Tichys Einblick
Rotgrünes Diesel-Fahrverbot:

Münchens Diesel-Fahrer sollen leiden – die Auto-Industrie ist einverstanden

Zum 1. Februar tritt in München ein erweitertes Fahrverbot für ältere Diesel-Autos in Kraft. Da hilft auch keine grüne Plakette – aber es gibt Ausnahmen. Geschädigt sind Autobesitzer durch die augenzwinkernde Zusammenarbeit von Umweltverbänden mit der deutschen Automobilindustrie.

IMAGO / Sven Simon
Am Mittwoch, 1. Februar, trat in München das erweiterte Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge in Kraft. Der die Stadt umringende Mittlere Ring ist nun auch Teil der Umweltzone. Hintergrund ist, dass die Luft an den viel befahrenen Straßen in der bayerischen Landeshauptstadt angeblich weiterhin zu schlecht sein soll. Die Grenzwerte für Stickstoffdioxid werden nicht eingehalten – vor allem die Messstationen am Mittleren Ring registrieren teils deutlich zu hohe Werte. Ob die Messstationen korrekt aufgestellt werden: Das wird nicht überprüft. Gemessen wird, was als Ergebnis herauskommen soll.

Den größten Anteil daran haben Dieselmotoren, weswegen nunmehr ein erweitertes Fahrverbot in Kraft tritt. Die Deutsche Umwelthilfe hat es quasi eingeklagt. Dass deren Behauptungen fraglich sind: nebbich. Wissenschaft hat den Ideologen zu dienen und die gewünschten Ergebnisse zu produzieren, auch wenn sie unsinnig sind.

Das Diesel-Fahrverbot beinhaltet die Eingliederung des Mittleren Rings in die Umweltzone. Zuvor war es nur deren äußerster Rand. Zusätzlich fallen künftig auch Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 unter das Verbot – selbst wenn sie eine grüne Plakette haben. Allerdings wird es auch umfangreiche Ausnahmen geben.

Grundsätzlich braucht ein Auto, um in die Umweltzone fahren zu dürfen, eine grüne Plakette. Sie wurde 2007 eingeführt und ist Pflicht in den deutschen Umweltzonen. Ab 1. Februar reicht die grüne Plakette jedoch nicht mehr, um automatisch für das Stadtgebiet auf und innerhalb des Mittleren Rings zugelassen zu sein. Entscheidend sind hier künftig die jeweiligen Abgasnormen der Fahrzeuge.

Abgasnormen werden abhängig vom Kraftstoffverbrauch, Fahrzeugtyp und Schadstoffausstoß an Autos vergeben. Aktuell gibt es die Schadstoffklassen Euronorm 1 bis 6. In der Münchner Umweltzone dürfen (abgesehen von den aufgeführten Ausnahmen) ab 1. Februar keine Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 oder niedriger fahren.Davon sind 70.000 Dieselbesitzer in München direkt betroffen, rund 700.000 in ganz Bayern, viel davon sind tägliche Pendler nach München.

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Trotzdem gibt es in München Ausnahmen vom Diesel-Fahrverbot: Anwohner, Lieferverkehr, Handwerker mit Parklizenz und Beschäftigte im Schicht- oder Pflegedienst dürfen weiterhin mit älteren Dieselfahrzeugen in die Umweltzone fahren. Zudem gibt es auch Ausnahmen für Härtefälle, Umzüge und Arztbesuche. Die Überwachungsbürokratie wächst weiter und Kontrollen der Bürger werden auch in der Mobilität Alltag.

München ist damit die vierte Stadt in Deutschland, in der es Fahrverbote für Diesel gibt. Den Anfang machte Hamburg (seit Juni 2018), dann folgten Darmstadt (seit Juni 2019) und Stuttgart (seit Januar 2019 für auswärtige Fahrer, seit April 2019 für Anwohner).

In Europa sind regionale oder städtische Fahrverbote oder Zufahrtsbeschränkungen für Autos mit Verbrennermotoren aus den unterschiedlichsten Motiven heraus in unterschiedlichsten Inhalten und Vorschriften nach Motorentyp, Abgasnomen, Zeiten, Schwellenwerten usw. an der Tagesordnung. Meistens triff es Dieselautos, und das rund um die Uhr. EU-Europa schafft Unübersichtlichkeit.

