Tichys Einblick

Wochenschau: Schämen Sie sich, Frau von der Leyen. Wenn Sie es noch können

Nachtrag zur Pannen-Ursel: (29.9.2014)

Ihr will nichts mehr gelingen. Eine altersschwache Transall der Bundeswehr auf dem Weg zur Ebola-Bekämpfung in Afrika, kam nur bis Cran Canaria. Schön für die Flieger, die ein paar Tage ausspannen können. Pech für Pannen-Ursel, könnte man sagen, und vor allem: von der Leyen muß nun ausbaden, was ihre Vorgänger (männlich, wie viele wollen, dass hervorgehoben wird) versemmelt haben.

In der Tat wäre es ein übermenschliches Verlangen, in kürzester Zeit solche Materialmängel ausgleichen zu wollen. Das kann niemand und sollte niemand verlangen. Allerdings: Vor dem Wochenende standen für Pannen-Ursel Kinderkrippen auf der Agenda und verkürzte Arbeitszeit für Soldaten, nicht aber der Krieg mit dem Nachschub. Sie hat weitergemacht wie bisher, obwohl die Mängel schon länger bekannt sind und diskutiert werden.

Schlimmer noch: Sie gibt vorschnell Zusagen, die sie dann nicht halten kann. Das ist ja das Peinliche: Viel versprochen, und dann bleiben die Flieger am Boden. Auslandsmissionen, ob friedlich oder kriegerisch, müssen eben vorbereitet werden, und zwar ordentlich, das weiß ja jeder, der mit dem Auto an den Gardasee fährt. Aber springt zuerst fotogen vor die Kamera, verspricht viel und scheitert dann. Wer es gut mit ihr meint, der rät: Erst nachdenken, dann Fototermin.

So aber bleibt es bei der Überschrift:

Zum Schämen

Das Foto der Woche, abgedruckt u.a. auf den Titelseiten u.a. von der WELT und der STUTTGARTER ZEITUNG, zeigt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim  Truppenbesuch in der Kurdenregion. Knusprig lächelnd, wie eben immer, auch wenn es nicht zum Lachen ist. Eher zum Weinen und Schämen.

Denn die zugesagte Waffenlieferung der Bundeswehr für die Kurden im Kampf gegen die Moslem-Terroristen blieb hängen, und auch die Ausbilder – Flugzeugschaden. Da haben wir schon eine von den Niederländern ausgeliehen, dann fliegt die genau so wenig wie unsere eigene Truppen-Transall. Nun ja, kann ja passieren. Die ist ja auch fast 50 Jahre alt. 

Diese Woche eröffnete sich ein schauriges Bild – dieses Land ist nicht verteidigungsfähig. Klar war das schon länger, was jetzt als Antwort auf eine parlamentarische Anfrage offiziell wurde: 220 Tage braucht die Bundeswehr um ihre letzten 200 Panzer auf die Straße zu bringen. Die Marine hat noch vier einsatzfähige Hubschrauber, und die diversen Jets kommen gerade noch vier oder fünf in voller Ausstattung von der Startbahn.

Klar war das schon länger,  jetzt wurde es als Antwort auf eine parlamentarische Anfrage offiziell. Geschönt zwar, aber verheerend genug.

Die Ministerin ist zwar dafür nicht allein verantwortlich, das haben ihre Vorgänger schon verbockt. Aber statt dieses Thema anzugehen, hat sie sich hervorgetan mit Kinderkrippen und mit der Beschaffung von Flachbildschirmen für die Kasernen. Die Bundeswehr hat besseres verdient als eine Ministerin, die sie als Kulisse für schöne Fotos benutzt. Und wenn sie jetzt erklärt, die Bundeswehr müsse Flugzeuge leasen, dann ist das nichts anderes als: Sorry, Leute, ich habe verschlafen. Und leasen ist die Ausrede dafür: die notwendigen Kosten will ich lieber verstecken.

Unterdessen sind die Amerikaner in der Luft, und gemeinsam mit einer großen Koalition bekämpfen sie den ISIS-Terror. Es ist zum Schämen. Ausgerechnet diese bösen Amerikaner. Wenn es ernst wird, brauchen wir sie aber dann doch. Und wie. Wie greinende Kinder, die ihren Eltern alles mögliche vorwerfen und sich hinter ihnen verstecken, sobald es ernst wird. Was bei Kindern völlig in Ordnung ist. Aber bei den Großen ist es so: Die sind in der Luft, wir am Boden. Es zeigt aber auch, dass dieses Land in Verteidigungsfragen infantil ist und sich einer infantil gebliebene Ministerin ausliefert, die Politik inszeniert wie ein Wett-Fönen. Kicherkicher! Sie sollten sich schämen, Frau von der Leyen. Wenn Sie dazu noch fähig sind.

