Tichys Einblick
Grüne Bigotterie

Der einstige Maoist Ralf Fücks betätigt sich als Verfassungsschützer

Nachdem ein Journalist der WELT dem grünen Zentrum Liberale Moderne ein neo-totalitäres Ansinnen bescheinigt hat, reagiert dessen geschäftsführender Gesellschafter mit einer Replik, die von Scheinheiligkeit nur so strotzt.

Ralf Fücks, zu dem Zeitpunkt Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, auf dem Länderrat, Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen, 31.05.2014

IMAGO/IPON

Ein veritables Lehrstück für grüne Bigotterie (Scheinheiligkeit) lieferte jüngst der geschäftsführende Gesellschafter des Zentrums Liberale Moderne, Ralf Fücks, mit seiner Antwort auf einen Artikel von Frank Lübberding in der WELT vom 23. November. Lübberding hat dort unter dem Titel „Wenn der Aktivismus zur Bekämpfung politischer Gegner staatlich subventioniert wird“ die zunehmende Verrohung, Emotionalisierung und Radikalisierung des politischen Diskurses in den sozialen (digitalen) Medien beschrieben, die er als „Diskurserhitzungsmachine“ bezeichnet. Das Mediensystem sei inzwischen zu einem Schlachtfeld geworden, auf dem aktivistische Plattformen in ihrem Kampf gegen politische Meinungen und Positionen, die vom herrschenden polit-medialen Mainstream abweichen, zunehmend zum Mittel der Verunglimpfung greifen.

Als Beispiel verweist er unter anderem auf den Umgang mit der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, seitdem diese sich in ihren Publikationen nicht nur zur amtlichen Coronapolitik, sondern auch noch zum Vorgehen der von den USA geführten Allianz gegen Russlands Angriff auf die Ukraine kritisch geäußert hat. Einer der einstigen intellektuellen Superstars des von der Ideologie der Grünen beherrschten linksliberalen Juste-Milieus, der dort für seine radikalen Forderungen zur Auflösung und Überführung der Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) in einen zentralisierten europäischen Bundestaat hofiert und gefeiert wurde, ist gleichsam über Nacht in eben diesem Milieu zur Persona non grata geworden.

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Wurde die im Jahr 2021 an die Universität Bonn berufene Professorin für Europapolitik unlängst für ihre wissenschaftlichen Publikationen zur Europapolitik vom linksliberalen Mainstream noch hochgelobt, gilt bei den Themen Coronapolitik und Ukraine-Krieg inzwischen nicht nur auf den einschlägigen digitalen Plattformen als „Verschwörungstheoretikerin“. Auch ihre Universität beschreibt sie auf ihrer Website als einen „Verdachtsfall auf Fehlverhalten“. Sie habe möglicherweise „allgemeine Standards guter wissenschaftlicher Praxis“ nicht gewahrt und „namentlich spekulative, nicht wissenschaftlich belegbare Behauptungen“ verbreitet. Dies werde nun „von den zuständigen Stellen geprüft und gegebenenfalls sanktioniert“.

Ob sich diese Prüfung lediglich auf Guérots Publikationen zur Pandemie und zum Ukraine-Krieg bezieht oder ihre jahrelangen Veröffentlichungen zur Europapolitik miteinschließt, erfahren wir nicht. Auf allen drei Gebieten gehört Guérot freilich zu der Sorte von Wissenschaftlern, die sich einer bestimmten politischen Agenda verschrieben haben, der sie mit Hilfe zugespitzter Botschaften in populärwissenschaftlichen Publikationen ein möglichst großes öffentliches Gehör verschaffen wollen. Ihre hauptsächliche Zielgruppe ist nicht ihre jeweilige, meist recht überschaubare Scientific Community, sondern die polit-mediale Öffentlichkeit.

Ihr vorrangiges Ziel ist daher auch nicht der wissenschaftliche Erkenntnisfortschritt, sondern die öffentliche Wirkung. Letztere läßt sich unter anderem dadurch steigern, daß mit den üblichen Standards des wissenschaftlichen Arbeitens flexibler umgegangen wird, als wenn nur für die eigene Community publiziert wird. Eine riskante Gratwanderung, für die sich Guérot keineswegs erst mit ihren jüngsten, sondern vor Jahren schon mit ihren Veröffentlichungen zur Europapolitik entschieden hat.

