Tichys Einblick
Das Geschäftsmodell Ant-CO2

Nach dem Diesel soll auch der Benziner verschwinden

Die Maßnahme, die tatsächlich in Sachen Staub in Stuttgarts Straßen viel gebracht hat, ist schnell wieder unter den Tisch gekehrt worden. Jene urschwäbische Maßnahme gegen Feinstaub, die jede Hausfrau im Südwesten erfolgreich seit Jahrhunderten praktiziert: das Projekt Kehrwoche.

© Mark Renders/Getty Images

„Wir werden insbesondere die Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehr an der Quelle weiter reduzieren, dazu gehören sowohl – soweit technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar – technische Verbesserungen von Fahrzeugen im Bestand als auch eine zügige Flottenerneuerung mit real emissionsarmen Fahrzeugen.“

Markige Sätze, die Anfang Februar aus den Verhandlungen zu einer möglichen Großen Koalition nach außen drangen. Sie klingen wie eine Drohung.

Flottenerneuerung – das bedeutet: Alte Autos so schnell wie möglich weg; darunter fallen unter Umständen auch schon vier Jahre alte Fahrzeuge. Nicht nur Diesel, auch Benziner. Früher hätte man denen noch einen hohen Wert beigemessen, heute altes Blech. Weg damit. Die herben Verluste tragen müssen natürlich die Autofahrer. Was scheren Werte und Vermögen, wenn es um Höheres geht.

Es wagt natürlich kein Mensch, Handwerker, Vertreter oder Rentner direkt ins Gesicht zu sagen: Du darfst nicht mehr in die Städte fahren. Wirf Dein Auto weg! Wir wollen nicht mehr, dass Du frei Auto fahren kannst. Egal ob Diesel oder Benziner. Ein Volksaufstand wäre die Folge, kein Politiker würde das überleben – politisch gesehen.

Da helfen ein paar muntere Horrovisionen an die Wand gemalt auf die Sprünge. Von 400.000 Toten jährlich wegen schlechter Luftqualität redet EU-Umweltkommissar Vella, unter 100.000 macht es keiner mehr. Auf dem Gewissen sollen sie die Autofahrer haben. Mit der Wirklichkeit haben die Zahlen jedoch nichts zu tun, es sind verwegene Rechentricks, gegen die Wahlprognosen geradezu seriös sind.

Um Fragen der Gesundheit geht es am Allerwenigsten. Je lauter die Leerhülsen „Saubere Luft“, „Alles für die Gesundheit“ und „Stinker weg“ klingeln, desto mehr Vorsicht ist angebracht. Wie die Grünen drängen auch die berüchtigten Verbände wie Deutsche Umwelthilfe die EU-Kommission, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. Dollarzeichen blinken aus den Augen des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy: „Die Stickoxid-Emissionen müssen so schnell wie möglich sinken.“ Sonst Geld her.

Nach dem Diesel jetzt auch Benziner unter Beschuss
Ein Blick in die Daten des Umweltbundesamtes würde ihm zeigen, dass die Stickoxide stark gesunken sind, und die Luftqualität bedeutend besser geworden ist. Um mehr als die Hälfte sind die wichtigsten „Schadstoffe“ reduziert worden. Eine beachtliche Leistung der Autoentwickler. Sie haben Diesel und Benziner deutlich sauberer als früher gemacht, allerdings häufig auf Kosten anderer Nachteile. Dabei spielt der Autoverkehr nur eine geringere Rolle an der Luftverschmutzung. Zusätzlich lohnt in der Stadt, in der die Menschen aufgrund des Autoverkehrs Todes-gefährdet sind, in Stuttgart, ein kleiner Blick auf die Daten des Stuttgarter Amtes der Umweltschutz. Eine gute Bilanz.

Ein Resultat beträchtlicher Anstrengungen der Automobilentwickler, die Motoren sauber zu machen. Dieselmotoren bekamen eine halbe Chemiefabrik unter den Wagenboden gebaut; für die Kunden eine teure Angelegenheit, weil sehr wartungsintensiv und fehleranfällig. Für kleinere Autos lohnt deshalb kein Dieselmotor mehr, weil die Abgasnachbehandlung fast genauso viel wie der Motor kostet.