Aber das Problem liegt tiefer. Wir suhlen uns in einem Pazifismus, der ja für Sonntag taugt. Da fordert dann Bischöfin Käßmann, dass von Deutschland aus Frieden über die Welt kommen soll, aber keine Waffen. Gut gesagt. Leider gehen diese Worte unter im Entsetzen, angesichts der muslimischen Massenmorde an zehntausenden und angesichts der Flucht von Hunderttausenden. Und die Offiziere, die im Bundesverteidungsministerium ihren Dienst tun, holen vor dem Feierabend die Zivilklamotte aus dem Spind. Denn sie trauen sich nicht in die Berliner U-Bahnen, wo sie üblicherweise bespuckt und beschimpft werden.

Länger auch nichts mehr von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gehört, der noch vor zwei Wochen Waffenexporte verbieten wollte und vor einer Woche im Bundeskabinett Waffengeschenke abnicken mußte. Manchmal überholt die Wirklichkeit die verträumten Phantasien von Öffentlichkeit und Politik. Nur Ursula von der Leyen bleibt. Ich bin sicher, sie wird bis zum Ende der Legislaturperiode weithin Frauenpolitik in Uniform betreiben.

Siehe auch: Bundeswehr kann Zusagen an die Nato nicht einhalten auf WELT. Stündlich kommen jetzt die Berichte, dass selbst die peinlichen Berichte aus dem Leyen-Ministerium noch geschönt seien. (DER SPIEGEL)

Null Zinsen, Null Lachen, Null Zukunft

Die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank geht in die nächste Runde. Wie die FAZ berichtete, müssen nun Unternehmen Geld mitbringen, wenn sie kurzfristig Geld anlegen wollen. Für den Sparer schließen die Sparkassen das noch aus; wobei Null-Zins auch nicht gerade ein gewaltiger Anreiz zum Sparen ist – unser Geld zerrinnt, während es auf dem Konto liegt. Das zerstört unser Geld- und Sozialsystem.

Denn wenn der Zins tatsächlich negativ wird, lohnt es sich nicht mehr, zu sparen – warum sollte man etwas zurücklegen, was dahinschmilzt, statt höhere Kaufkraft in der Zukunft zu schaffen? Der Dumme in der Donald-Draghi-Welt ist, wer eine Riester-Rente oder eine Lebensversicherung anspart: Denn am Ende ist man ärmer als am Anfang. Der Schlaue hingegen haut die Kohle raus und wirft sich dem Staat in die Arme.

Der ganze EZB-Zauber aber kann über eine Tatsache nicht hinwegtäuschen: Die Wirtschaft in den südeuropäischen Krisenländern braucht keine Kredite: weil sie zuwenig Geschäfte und Geschäftsideen hat, und das kann noch so viel geldpolitische Magie nicht ändern. Die EZB versucht darüber hinwegzutäuschen, dass die schlechte Verfassung und ausbleibende Reformen die Wirtschaft in Italien und Frankreich in die Knie zwingt – nicht ein paar Zehntelprozent an Zinsen.

Mario Draghis Zauberkunststücke aber treiben das Geldsystem weiter in die Unseriosität. Mit seinem billigen Geld schummeln sich die Regierungen in Rom und Paris an Reformen vorbei.

Bislang wurde ja der EZB-Zero-Zins-Wahn in den Medien und der Politik hochgelobt – der Euro wird gerettet. Der Besuch von Manuel Valls in Berlin diese Woche aber hat gezeigt: Die denken gar nicht daran. Die Lage für den Euro wird immer noch aussichtsloser statt besser. Diese Art der Politik ist gescheitert. 

Im Land des Lächelns

Hannelore Kraft ist eine wunderbare Politikerin. Sie kommt warmherzig daher, kümmert sich um alle. Sie lächelt warm und gern und viel, und das ist viel sympathischer anzuschauen, als dieses grimmige Mundwinkelherabziehen der Finanzpolitiker.

