Tichys Einblick
Energiepreise sind die Treiber

Die Inflation kommt, um dauerhaft zu bleiben

Die Teuerung in Deutschland ist so hoch wie seit knapp 30 Jahren nicht mehr. Die Gründe für die exorbitanten Energiepreise liegen auch in den hohen staatlich geforderten Abgaben und Steuern.

IMAGO/Rolf Poss

Der frühere Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl, soll einmal gesagt haben: „Inflation ist wie Zahnpasta. Ist sie erst mal heraus aus der Tube, bekommt man sie kaum mehr rein.“ Bisher ist es noch niemandem gelungen, die Zahnpasta zurück in die Tube zu drücken. Noch im August 2014 fiel die Teuerungsrate in der Eurozone auf 0,3 Prozent. Heute, sieben Jahre später, liegt der Durchschnitt der Inflation bei 3,4 Prozent (Stand September 2021). Deutschland liegt in der Erhebung bei 4,1 Prozent. Deutlich darunter liegt Italien mit 2,9, Frankreich und Slowenien mit 2,7 Prozent. Am wenigsten trifft es Griechenland mit 1,9 und Malta mit 0,75 Prozent.

In Deutschland wird die Inflationsrate im Oktober im Vorjahresvergleich voraussichtlich auf 4,5 Prozent gestiegen sein. Die Inflationsrate lag im Oktober letzten Jahres zum dritten Mal leicht im Minus. Besonders stark stiegen im Oktober 2021 die Energiepreise, nämlich um 18,6 Prozent.

Sicherlich sind auch die gestiegenen Erdölpreise ein Grund für die Teuerung – und die Erdgaspreise sind an deren Entwicklung gekoppelt. Dennoch liegen die Gründe für die exorbitanten Energiepreise auch bei den hohen staatlich geforderten Abgaben und Steuern.

Ein Überblick:

Benzinpreise : Pro Liter Benzin von beispielsweise 1,60 Euro landen jetzt schon 99 Cent in der Staatskasse, im Einzelnen: Energiesteuer: 65 Cent, Mehrwertsteuer: 27 Cent, CO2-Preis: 7 Cent.

Gaspreis Zusammensetzung: Der Einkaufspreis für die Lieferanten ist abhängig vom Markt. Dazu kommen die neue staatliche CO2-Belastung ab Januar diesen Jahres (10 Prozent) Steuern und Abgaben (25 Prozent) sowie regulierte Netzentgelte (25 Prozent). Im kommenden Jahr steigt die CO2-Abgabe auf Gas um 20 Prozent von 25 auf 30 € pro Tonne und verteuert Gas für private Haushalte um 0,65 Cent pro Kilowattstunde.

Gas ist im Oktober im Vorjahresvergleich um 28 Prozent, Strom um neun Prozent teurer geworden.

Strompreis: Derzeit zahlt der Stromkunde 32 Eurocent pro Kilowattstunde. Im internationalen Durchschnitt sind es umgerechnet 12 Eurocent. Stromeinkauf, Service und Vertrieb liegen in der Preisgestaltung beim Stromlieferanten. Die durchschnittliche Zusammensetzung des Strompreises 2021 für einen Haushalt in Deutschland mit 3.500 kWh Jahresverbrauch je einem Euro auf der Stromrechnung teilt sich auf in: 24 Cent für Einkauf, Service und Vertrieb. Auf 25 Cent belaufen sich gesetzlich regulierte Netzentgelte. Der höchste Anteil auf der Stromrechnung sind 51 Eurocent staatlich festgelegte Steuern, Abgaben und Umlagen, darunter die EEG-Umlage.

Nun soll die EEG-Umlage, mit der seit rund 20 Jahren Ökostrom finanziert wird, sinken und zwar ab Januar 2022 auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren, wie die Betreiber der großen Stromnetze am 15. Oktober mitteilten. Demnach soll die Umlage im kommenden Jahr bei 3,723 Cent pro Kilowattstunde liegen – bisher sind es 6,5 Cent. Doch für Stromkunden droht weiteres Ungemach: Und zwar deutlich höhere Kosten für den Netzausbau des „Ökostroms“. Die vier Übertragungsnetzbetreiber Amprion, 50Hertz, Tennet und Transnet-BW, teilten im „Entwurf des Netzentwicklungsplans 2030“ mit, die Beträge für den Netzausbau beliefen sich in den nächsten 10 Jahren auf mindestens 52 Milliarden Euro. Jedoch bezieht sich dies lediglich auf Leitungen Onshore (an Land). Für Offshore-Windparks (im Küstenvorfeld von Nord- und Ostsee) könnten noch einmal 18 bis 27 Milliarden Euro dazu kommen. Summa summarum also 70 bis 76 Milliarden Euro. Und es stellt sich die Frage, ob es dabei bleibt. Denn die derzeitigen Planungen, die aktuell 17 Prozent Energieleistungen aus den „Erneuerbaren“ in der Republik auf das Doppelte aufzustocken, insbesondere bei der Windkraft, machen deutlich, wohin die Reise geht: nämlich weitere Strompreiserhöhungen. Da nützt dann auch die Absenkung der EEG-Umlage nicht viel.

