württembergische Landeshauptstadt zur verbotenen Stadt werden.

Die Polizei will sich nicht auf die Lauer legen und keine eigenen Dieselfahrverbotskontrollen machen. Sie will bei den allgemeinen Verkehrskontrollen neben dem Blick auf den angelegten Sicherheitsgurt und Handy am Steuer auch die Dieselnorm prüfen.

Erstmalig gilt ein Fahrverbot jetzt für das gesamte Stadtgebiet einer deutschen Großstadt – obwohl nur an ein paar Messstellen in der Stuttgarter Innenstadt einige Überschreitungen registriert wurden.

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Denn in Stuttgart wollte die grüne Politik ganze Sachen machen und zog die Grenzen für das Fahrverbot bis in die Außenbezirke, also auch dort, wo die Luft rein ist. Von Sillenbuch bis Botnang reicht das Fahrverbot für Diesel nach der Norm Euro-4 und abwärts, das der dubiose Abmahnverein »Deutsche Umwelthilfe e.V.« erklagt hatte.

Betroffene Autofahrer können sich gegen die Fahrverbote zur Wehr zu setzen. Der Heidelberger Rechtsanwalt und Verkehrsrechtsexperte Axel Widmaier: »Das können aber nur diejenigen, die von einem innerstädtischen Fahrverbot betroffen sind, und gegen die ein Bußgeld wegen eines Verstoßes dagegen verhängt wurde. Das Verfahren sieht dann so aus, dass ein Bußgeldbescheid ins Haus flattert, welcher in etwa in der Regel bei ca. 80,00 EUR liegen dürfte. Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Fahrverbot kann die Geldbuße durchaus erhöht werden.«

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Widmaier: »Dagegen kann man ein Rechtsmittel einlegen und in einer Verhandlung überprüfen lassen, ob das Fahrverbot korrekt ist. Insbesondere sollte man die Richtigkeit der Messergebnisse, auf denen das Fahrverbot beruht, anzweifeln. Diese müssten dann gegebenenfalls durch ein Gutachten überprüft werden.«

Schützenhilfe bekommt er vom Verkehrsgerichtstag in Goslar. Der tagte in der vergangenen Woche; die Juristen dort nahmen die Dieselfahrverbote aus Sicht auseinander. Denn rechtlich seien die Fahrverbote fragwürdig. Diese Einschätzung hörte man auch schon früher aus dem Bundesverkehrsministerium. Klagen gegen das Fahrverbot könnten erfolgreich sein.

Doch die Stuttgarter Grünen in Stadt und Land Baden-Württemberg hatten es so eilig, sich mit Fahrverboten zu schmücken, dass sie gar nicht prüfen, was auch der Verkehrsgerichtstag in Goslar gerade festgestellt hat: Sehr fraglich sei nämlich, sagten die dort versammelten Juristen, ob Städte tatsächlich gezwungen werden könnten, Messstationen so aufzustellen, dass sie maximale Werte registrieren. In Goslar kritisierten sie auch, dass keine EU-weiten einheitlichen Meßverfahren bestünden. Das Regelwerk lassse einen erheblich Spielraum bei der Wahl des Standortes der Messstelle zu.

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Je umstrittener Grenzwerte und Fahrverbote werden, desto stärker pochen Befürworter auf das Recht und wollen sich so mit Brachialgewalt durchsetzen. Die Justizministerin von Niedersachsen, Barbara Havliza (CDU), etwa kritisierte in ihrer Eröffnungsrede zum Verkehrsgerichtstag in der Kaiserpfalz, dass Urteile der Verwaltungsgerichte von der Politik zuweilen »ignoriert« werden. Man könne, meinte sie, Urteile für falsch halten und sie kritisieren, aber sie müssten von staatlichen Institutionen befolgt werden: »Unser Staatsgefüge kommt erheblich ins Wanken, wenn Urteile nicht von staatlichen Stellen vollzogen werden.« Wie solle man dem Bürger klarmachen, sich ans Recht zu halten, wenn die Behörden es auch nicht täten?

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Ausgerechnet auf das Recht pocht auch der heftig umstrittene Abmahnverein »Deutsche Umwelthilfe e.V.«. Zuerst willkürlich Grenzwerte setzen, von denen man weiß, dass sie unsinnig sind, und dann via Brechstange »Recht« durchzusetzen versuchen, kann einen Rechtsstaat nur zerstören. Ein größerer Treppenwitz ist schwerlich vorstellbar.

Havliza sollte lieber fragen, ob nicht das rechtsstaatliche Gefüge bereits von Willkür in Grenzwerten, Politik und Rechtsprechung zerbrochen wurde.

Die heftigen Demonstrationen wütender Bürger in Stuttgart sind ein deutliches Zeichen. Am vergangenen Samstag rief ein Redner: »Liebe Bundeskanzlerin Merkel – Stoppen Sie sofort das Fahrverbot, sonst stoppen wir Sie!«

Allerdings müßte auch die EU-Kommission gestoppt werden. Dort treibt EU-Umweltkommissar Karmena Vella die Zerschlagung der Automobilindustrie in Deutschland weiter voran. Der kommt aus dem korrupten Zwergenstaat Malta genauso wie Miriam Dalli, die Berichterstatterin des Umweltausschusses. Dalli tut sich immer wieder mit Forderungen à la »die Autoindustrie muss weg« hervor, wie wir die EU-Politik bereits hier beschrieben hatten.

Als Bundesverkehrsminister Scheuer bei der EU auf eine Überprüfung der Grenzwerte bestand, bekam er jetzt von Vella wieder eins draufgesetzt. Der schrieb auf Twitter die Drohung: »Die Grenzwerte, wenn verändert, würden NUR STRENGER!«