So sah sie sich im Jahr 2019 zum Beispiel mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie in einem in der FAZ im Jahr 2013 gemeinsam mit Robert Menasse verfassten Artikel den EU-Mitbegründer Walter Hallstein mit einer Aussage („Die Abschaffung der Nation ist die europäische Idee“) zitiert hat, die dieser nie getätigt hat. Während dies die Universität Bonn nicht daran hinderte, Guérot Jahre später zur Professorin zu berufen, droht ihr nun nicht nur die mediale Stigmatisierung als „Verschwörungstheoretikern“, sondern zudem die Verbannung aus ihrer Scientific Community.

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Diese offenkundige Anwendung von Doppelstandards im Umgang mit politischen Publikationen ist laut Lübberding einer von zahlreichen Belegen dafür, dass es den selbsternannten Kämpfern gegen „Fake News“ und „Verschwörungstheorien“ keineswegs, wie von ihnen behauptet, „um den offenen Diskurs in einer freiheitlichen Ordnung geht“, sondern um dessen Zerstörung. Diese betreiben sie inzwischen auch durch „die Suche und Markierung politischer Feinde“ mit Hilfe eigener digitaler Plattformen. Diese werden wiederum von dem Zentrum Liberale Moderne des Grünen Ralf Fücks maßgeblich unterstützt, der dafür erhebliche finanzielle Mittel vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erhält. Laut Lübberding belaufen sie sich allein für die Jahre 2021 und 2022 auf mehr als 316.000 Euro.

Mit diesen Mitteln seiner Parteifreundin und Familienministerin Lisa Paus betreibt Fücks gemäß der Homepage seines Zentrums unter anderem eine „Gegneranalyse“, die sich nach eigener Darstellung „kritisch mit Kanälen auseinandersetzt, die sich in Opposition zur bestehenden Medienöffentlichkeit sehen.“ Aufgeklärt werden soll darüber, „wie die systemoppositionellen Gegenmedien zu einer Radikalisierungsmaschine werden.“ Gemeint sind damit all jene alternativen Medien (darunter auch Tichys Einblick), die in Opposition zum grün-linken politischen Mainstream stehen, der mittlerweile nicht nur die öffentlich-rechtlichen Medien, sondern mit Hilfe der FDP auch die Bundesregierung erobert hat.

Lübberding schreibt daher treffend: „So lässt sich das Zentrum Liberale Moderne aus Bundesmitteln eine eigene Abteilung zur Brandmarkung politischer und medialer Gegner finanzieren“, und stellt darüber hinaus nicht minder treffend fest, daß Fücks‘ „Gegneranalyse“ Verfassungsschutz spielt – „und das im Auftrag eines grünen Thinktanks, bezahlt mit Steuergeldern.“ Die grüne Partei wolle so „unter Nutzung ihrer Hilfswilligen in den Medien allein darüber entscheiden, wer als Demokrat gilt und wer nicht.“ Ein laut Lübberding neo-totalitäres Ansinnen, das die grüne Partei im Einklang mit ihren Koalitionspartnern nicht nur mit Hilfe des Zentrums Liberale Moderne immer offensiver und unverhohlener verfolgt.

Die Replik von Fücks auf Lübberdings vernichtende Kritik ließ nicht lange auf sich warten und erschien unter dem Titel „Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist kein Freibrief“ in der WELT vom 07. Dezember. Motiviert hat den einstigen Funktionär des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW), der in Deutschland eine Diktatur nach chinesischem Vorbild anstrebte, dazu vermutlich nicht zuletzt Lübberdings Verweis auf die Worte des von Fücks einst bewunderten Mao Tse-Tung: „Alles, was der Feind bekämpft, müssen wir unterstützen; alles, was der Feind unterstützt, müssen wir bekämpfen.“