Hinzu kommen die kontinuierlich steigenden CO2-Abgaben. Die werden fällig auf sämtliche Energieträger aus fossilen Rohstoffen, also auf Kraftstoffe, Heizöl, Strom und Erdgas. Derzeit sind es 25 Euro pro Tonne, 2022: 30 Euro, 2023: 35 Euro, 2024: 45 Euro. Bis 2025 soll die Steuer auf 55 Euro pro Tonne steigen, was aus heutiger Sicht gegenüber 2021 mehr als eine Verdoppelung wäre.

Die Inflation kommt also, um zu bleiben.

Aber ist ja alles für einen guten Zweck. Der Bürger soll mit der CO2-Abgabe zu einem sparsamen Umgang mit fossiler Energie erzogen werden. Ob er sich nun ein Öko-eAuto leisten kann oder nicht. Ob er eine neue Öl-Heizung in den Keller stellen kann oder finanziell nicht dazu imstande ist. Wenn der Gaspreis steigt, muss er im Winter nur einen Pulli mehr drüberziehen oder die Kartoffeln auf dem Gasherd nur halbgar kochen. Strom zu teuer? Einfach auf den barmherzigen Rat von Katarina Barley für Geringverdiener hören: „Die günstigste Kilowattstunde ist die, die man nicht verbraucht.“

Die CO2-Steuer in Europa sieht folgendermaßen aus: Österreich will 30 Euro ab 1. Juli 2022 erheben. Schweden hat die weltweit höchste CO2-Abgabe, derzeit 118 Euro pro Tonne. Die Schweiz umgerechnet 88 Euro, die Niederlande 30 Euro, Dänemark umgerechnet 24 Euro, Großbritannien umgerechnet 21 Euro, Slowenien 17 und Lettland 12 Euro. In Frankreich gibt es seit 2014 eine CO2-Steuer. Ursprünglich hätte die CO2-Bepreisung bis auf 86 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2022 steigen sollen. Nach schweren sozialen Protesten („Gelbwesten“) im Jahr 2018 gegen die geplanten höheren Steuern auf Sprit und allgemein gegen gestiegene Lebenshaltungskosten wurde der Plan der Regierung abgeschwächt. Die Rate wurde bei 45 Euro pro Tonne CO2 für die Jahre 2019, 2020 und 2021 eingefroren.

Apropos Frankreich. Die Regierung reagiert auf die steigenden Energiepreise mit einem Inflationsausgleich. 100 Euro sollen es für alle Franzosen geben, die weniger als 2000 Euro netto im Monat verdienen. Ausgezahlt werden sollen die Hilfen im Dezember, spätestens im Januar. Maßnahmen gegen den Anstieg der Strom- und Gaskosten wurden schon Ende September beschlossen. Demnach sollen die regulierten Tarife gedeckelt werden.

In Italien beschließt Premier Draghi Milliardeninvestitionen, um den Preisanstieg für seine Bürger bei Strom und Gas in Grenzen zu halten. Das Geld dafür dürfte aus dem gemeinsamen 750 Milliarden-Euro Topf kommen. Deutsche Stromabnehmer bezahlen 32 Cent für die kWh, in Italien sind 23 Eurocent fällig, was etwa dem EU-Durchschnittspreis entspricht.

In Deutschland soll es ein „Energiegeld“ richten. Frau Baerbock möchte im Verkehrssektor eine Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro pro Tonne. Pro Kopf soll es im Gegenzug 75 Euro für „einkommensschwache Bürger“ pro Jahr geben. Wie auch immer das definiert ist – der Mittelstand dürfte außen vor bleiben.

Bayern Ministerpräsident Söder fordert von der künftigen Ampel ermäßigte Mehrwertsteuer auf Strom und Sprit. Den höchsten Anteil am Preis, die Energiesteuer, möchte er offenbar nicht ansprechen. Zugleich plädiert der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Gerald Haug, laut Welt auf deutlich höhere CO2-Preise. „Sorgen wir dafür, schnell einen CO2-Preis von 100 Euro zu bekommen“, sagte Haug dem Magazin „Spiegel“.

Also immer weiter mit den Strompreisen nach oben. Frei nach dem Motto: was kostet die Welt. Doch je teurer der Strom in Europa, in Deutschland wird, desto mehr erfreut das China. Aktuell sind mehr als 200 neue Kohlekraftwerke im Bau. Es wird auf Dauer ein teurer Wettbewerbsnachteil werden, denn China kann mit billigem Kohlestrom weitaus preiswertere Produkte in alle Teile der Welt liefern. Und die deutsche Wirtschaft wird bei weiter steigenden Strompreisen alsbald das Weite suchen.

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