Sie hat von ihrem Vorvorgänger Johannes Rau eine ungeheure Begabung abgeschaut – sie kann die Wirklichkeit schönreden. Ihre Wahlkämpfe hat sie damit bestritten, dass sie nicht auf die Haushaltsfragen einging. Sie sprach immer von so schönen Dingen wie einer sozialen Dividende, die Investitionen in Bildung und Sozialausgaben brächten. Dafür hat sie das Wort „Präventionsrendite“ erfunden. Mit ihrem Neusprech vernebelte sie Begriffe wie Schulden und Zinsen, die irgendwann bezahlt werden müssen. „Ich werde mich nicht verbiegen und bleibe so, wie ich bin“, hat sie am Landesparteitag der SPD am Samstag versprochen. Das klingt eher als Bedrohung. Mit 95 Prozent der Stimmen wurde sie wiedergewählt. Aber weiter wie bisher wird es nicht so einfach gehen, auch wenn die SPD die Augen ganz fest schließt und weitermachen will.

Denn anscheinend haben leere Versprechungen kurze – und Zahlen die längeren Beine. Denn trotz der Null-Zins-Politik, die maßgeschneidert ist für Länder wie Griechenland und Nordrhein-Westfalen, überrollt das Land jetzt eine Schuldenlawine. Allein im Juni nahm das Land weitere 1,7 Mrd. Schulden auf, die auf die bereits 140 Milliarden bestehenden Schulden oben drauf kommen.  Jetzt wird also kraftvoll gespart. Etwa bei Kindergärten. Die müssen zukünftig ihre Martinsumzüge selbst schützen, sagt Innenminister Jäger. Wie das gehen soll? Kindergärtnerinnen mit Schusswaffen? Oder die Kinder schutzlos lassen? Kraft-Sparen ist wirkungslos bis komplett lächerlich. Höhere Beamten, bisher ihr einziger Sparansatz, erhalten keine Gehaltserhöhung. Peinlich, dass die Minister ihres Kabinetts von dieser Sparaktion ausgenommen sind.

Das ist wirklich eine Superdupersonderleistung trotz faktischer Null-Zinsen, das nach wie vor mächtige Industrieland in die Grütze zu reiten.

Hannelore Kraft wirkt weniger sympathisch, wenn sie über die Ursachen redet. Mal sind es die Ossis, die gierig dem Westen alles wegfressen; dann die lederhosentragenden Südis mit ihrer Solarsubvention und mal der Bund, der ihr nix abgeben will.

Immer hat jemand anderes Schuld, dass Hanni die Kohle fehlt.

Es ist ein Jammer. Sonst wäre es doch so schön gemütlich im Land des Lächelns, wenn nur diese lästigen Zahlen nicht wären. Oder wenn man sie wenigstens wegreden könnte, und zwar dauerhaft.

Kein Zug nach nirgendwo

Die Bahn stellt ihre Nachtzüge ein – Busse übernehmen die Strecken. Das ist die Kurznachricht. Die Busse sind nicht nur billiger und pünktlicher – in der Nacht sind sie auch schneller, weil wenigstens dann die Autobahnen leer sind. Ungeheuer schnell, nur knapp zwei Jahre nach der Freigabe des Busfernverkehrs, zeigt sich, was Deregulierung bringt: Billiger reisen, und die Bahn schaut den Bussen in die Rücklichter. Aber nichts desto trotz ist Deregulierung ein Schimpfwort in Deutschland. Peter Ramsauer, der als Verkehrsminister den Mut zum Bus bewies, wurde durch den Maut-Maniac Dobrindt ersetzt; eine erkennbar schlechte Wahl.

Tragen Sie Hut und twittern Sie

Diese Woche durfte ich vor vielen Kommunikationsexperten mit Kollegen vom guten alten Printgewerbe diskutieren. Mit vielen Worten haben wir uns an der Tatsache vorbeigemogelt, dass die Menschen heute auch auf anderen Trägern gute Dinge lesen. Dass ich mich zwischendurch per Twitter mit den Zuschauern unterhalten habe, stieß auf Ablehnung. Schließlich ist es schöner, frontal von oben nach unten zu schreiben als von unten Antworten zu bekommen.  Aber was tun, wenn der Leser zurückschreibt? Die Diskussion beim Kommunikationskongress 2014 hier.

Als leidenschaftlicher Hutträger freut es mich, dass das Feuilleton der FAZ allerliebst unserer kleinen Minderheit zur Seite springt: Der Hut ist ein Zeichen, schreibt Gerhard Stadelmaier –  „dafür, dass der Kopf, der ihn trägt – ein freier Kopf ist. Denn man trägt den Hut, um ihn vom eigenen freien Kopf für andere freie Köpfe zu ziehen.“

Hut auf, Helm ab und auf Wiedersehen.