Tichys Einblick
Mit der heutigen Politik verlieren alle - bis auf die Schlepper

Das Geschäft mit Flüchtlingen

Offiziell sollen bis zum Jahresende 450.000 Flüchtlinge in Deutschland aufgenommen werden. Wie das gehen soll – dafür gibt es keine Vorstellung. Zeltstädte im Winter und schon jetzt teilweise chaotische Zustände – das kann keine Lösung sein. Deutschland braucht eine grundsätzliche Flüchtlings-Debatte, die die Fakten und die Folgen diskutiert und prüft.

Wer hat was von dieser Fluchtbewegung? Auch diese Frage muss gestellt werden.

1. Mehr Geschäft für Schlepper, statt mehr Hilfe

Immer wieder dieses unfaßbare Entsetzen: Hunderte, tausende Menschen, die auf Schlauchbooten in See stechen – und ertrinken. Das zeigt: wie Deutschland und Europa mit Einwanderung umgeht, verschlimmert die Lage der Flüchtlinge, statt sie zu verbessern. Seit Kriegsschiffe im Mittelmeer zur Hilfe eilen – wird nur das Geschäft der Schlepper noch profitabler. Jetzt schicken sie Billig-Schlauchboote nur ein paar Meilen vor die Küste, bis die Rettungs-Fregatten kommen. Vorher mußten wenigstens dem Anschein nach Schiffe eingesetzt werden – jetzt reichen billige Schlauchboote, die erkennbar dafür gebaut werden, vor der Küste unterzugehen – oder gerettet zu werden. Für jeden Geretteten schicken sie fünf Neue. Das ist ein todsicheres Geschäftsmodell, das zynisch mit dem Entsetzen der europäischen Öffentlichkeit und der Verzweiflung der Menschen operiert – denn es ist eine tödliche Verlockung für immer neue Flüchtlinge. Flüchtlinge werfen vor Abfahrt ihr Erspartes und das ihrer Verwandten den Schleppern in den Rachen. Europas Hilfe rettet keine Menschen, sie treibt immer mehr Menschen in die Handschellen der Schleuser und in die tödliche Gefahr. Die Schlepper sind die einzigen Gewinner – nicht die Flüchtlinge, nicht ihre Heimatländer, nicht Europa oder Deutschland. Auch in Deutschland ist eine Flüchtlings-Industrie entstanden.

2. Kein gutes Leben in Europa

Die allermeisten Flüchtlinge finden kein gutes Leben in Europa. Die stranden in Dreck-Camps wie vor Calais oder in der illegalen Landwirtschaft Südeuropas, wo sie fast wie Sklaven gehalten werden. Großbritannien ist daher das derzeitige Wunschland – die Sprache erleichtert Integration, der liberale Arbeitsmarkt ermöglicht Zukunft. Frankreich hat den Arbeiterstrick, Spanien seine Plantagen mit modernen Sklaven; Italien die rechtlose Illegalität. Nur Deutschland stellt derzeit Unterkunft, Verpflegung, Rechtsstatus und Bargeld jedem Ankommenden unterschiedslos zur Verfügung – egal, ob er vom Balkan kommt, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist. Oder aus den Bürgerkriegsgegenden wie Syrien, wo es um`s Überleben geht. Oder aus Eritrea, Somalia, Libyen und Nigeria flieht, wo Korruption und Elend regieren.

Europa schafft sich ein neues Prekariat. Es perfektioniert seinen Sozialstaat und läßt die niedrige Arbeit die neuen Einwanderer erledigen. Erwünscht sind sie nicht. Es verliert aber auch Europa – in Spanien und Griechenland beträgt die Jugendarbeitslosigkeit schon heute bis zu 50 Prozent. Europa ist nicht in der Lage, für seine nachwachsende Generation Arbeit und Zukunft zu schaffen. Die Versprechen des Sozialstaates gelten nicht mehr für alle, jedenfalls nicht mehr für Einwanderer. Ein Ende ist nicht in Sicht. Der Bedarf an unqualifizierten Arbeitskräften sinkt in ganz Europa massiv. Ein grosser Teil der arbeitslosen Immigranten landet in der Illegalität, Schwarzarbeit oder in Mindestformen der Sozialhilfe. Es ist ein Programm der Kriminalisierung einer ethnischen Gruppe ohne Zukunft. Diese Wirklichkeit wird gerne verdrängt. Und trotzdem: Unterhalb der europäischen Anspruchsniveaus ist noch Raum. So werden Mindestniveaus unterboten und der Sozialstaat löchrig.