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Dass sein Zentrum mit seiner „Gegneranalyse“ diesem Motto folgt, hält Fücks für „verschwörungstheoretisches Geraune“. Tatsächlich gehe es ihm und seinen Mitstreitern darum, „Licht auf die Schattenwelt der Internetplattformen“ zu werfen, „die sich als Alternative zu den verachteten ‚Systemmedien‘ verstehen.“ Gemeinsam erreichten diese inzwischen ein Millionenpublikum, operierten aber laut Fücks gleichwohl „weitgehend außerhalb der Wahrnehmung demokratischer Politik und bürgerlicher Öffentlichkeit.“ Ein höchst merkwürdiges Verständnis von demokratischer Politik und bürgerlicher Öffentlichkeit, die der selbsternannte Kämpfer für eine „liberale Moderne“ offenkundig mit der Kontrolle über die öffentliche Meinungsbildung durch den Staat oder staatlich geförderte Institutionen wie sein Zentrum gleichsetzt.

Für immer mehr Menschen seien die alternativen Medien „mittlerweile die primäre oder sogar einzige Informationsquelle“, wirkten daher „weit in die gesellschaftliche Mitte“ und schürten so „das Mißtrauen in die liberale Demokratie.“ Dass das Aufkommen und die Erfolge alternativer Medien eine Reaktion auf die polit-mediale Hegemonie der grünen Weltanschauung und des damit um sich greifenden einseitigen und tendenziösen Haltungsjournalismus ist, dürfte dem Vordenker einer Partei, die einst selbst als eine systemkritische Alternative gegen die etablierten Parteien und deren Medien gegründet worden ist, wohl bewußt sein. Inzwischen ist diese Partei jedoch selbst fester Bestandteil und Nutznießer des herrschenden polit-medialen Systems, dessen Protagonisten sich mittels Stigmatisierung und Ausgrenzung ebenso gegen ihre Kritiker zu immunisieren versuchen, wie dies alle Nutznießer herrschender Systeme schon immer tun.

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Auch Fücks attackiert daher ohne jeglichen Anflug von Selbstkritik unterschiedslos alle alternativen Medien, die sich kritisch mit der derzeit praktizierten Energie- und Klimapolitik, der Corona-Politik, der Migrationspolitik sowie der Russlandpolitik auseinandersetzen, als „politische Brandbeschleuniger“. Ihnen gehe es nicht um kontroverse Meinungen, „sondern um die Konstruktion einer Scheinwelt, in der demokratische Politik nur die Fassade für finstere Machenschaften ist.“ Das Recht auf freie Meinungsäußerung werde von ihnen überschritten und bedürfe der Korrektur durch Bildungsangebote und Studien, „die ein kritische Licht auf Desinformation, Verschwörungsmythen und Radikalisierungstendenzen im Netz werfen.“

In diesem Zusammenhang wenig überzeugend wirken aus der Feder eines grünen Ideologen, der einst selbst zur Überwindung der „bürgerlichen Gesellschaft“ und des ihr zugrunde liegenden Verfassungssystems aufrief, weder seine Verweise auf tatsächlich grenzwertige oder auch grenzüberschreitende Meinungsäußerungen einiger alternativer Medien noch die Beteuerungen, er betreibe mit seinem Zentrum nicht das Ziel einer Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern die „offene Auseinandersetzung mit Gegnern der freiheitlichen Demokratie.“

Beides zeugt vielmehr von einem gehörigen Maß an Bigotterie (Scheinheiligkeit), die laut Wikipedia „ein übertrieben frömmelndes, dabei anderen Auffassungen gegenüber intolerantes, gehässiges und scheinbar ganz der Religion oder einer religiösen Autorität gewidmetes Wesen oder Verhalten“ bezeichnet. Die Stelle der Religion hat bei Fücks freilich einst Maos Lehre und danach die grüne Weltanschauung eingenommen. Deren polit-mediale Vorherrschaft verteidigt er nun mit höchst fragwürdigen Mitteln gegen alle Kritik und Angriffe aus einem neu entstandenen „alternativen Milieu“, das nicht minder schattierungsreich ist wie dasjenige, dem Fücks selbst entstammt. Von daher ist er wohl doch bis heute Maoist geblieben.