Jetzt also auch den Benziner. Katalysatoren haben sie schon lange, doch jetzt stellt sich heraus, dass ein bestimmter Motorentyp mehr Rußpartikel ausstößt. Eine Folge ungezügelten CO2-Sparwahns. Denn seitdem das arme Kohlendioxid zum Symbol des angeblich menschenverursachten Klimawandels geworden ist, gilt als oberstes Ziel „CO2 muß weg!“ Koste es, was es wolle.

Doch hat in der Regel immer eine Maßnahme weitreichende andere Folgen. Um Verbrauch und damit CO2-Werte zu senken, entwickelten die Ingenieure Motoren nach dem Prinzip Downsizing; immer kleinere Motoren mit immer weniger Hubraum, dafür erheblich mehr Leistung. Deshalb erhöhten die Motorenbauer Druck und Temperatur im Inneren des Zylinders. Letzter Schrei ist die direkte Einspritzdüse, die in den Brennraum den Sprit injiziert. Zielgerichtet, von einer Elektronik gesteuert, genau so viel, wie je nach Fahrzustand in jedem Augenblick benötigt wird.

Bei Phasen wie Vollgas oder hoher Beschleunigung benötigt der Motor mehr Kraftstoff. Da kommt es vor, dass nicht alle Benzinteilchen verbrennen, sondern als Rußpartikel ausgeschieden werden. Das geschieht in der Regel nicht bei langsamen Stadtfahrten, Stop & Go in der Stadt.

Die EU beschloß zwar bereits 2007 neue Abgasnormen auch für Benziner-Motoren, unterließ es aber, präzise Ausführungsbestimmungen vorzulegen und sorgte für Wirrwarr. Erst vor zwei Jahren beschloss die Kommission die Partikelfilterpflicht für Benzinmotoren mit Direkteinspritzung. Also für die meisten Automodelle heute. Motoren mit der vergleichsweise alten Saugrohrtechnik sind nicht betroffen. Hier gibt es keine solch extremen Verhältnisse.

Ab September 2018 müssen alle neu verkauften Benziner mit Direkteinspritzung mit Ottopartikelfilter ausgerüstet sein, unabhängig davon, wie lange die Fahrzeuge schon am Markt erhältlich sind. Offen ist, ob es eine Nachrüstpflicht geben soll und ob ältere Fahrzeuge in die Innenstädte fahren dürfen.

Das bedeutet wieder viele Überstunden in den Konstruktionsabteilungen, zu kurze Entwicklungs- und vor allem zu wenig Testzeiten. Denn man kann einen Partikelfilter nicht einfach in den Abgasstrang schrauben. Allein schon die Platzverhältnisse im Motorraum sind sehr beengt, der Katalysator sitzt bereits relativ nah am Auspuffkrümmer, er muss immerhin schnell auf Temperatur kommen, um zu funktionieren. Noch näher muss der Partikelfilter an den Motor rücken.

Auch wenn der Benzinmotor deutlich weniger Partikel als der Diesel ausstößt, taucht die wichtigste Frage auf: Wie beim Staubsauger wird der Filter irgendwann gefüllt. Der sogenannte Gegendruck steigt langsam an, es können keine Abgase mehr ausgestoßen werden, der Motor verliert an Leistung und würde ausgehen. Beim Diesel mit seinem deutlich höheren Rußanteil wird deshalb in regelmäßigen Abständen freigebrannt, ist aber früher oder später voll (beladen) und muss teuer ersetzt werden. In den Anfangszeiten fackelten schon mal Autos ab.

Der Ottopartikelfilter ist ähnlich wie sein Dieselfilterkollege in einer Wabenstruktur auf Basis einer technischen Keramik aufgebaut, hält die Partikel fest. Ein solcher Widerstand im Auspuff wirkt wiederum auf den Verbrennungsprozess im Zylinder zurück und beeinflusst Ladungswechsel und die maximale Leistung des Motors.
Sensoren an Ein- und Ausgang des Filters messen die Druckdifferenz des Abgasstromes, die Elektronik steuert das regelmäßige Freibrennen des Filters, dabei helfen die deutlich höheren Abgastemperaturen des Ottomotors.

