Tichys Einblick
Wie nennt man das Unsägliche?

Koalition der Wirklichkeits-Verdrängung

In einer Woche schon soll sie stehen, die neue Koalition der alten Gesichter. Aber wie nennen wir sie? Groß ist sie nicht mehr. Schrumpf-Ko? Oder Königinnen-Koalition? KöKo?

Von der französischen Königin Marie Antoinette wird berichtet, dass Sie einst auf dem Balkon ihres Schlosses gestanden und gefragt haben soll, warum die Menschen da unten so böse sind. „Weil sie kein Brot haben“, soll ein Höfling geantwortet haben. „Warum essen Sie dann keinen Kuchen?“, so die Königin darauf.

Koalition der Weiterwurstler

Seither gilt diese Anekdote als Bild für Mächtige, die den Bezug zum Volk und seiner Lebenswirklichkeit komplett verloren haben. Ein passendes Bild für diese Koalition der Weiterwurstler. Historisch verbürgt ist der Spruch nicht, sie hat „Brioches“ gesagt, wenn überhaupt. Vielleicht ist er auch nur eine Erfindung des Revolutionärs Robespierre. Fake-News gibt es nicht erst seit Erfindung von Facebook, sondern so lange es Politik gibt. Aber es wäre gut erfunden.

Nicht erfunden ist, das Marie Antoinette am 16. Oktober 1793 geköpft wurde, wie schon vorher der König und Robespierre nach ihr; bekanntlich frisst die Revolution nicht Brioches, sondern ihre Kinder. Vermeiden kann man derlei nur durch Demokratie und Reformen; Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit. Und genau daran fehlt es in Berlin – die Betrachtung der Wirklichkeit draußen vor den Palästen – zeitgemäß: draußen an den Bildschirmen. „Die deutsche Politik aber straft die Außenwelt gewissermaßen mit Wegschauen: Man suche bitte einmal nach einer halbwegs adäquaten Beschreibung im Sondierungspapier der – vielleicht – künftigen Koalitionäre: stattdessen Aufbruch ins Unbekannte, Sprung ins Dunkle“, schreibt Michael Stürmer in der WELT. 

Nicht nur Merkel, die nicht weiß, was sie anders machen sollte, erinnert an die Königin; auch Martin Schulz. So wundert er sich über das schlechteste Wahlergebnis der SPD seit 1949. Und was fällt ihm im Zuge der Koalitionsverhandlungen ein?

Die Steuern sollen steigen, auf bis zu 70 Prozent für jeden Euro in der Klasse der Facharbeiter. Für die Mickerzinsen sollen ebenfalls höhere Steuern anfallen. Als Erfolg verkauft er, dass zukünftig die Krankenversicherungsbeiträge fitiyfifty von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt werden – klingt gut. Aber die Beschäftigten wissen genau, dass es Lohnbestandteile sind; also von ihnen selbst bezahlt werden.

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Als besonderen Gag verspricht uns das Sondierungspapier der Koalition, dass die vielen Mehreinnahmen des Staates umgehend nach Europa umgeleitet werden sollen, damit sie die Bürokratie der EU schmieren und einiges in Südeuropa landet, jedenfalls nicht im Netto der hiesigen Arbeitnehmer. Und weil es noch nicht langt, sollen auch Sparkassen und Volksbanken und deren Kunden für die Schulden italienischer und Griechischer Pleitebanken blechen; die spanischen und zypriotischen Banken gewinnen natürlich auch.

Des Weiteren sollen Benzin und Diesel höher besteuert werden sowie Heizöl und Gas, damit mehr Geld zur Verfügung steht, um Windradbesitzer und Solarpanel-Eigner noch fürstlicher zu pimpen. Das ist eine alte Forderung der SPD; sie wird sich durchsetzen. Das ist so in Verhandlungen, in denen die CDU unbedingt dran bleiben will und die SPD nicht drankommen soll, nur die Spitze will das.

Dafür will Schulz die Zahl der Zuzügler nach Deutschland über die von der CDU/CSU ohnehin schon hohe Zahl von 220.000 jährlich weit hinaus erhöhen. Sicherlich freuen sich da seine verbliebenen Wähler sehr. Früher sagte man an einer solchen Stelle: „Wir haben verstanden“. Dieser Satz passt für die Königinnen-Koalition (KöKo) so gar nicht.

„Wir haben verstanden“ fällt aus

Nun ist die Gefahr Gott sei Dank eher gering, dass in Deutschland noch geköpft wird; die einreisenden Killer vom IS erhalten ja Asyl und werden damit ruhig gestellt. Vor allen Dingen: Man hat die Demokratie erfunden, damit sich etwas gewaltlos ändern kann. Nun gut, es ändert sich gerade nichts, es geht halt weiter. Falsch zu regieren. ist seither Glücksache. Martin Schulz will allen gegensätzlichen Beteuerungen zum Trotz Minister werden – nur eines nicht: Zurücktreten. Denn das Schlimmste, was einem wie Schulz droht, ist nicht einmal Würselen, die nehmen ihn nicht zurück.

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Das Schlimmste ist nach dem Ministeramt wieder so ein Europa-Job; nicht unter 250.000 €, dazu Nebeneinkünfte für Samstags- und Sonntagsarbeit, die er zwar nicht leistet, aber bezahlt riegt, praktischerweise steuerfrei. Am besten wäre ohnehin, er würde das viele Geld für Gar-nicht-Arbeit erhalten; da richtet er wenigstens keinen Schaden an. Insofern kann man seine Weltabgewandtheit mit Marie-Antoinette vergleichen, nicht aber sein weiteres Schicksal, und das ist wirklicher Fortschritt.

Ohnehin scheint die Spitze der SPD ein ganzer Club geklonter Marie-Antoinettes zu sein, denn zur Ehrenrettung des Würselers ist zu sagen: Er hat das nicht allein erfunden. Sein Parteivorstand und Beirat und seine Fraktion und seine Ratgeber – sie allen wundern sich über dieses blöde Brotgeschrei der dummen Wähler. Warum sind denn die nicht solidarisch mit allem Geknechteten dieser Welt? Sie denken eben nur an sich.

Die globale Elite der neuen Sozis hat da den weiteren Blick, den von oben, vom Schloßturm. Er geht weit über die Revolten im Land hinweg und will Gutes tun. Allen. Allen Menschen aus der ganzen großen, weiten Welt. Irgendwie sind die Wähler undankbar. Kein Wunder, dass Schulz beschlossen hat, ihnen diesen Sozialstaat, den die SPD mal so gemütlich eingerichtet hat, diesen Sozialstaat den Undankbaren wieder wegzunehmen.

Das geht am besten auf dem Weg der Überforderung. Die nächsten Sparprogramme, werden dann nicht Hartz heißen sondern vielleicht „Martin halbiert den Mantel“. Sie haben ihn ja auch wirklich nicht komplett verdient.

Übrigens ist nicht überliefert, dass Marie-Antoinette den hungrigen Bürgern den Kuchen hätte wegnehmen wollen. Das unterstellte ihr nicht einmal der scharfzüngige Demagoge Robespierre. Aber natürlich kommen die Veränderungen trotzdem.

„Wenn wir uns weiterhin einer Steuerung des Asylproblems versagen, dann werden wir eines Tages von den Wählern, auch unseren eigenen, weggefegt.“

Das sagte ein führender Sozialdemokrat: Herbert Wehner, 1982. Demokratie dauert halt manchmal.