Tichys Einblick
„Global Compact for Migration“

Wie man im Deutschen Bundestag eine unerwünschte Petition behindert

Was für ein interkultureller Dialog soll das sein, für den die öffentliche Auseinandersetzung mit einer abweichenden Meinung eine Belastung darstellt? Die das so formulieren, meinen wohl Monolog.

© Clemens Bilan/AFP/Getty Images

„Der Abend des Lebens gibt mir geheimnisvolle Weisheit,
und künftige Ereignisse werfen ihre Schatten voraus.“

                           (Thomas Campbell, „Lochiel’s Warning“)

Je größer die Sache, desto größer ihr Schatten. Falls der Lehrsatz aus der einfacheren Schulphysik auch gilt, wenn man ihn in die schwierigere Welt der Politik überträgt, dann ist der geplante „Global Compact for Migration“ der Vereinten Nationen eine richtig große Sache – denn das künftige Ereignis wirft richtig große Schatten voraus.

Das Dunkel besichtigen kann man derzeit im Deutschen Bundestag, genauer: im Petitionsausschuss – eigentlich dem Epizentrum von Bürgernähe und Transparenz des Parlaments. Denn „jedermanns Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden“, war den Vätern des Grundgesetzes sogar einen eigenen Artikel 17 wert. Und damit die Abgeordneten sich auch ja ordentlich um die eingereichten Bürgeranliegen kümmern, kam noch Artikel 45c hinzu: „Der Bundestag bestellt einen Petitionsausschuss, dem die Behandlung der nach Artikel 17 an den Bundestag gerichteten Bitten und Beschwerden obliegt.“ Der Petitionsausschuss ist somit der einzige Bundestagsausschuss überhaupt mit Verfassungsrang.

„Damit ist er ein Seismograf, der die Stimmung der Bevölkerung aufzeichnet“: So beschreibt das Gremium selbst seine Arbeit und seine Aufgaben im Internet (www.bundestag.de/petition). Das klingt durchaus nach, siehe oben, Bürgernähe und Transparenz und insgesamt eher sonnig. In der praktischen Umsetzung – vor allem bei Bürgeranliegen zur Migrationspolitik im Allgemeinen und zum „Global Compact for Migration“ im Besonderen — wird es dann aber, nun ja: schattig.

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Wie man einer Initiative im Bundestag kraft Verwaltungsakt das Licht der Öffentlichkeit entzieht, erfährt gerade Matthias Moosdorf. Privat spielt der ausgebildete Musiker das Violoncello im recht renommierten Leipziger Streichquartett. Im Hauptberuf ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim bayerischen AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hebner. Gerade betreut er ein AfD-Projekt gegen den „Global Compact for Migration“ (www.migrationspakt-stoppen.de). Ziel ist, dass Deutschland dem „Global Compact for Migration“ nicht beitritt und sich darüber hinaus weder politisch an den „Global Compact for Migration“ bindet noch ihn unterstützt. Ein Element der Kampagne ist die Einbringung einer Petition in den Bundestag.

Und ab da geht das Licht aus.

Denn Moosdorf reichte – form- und fristgerecht, wie sich das gehört – das von ihm betreute Anliegen „zur Veröffentlichung“ ein: Das heißt, dass die Petition nicht nur im Ausschuss erörtert werden, sondern zusätzlich auf der Internetseite des Bundestages erscheinen soll. Für solche Öffentlichen Petitionen gibt es selbstverständlich eigene Verfahrensvorschriften – und für deren Interpretation eine eigene Richtlinie. Auf die beruft sich nun das Sekretariat des Petitionsausschusses: für seine Entscheidung, dem Ausschuss zu empfehlen, Moosdorfs Petition gegen den „Global Compact for Migration“ NICHT zur Veröffentlichung zuzulassen. Im Amtsdeutsch liest sich das dann so:

„Nach Nr. 4, Buchstabe c) der oben genannten Richtlinie kann von einer Veröffentlichung der Petition einschließlich ihrer Begründung abgesehen werden, wenn sie geeignet erscheint, den interkulturellen Dialog zu belasten.

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Dass der Global Compact for Migration die Migration in die Länder des Westens befördert, deren nationale Identitäten verwischt und eine multi-kulturelle Gesellschaft schafft, die noch zu keiner Zeit an keinem Ort funktioniert hat, ist zunächst Ihre persönliche Meinung. Eine Veröffentlichung dieser Ansicht auf der Internetseite des Deutschen Bundestages kann die oben erwähnten Folgen haben.“

Das ist nicht falsch. Allerdings dürfte der Umstand, dass Begründungen von Petitionen eine persönliche Meinung widergeben, für recht viele Eingaben gelten – genauer: für alle. Dieser Logik folgend, dürfte keine Petition jemals veröffentlicht werden. Und was „geeignet erscheinen kann, den interkulturellen Dialog zu belasten“, ist erkennbar höchst subjektiv – genauer: völlig willkürlich. Abgesehen davon: Was für ein interkultureller Dialog soll das sein, für den die öffentliche Auseinandersetzung mit einer abweichenden Meinung eine Belastung darstellt?

Auch ohne Rückgriff auf Verschwörungstheorien kann man sich irgendwie nicht des Eindrucks erwehren, dass hier eine pointierte, zulässige, aber politisch unerwünschte Petition möglichst geräuschlos versenkt werden soll. Der „Global Compact for Migration“ wirft seine langen Schatten voraus.

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Etwa 80 Mitarbeiter sind im Sekretariat des Petitionsausschusses beschäftigt. Wie viele an dieser konkreten Empfehlung zur Nicht-Veröffentlichung der Petition gegen den „Global Compact for Migration“ mitgewirkt haben, war beim Bundestag nicht zu ermitteln. Dort weist man aber darauf hin, dass das Sekretariat ja nur Empfehlungen erarbeite. Die letztliche Entscheidung über die Veröffentlichung liege natürlich bei den Ausschussmitgliedern, also bei gewählten Volksvertretern. Formal stimmt das – tatsächlich womöglich nicht so ganz: „Die Vorlagen vom Sekretariat nicken wir doch eigentlich bloß ab,“ sagt ein Abgeordneter. Seinen Namen lesen möchte er hier nicht.

Der Vorsitzende des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag konnte (oder wollte, man weiß es nicht) sich zu der Sache übrigens vorerst nicht äußern: Marian Wendt, CDU-Abgeordneter für das nördliche Sachsen, informiert sich mit einer Reisedelegation des Ausschusses gerade darüber, wie der Staat in einem anderen großen Land die Meinungsvielfalt fördert.

Ende Oktober, sagt sein Büro, kommt er wieder aus China zurück.