Wie es um die Langzeitstabilität aussieht, weiß bisher keine so recht. Ebensowenig, wie sich Kurzstrecken mit zu kaltem Motor und Auspuffgasen auf Dauer auf den Filter auswirken. Immerhin ist das System thermisch sehr belastet. Für Langzeittests blieb keine Zeit, es heißt: Reifen beim Kunden.

Klar ist: Es wird teurer für den Autofahrer – natürlich unter dem Deckmantel des Gesundheits- und Umweltschutzes. Mit Hinweis darauf hatte übrigens der Bundesrat im vergangenen Jahr beschlossen, dass das Abgas bei der Hauptuntersuchung eines jeden Autos wieder direkt mit einer Sonde im Auspuffendrohr gemessen wer-den muss. Der damalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) begrüßte: „Mit der Endrohrmessung können wir künftig sicherer erkennen, wenn bei einem Auto die Abgasreinigung nicht ordnungsgemäß funktioniert.“ Zuvor hat ein elektronisches Diagnosesystem geprüft, ob alle Sensoren und die Steuerelektronik funktionieren. Ging einfacher, schneller und genauso gut.

Schön die glänzenden Augen des Zentralverbandes des Deutschen Kfz-Handwerks (ZDK) zu sehen. Und auf welche Hohlfloskel kann auch der ZDK nicht verzichten? „Die verpflichtende Endrohrmessung dient dem aktiven Umweltschutz!“ Natürlich sagt der Verband nicht, dass man mit dieser Methode bei neuen Dieselmotoren nichts mehr messen kann. Das Lustigste dabei: Die ach so gefährlichen Stickoxide werden am Endrohr nicht gemessen. Die entstehen nur bei Vollast.

Dafür spült die neue (alte) Regelung bei 24 Millionen Abgasuntersuchungen im Jahr eine Menge Geld in die Kassen der sauberen Kfz-Handwerker. Im Sinne von Umwelt, Gesundheit undsoweiter. Die Sprüche kennen Sie ja mittlerweile. Sehr die Frage ist, wieviel diese kostenträchtige Aufrüstung tatsächlich bringt. Die Maßnahme, die tatsächlich in Sachen Staub in Stuttgarts Straßen viel gebracht hat, ist schnell eingestellt und unter den Tisch gekehrt worden. Jene urschwäbische Maßnahme gegen Feinstaub, die jede Hausfrau im Südwesten erfolgreich seit Jahrhunderten praktiziert. Das Projekt Kehrwoche gilt als größte Errungenschaft der Zivilisation im Südwesten. Ergebnis: In schwäbischen Haushalten kann man auch vom Boden essen.

Bei Grünen ist die Kehrwoche allerdings ziemlich in Verruf geraten. Dennoch startete vor etwa einem Jahr eine Testphase mit Kehrmaschinen, die mit Wasser den Feinstaub vom Stuttgarter Asphalt aufwischte. Und siehe da, die Meßinstrumente zeigten gleich deutlich geringere Werte an. Man sollte also von einem Erfolg sprechen können. Kein Wunder, denn der meiste Feinstaub kommt nicht aus dem Auspuff der Autos, sondern wird von der Straße aufgewirbelt, Dreck, Ruß, durchs Land fliegende Partikelchen, Brems- und Reifenabrieb, Reste von winterlicher Salzstreu. Der wird in vielen Städten mit Wasser weggespült.

Doch im grünen Stuttgart wurden nach wenigen Wochen die Kehrwochentests wieder eingestellt. Jetzt wird erst einmal ausgewertet, Studien erstellt. Wie lange das dauert, steht nicht fest.

Grüne und NGOs wollen sich doch ihr schönes Abwatschargument gegen die bösen Autos nicht verwässern lassen.