3. Die Herkunftsländer verlieren

Dabei verlieren alle: Die Herkunftsländer – weil meist die Tüchtigen fliehen, die besser Gebildeten, die das Zeug hätten, ihrer Heimat zu helfen. Die korrupten Diktaturen bleiben, wenn die Klugen fliehen. Das Armutsproblem eines Landes wird durch Emigration nicht gelöst, wie der britische Ökonom Paul Collier im Buch «Exodus» feststellt. Im Gegenteil: Unter dem Aspekt des Braindrains ist es fragwürdig, wenn die Ehrgeizigen abwandern und im Ausland Arbeiten verrichten, für die sie überqualifiziert sind. Während die Auswandererländer oft politisch stagnieren, sind die Auswanderer selbst kritisch eingestellt. Im Hinblick auf Reformen wäre es wichtig, dass genau diese Unzufriedenen zu Hause Veränderungen anstossen. Frappant ist die Problematik in Eritrea: Ausgerechnet Emigranten sind gezwungen, durch illegale Steuern im Ausland das verhasste Regime künstlich zu ernähren. Es sind ja nicht die Armen, die fliehen – sondern die Mittelschicht, die Objekte staatlicher Willkür und Ausbeutung. Es sind immer die tendenziell Tüchtigeren, die sich anderswo eine wirtschaftliche Zukunft suchen. Dabei überbewerten sie ihre Chancen in Europa, denn die im Schatten sieht man nicht. Sie starten mit Ambitionen – und landen im Abseits.

4. Die demographische Falle Deutschlands

Auch in Deutschland wird die Integration immer schwieriger, rechnet der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg in seinem neueste Buch vor: Ein Drittel hat keinen Schulabschluß,  Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten beziehen drei mal so häufig Sozialhilfe wie der Durchschnitt. (Herwig Birg: Die alternde Republik und das Versagen der Politik. Lit Verlag, Berlin 2015, 242 Seiten, 34,90 Euro.)

Noch sind die Folgen der Gastarbeiter-Einwanderung nicht völlig überwunden: Niedrige Einkommen damals, führen zu niedrigen Renten heute; niedrige Qualifikationen werden durch die Automatisierung überflüssig; Billigarbeitskräfte durch Tariflohnsteigerungen und Mindestlöhne ausrangiert. Bei der derzeitigen Einwanderung mischen sich Flucht vor Verfolgung, Krieg und Bürgerkrieg und die Suche nach einer besseren wirtschaftlichen Zukunft. Fluchtursachen zu differenzieren ist schwierig angesichts der offenkundigen Not. Aber für die wirtschaftliche Zukunft Deutschland wird Qualifikation entscheidend – auch für die Zukunft eines Sozialstaats, der längst an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit operiert.

5. Die Wirtschaftsverbände auf der Populismus Welle

Aber all dieses wird bei er derzeitigen Arbeits-Immigration nicht hinterfragt. Dass Menschen in Länder auswandern, wo es Arbeit gibt, war und ist normal. Aber genau diese Möglichkeiten gibt es immer weniger, weil unqualifizierte Arbeitsplätze immer seltener werden. Die nächste Rationalisierungswelle steht mit dem Industrie 4.0 ohnehin bereits vor der Tür und wird viele aktuelle Jobs, etwa in der Logistik, dem Arbeitsplatzmotor der vergangenen Jahre, überflüssig machen. Eine besonders peinliche Rolle spielen dabei die deutschen Wirtschaftsverbände. Sie reden neuerdings ständig davon, dass Einwanderung die Fachkräftelücke schließen könnte. Fachkräfte aus Somalia und Eritrea? Davon kann keine Rede sein. Hier wird nicht mit offenen Karten gespielt und mit nachprüfbaren Fakten operiert. Die Verbände machen es sich einfach: Die Gesellschaft hat die Kosten einer völlig ungesteuerten Einwanderung zu tragen – sie picken sich die Wenigen heraus, die einen Platz in den Fabrikationshallen finden können.