Zahlreiche Städte in Europa haben Zufahrtsbeschränkungen oder -verbote, Umweltzonen oder auch eine City-Maut. Eine einheitliche Regelung für die unterschiedlichen Zonen gibt es nicht. Einheitlich ist nur, dass eine Missachtung der Vorschriften oft hohe Bußgelder zur Folge hat. In allen Urlaubsländern sind ausländische Autos von den Vorschriften ausgenommen.

  • Belgien: Antwerpen, Brüssel und Gent Umweltzonen
  • Dänemark: Kopenhagen inklusive Stadtteil Frederiksberg, Aalborg, Aarhus und Odense
  • Frankreich: in mehreren Städten und Départements
  • Griechenland: Athen
  • Großbritannien: Innenstadt von London (London Congestion Charge zone)
  • Italien: Innenstädte zahlreicher italienischer Städte und Gemeinden
  • Malta: Stadtgebiet von Valletta
  • Niederlande: Amsterdam, Arnhem, Den Haag, Utrecht: Sonstiges: Umweltzonen in den niederländischen Städten Breda, Delft, Eindhoven, Leiden, Maastricht, Rijswijk, Rotterdam, `s-Hertogenbosch und Tilburg betreffen nur Lkw.
  • Norwegen: Bærum, Bergen, Bodø, Førde, Grenland, Harstad, Haugesund, Kristiansand, Nord-Jæren, Oslo und Trondheim
  • Österreich: Wien und einige östliche Teile Niederösterreichs, Burgenland und weite Teile der Steiermark
  • Portugal: Lissabon
  • Schweden: Helsingborg, Lund, Malmö, Mölndal, Umeå und Uppsala
  • Schweiz: Genf
  • Spanien: Madrid, Barcelona
  • Tschechien: Innenstadt von Prag
  • Ungarn: Budapest

München ist diesem Club am 1. Februar 2023 beigetreten. Für die Mehrzahl der Betroffenen ist dieses Fahrverbot der Münchner Stadtverwaltung unverhältnismäßig, unsozial und kontraproduktiv. Gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Robert Brannekämper und dem Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Claus-Peter Martens hat der Automobilclub Mobil in Deutschland e.V. zu Klagen gegen die Stadt München aufgerufen, um das Diesel-Fahrverbot zu stoppen. Die ersten Klagen sollen am 1. Februar beim Verwaltungsgericht in München eingereicht werden.

Zu fragen ist:

  • Zum einen, warum München sich diesem Vorgehen trotz der sprichwörtlichen liberalitas bavariae angeschlossen hat, und wie die Verbots-Regelungen im Einzelnen aussehen?
  • Zum anderen, ob die erhofften Umweltverbesserungen dadurch tatsächlich eintreten werden und welche Nebenwirkungen zu erwarten sind.

Vorweggeschickt sei, es geht bei den Fahrverboten immer um die Vermeidung von Stickoxyden. Stickstoffdioxid stellt eine Gefährdung für die Gesundheit dar. Laut Umweltbundesamt ist vor allem der Straßenverkehr für dessen hohe Emissionen verantwortlich. Stickstoffdioxid kann Atemwegsbeschwerden auslösen und steht im Zusammenhang mit vielen Erkrankungen der Lunge und des Herz-Kreislauf-Systems. Außerdem bildet er bodennahes Ozon und Feinstaub.

„Unverhältnismäßig"
Automobilclub protestiert gegen Diesel-Fahrverbot in München
Das Münchener Diesel-Fahrverbot ist eine Antwort auf die Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die wegen der seit Jahren überschrittenen Grenzwerte in der deutschen Stau-Hauptstadt München tätig geworden war. Bei der – freiwilligen – Einführung hat die Stadt mit der DUH einen Kompromiss erzielt, da der Kompromiss besser als ein Gerichtsurteil angesehen wurde. Der Kompromiss verspricht eine sofortige Lösung und vermeidet in der Folge bei Erfolg weitere Stufen der Verschärfung der Vorschriften, während ein Gerichtsurteil nicht mehr hätte verändert werden können. Es ist bezeichnend, welche Macht der Staat sogenannten NGOs zuweist, die zudem wie die Deutsche Umwelthilfe auch aus der Staatskasse finanziert werden. Die wahre Macht sind zunehmend rotgrüne Organisationen, die hier aktiv werden.