Wer tatsächlich Arbeitskräfte sucht, müßte für einen anderen Weg plädieren: Die gezielte Anwerbung nach Bedarf der Wirtschaft und Qualifikation der Betreffenden – wie es klassische Einwanderungsländer wie Kanada und die USA seit Jahrhunderten vormachen. So aber bleiben die Wirtschaftsverbände auf durchsichtigem Populismus reduziert, der die sozialen Kosten verschleiert und die Profite maximiert.

6. Kein Mensch ist illegal

Die Verbände liegen damit fein im Trend: „Kein Mensch ist illegal“, so lautet einer der Sprüche. Asyl wird für alle unterschiedslos gefordert. Aber woher kommt diese Weigerung, zu differenzieren? Ist das die Folge einer Gesellschaft, die unter dem Deckmantel der „Gleichheit“ aufhört, notwendige Unterschiede und Differenzierungen vorzunehmen? Woher stammt diese Bereitschaft, die Grundlagen der eigenen Wirtschaft, des Sozialstaats und der Gesellschaft so bereitwillig in Frage zu stellen?

Mindestens 14 Millionen Menschen sind im Nahen Osten auf der Flucht. Die Bevölkerung Afrikas hat sich in 5 Jahrzehnten vervierfacht; und sie wird sich in ca. 30 Jahren von derzeit 1 Milliarde auf 2 Milliarden verdoppeln – in einem Zeitraum, in dem die Deutschen von 80 auf 60 Millionen schrumpfen wird. Deutschland lebt mit Einwanderung und wird damit leben müssen – aber jede Begrenzung und Auswahl aufzugeben ist gerade deshalb falsch. Sicherlich ist jeder Mensch als Individuum eine Bereicherung – aber nicht in jeder Gesellschaft. Hält die so gerne beschworene Zivilgesellschaft eine derartige Masseneinwanderung aus, deren Teilnehmer keine Erfahrung mit Rechtsstaat und Demokratie, mit Bildung und Qualifikationserfordernissen einer postindustriellen Gesellschaft haben? Deren Einstellung zur Gleichheit nicht nur von Mann und Frau, sondern zu einer Vielzahl von Geschlechtern, zur Gleichgeschlechtlichkeit und anderen sonst so bejubelten Errungenschaften eher vormodern ist? Welche neuen Koalitionen bilden sich da? Welche Konflikte?

7. Die seltsame Rolle der Medien

Das wird alles verdrängt, auch und gerade von Medien. „Blinde Flecken“ in der Berichterstattung und eine sehr einseitige Bewertung von Chancen und Kosten der Einwanderung konstatiert die Neue Zürcher Zeitung: „Der Flüchtling ist Weltbürger wider Willen, der in Deutschland auf diffuse Weise geschichtspolitisches Schuldbewusstsein aufruft, zugleich aber auch Retter aus der demografischen Krise sein soll.“ Und weiter: „Nachsicht und Verständnis sind fast grenzenlos. Lügen und Täuschung der Behörden im Asylverfahren gelten als hinzunehmender Standard. Provozierendes Verhalten und zum Teil aggressiv vorgetragene Ansprüche werden neutral registriert. Exemplarisch ist da der verständnisvolle Bericht über Afrikaner, die ihre Unterkunft randalierend zerlegen, weil ihnen bisher bloss eine und nicht wie gewünscht zwei warme Mahlzeiten täglich angeboten werden. Eine Schlagzeile wie «Nicht alle Flüchtlinge sind dankbar» , unter der eine Zeitung ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck bringt, dass gerade aus grosser Not Gerettete gleich ihre Wohltäter bestehlen und bedrohen, sind seltene Ausnahmen in einem ostwestfälischen Medienbiotop.

Im besonders beliebten Genre der Homestory über abgelehnte Asylbewerber, die abgeschoben werden sollen, kulminieren die Parteinahme und die kritiklose Übernahme der Perspektive der Betroffenen. Mitmenschlichkeit steht hier gegen vermeintliche Formaljuristerei der Behörden. Hier artikuliert sich, oft mit stillschweigender Zustimmung der Medien, eine Haltung, die jede kontrollierte Asylpolitik ausser Kraft setzen will und nur noch das weite Öffnen aller Tore erlaubt.“ So weit die NZZ über deutsche Medien-Bilder.

Die Aufnahme möglichst vieler Flüchtlinge wird zum gesamtgesellschaftlichen Ziel; Kritiker werden in die bekannte rechte Ecke gestellt; zumindest gelten sie als inhuman, egoistisch, brutal. Die Rollen bei der theoretischen Betrachtung sind klar verteilt. Die Folgen für Deutschland werden kaum thematisiert Aber ist es auch angebracht, so einseitig die Rollen zu verteilen? Wer für die Kontrolle der Zuwanderung ist, ist nicht gegen das Asylrecht, nicht einmal gegen Einwanderung.

Vielmehr müsste klar sein, dass die unterschiedslose Zuwanderung früher oder später das Asylrecht gefährden wird. „Weil man mit Begriffen Politik machen kann, haben die Befürworter einer mehr oder weniger grenzenlosen Freizügigkeit das Wort Asylbewerber durchgehend durch den Begriff Flüchtlinge ersetzt. Denn Flüchtling klingt sympathischer als Asylbewerber. Zum Asyl gehört auch der Begriff des Asylmissbrauchs. Flüchtling ist dagegen positiv besetzt: Wer fliehen muss, muss halt fliehen, ist in jedem Fall ein Opfer. Eine weitere Differenzierung ist aus der Sicht der „Lasst-alle-zu-uns-kommen“-Fraktion da nicht nötig, nein, sogar hinderlich“, schreibt Hugo Müller-Vogg. „Eigentlich ist es gar nicht so schwierig, zwischen Asylbewerbern, Flüchtlingen und arbeitssuchenden Zuwanderern zu unterscheiden. Politisch Verfolgte genießen bei uns nach Artikel 16a Grundgesetz Schutz. Das trifft aber nur auf ein bis zwei Prozent aller hier Schutzsuchenden zu. Knapp 40 Prozent sind Wirtschaftsflüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern. Deren Wunsch nach einem besseren Leben in unserem Land ist verständlich, hat aber keine rechtliche Basis.“

8. Es gibt keinen „Beruf Flüchtling“

Deshalb müssen wir SOFORT unterscheiden – zwischen echten Flüchtlingen und Wirtschafts-Einwanderern. Die Frage ist erlaubt: Können wir die Leute, die zu uns wollen, auch wirklich brauchen, sozial, wirtschaftlich, kulturell? Wollen sie sich integrieren? Wie vermeiden wir Parallelgesellschaften? Begrenzen Kosten für den Sozialstaat, erhalten die Akzeptanz unter der Bevölkerung aufrecht? Nur so bleibt der Sozialstaat finanzierbar und auch die Hilfe für echte Flüchtlinge weiter möglich. Das mag unpopulär klingen. Aber Europa kann sich nicht mehr drücken, und Deutschland auch nicht.

Es gibt keinen „Beruf Flüchtling“. Die Entscheidung über gewollte und ungewollte, geduldete und aus humanitären Gründen erlaubte Einwanderung muß gestellt und gelöst werden.

Denn den Flüchtlingen müssen wir helfen – die Wirtschafts-Einwanderer uns: Wer hier arbeiten will, muß sein Können nachweisen, und das schon vor Abreise und ohne Schlepper. Das Asylverfahren ist von vornherein für sie versperrt.

Diese Entscheidungen müssen jetzt sofort fallen. Sonst ertrinken noch mehr Menschen, ehe sie nur scheinbar gerettet werden. Europa produziert die Toten, deren Elend es beklagt.