So stellt das ab 1. Februar geltende Diesel-Fahrverbot die erste von drei möglichen Stufen dar. Werden die Stickstoffdioxid-Werte auch im Oktober 2023 noch übertreten, tritt Stufe zwei in Kraft. Dann müssten ab 1. Oktober 2023 auch Dieselfahrzeuge der Norm Euro 5 vor dem Mittleren Ring Halt machen. Reicht auch diese Stufe nicht, kommt es im April 2024 zur dritten und letzten Stufe: Ab 1. April 2024 würden dann die generellen Ausnahmen wegfallen, Taxen, Handwerker, Schichtdienstleistende und Pflegedienste dürften aber weiterhin mit einer Sondergenehmigung in die Umweltzone fahren.

Mit dem Erlass des Diesel-Fahrverbots hat die Stadt München einen Prozess mit der DUH vermieden und den gesetzlichen Umweltvorschriften Rechnung getragen. Ob die Vermeidung von Stickoxyd tatsächlich im erhofften Umfang Eintritt darf bezweifelt werden:

  • Ziemlich unwahrscheinlich wird eingeschätzt, das zahlreiche der heutigen Diesel-Autopendler in die Stadt nunmehr auf Öffentliche Verkehrsmittel (ÖPNV) oder das Fahrrad umsteigen, auch wenn die Anlage von Fernradwegen quer durch die Stadt aus allen Himmelsrichtungen in Planung ist. Laut statistischen Erhebungen gibt es werktäglich circa 542.000 Ein- und Auspendler in München. Jeder, der irgendwie den ÖPNV nutzen kann, nutzt ihn auch, allein schon der Stau- und Parkkosten wegen. – Es dürften also nur wenige ihren Diesel stehen lassen und fortan mit dem ÖPNV in die Stadt pendeln. Ohnedies ist die S-Bahnstrecke durch die Stadt notorisch überlastet. Mehr Züge gehen nicht durch das Nadelöhr. Aber was soll es? Bürger haben sich der Ideologie zu unterwerfen.
  • Ein absolut sicherer CO2-Vermeidungseffekt tritt aber dadurch ein, dass Diesel-Pendler oder -Nutzer im Stadtgebiet ihre alten „dreckigen“ Diesel gegen neue Verbrennerautos mit Benzinmotoren ersetzen. Die Benziner-Neuwagen-Verkäufe steigen an, die Preise für Alt-Dieselautos verfallen, der Auto-Transport von Diesel-Gebrauchtwagen gen Osten boomt – zumindest für eine gewisse Zeit. Und jene, die umweltpolitisch ganz sicher gehen wollen, tauschen ihren Alt-Diesel gegen ein Elektroauto.

Der Austausch der Pendler-Pkw-Flotte Alt gegen Euro 6 – 7 Neu hat also durchaus einen positiven Umwelteffekt. Allerdings trifft das eben nur unmittelbar die 70.000 Alt-Diesel-Besitzer bis maximal Abgasnorm Euro 4 (oder später 5). Das sind weniger als 10 Prozent der über 800.000 in München angemeldeten Pkw. Auch der Verkehr wird durch das Verbot nicht weniger, er wird jetzt nur mit emissionsärmeren und damit sauberen Automobilen abgewickelt. Zu erwarten ist allerdings, dass die nächste Verschärfung auch die teuren Neuautos stilllegt.

Das freut die Umwelt wie die Automobilhersteller. Diese erleben einen lokalen Absatz-Push. Vielleicht aus diesem Grund haben sie sich zu den städtischen Diesel-Fahrverboten bislang kaum wahrnehmbar geäußert, zumindest nicht ablehnend, von großen bayrischen Premium-Herstellern ist nichts bekannt. Der Verband der Autoindustrie (VDA) begrüßt folgerichtig alle Maßnahmen, die den deutschen Pkw-Bestand, der inzwischen schon ein Durchschnittsalter von 12 Jahren erreicht hat, emissionstechnisch verjüngt und verbessert. Man kann es auch so sehen: die Deutsche Automobilindustrie hat sich mit der DUH längst verbündet. die Leidtragenden sind die Konsumenten.

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