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Versuchte Abschaffung der Wirklichkeit: Reschke, Relotius, Menasse

Reschke, Relotius, Menasse, drei Namen, die eines verbindet: Haltung, die belohnt wird, drei Namen von Autoren, die zeigen, dass anscheinend besondere Mittel notwendig sind, um den Riss zwischen Ideologie und Realität zu übertünchen. Doch er wird von Tag zu Tag größer - auch deshalb.

John MacDougall/AFP/Getty Images

Die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz will dem Tendenzautor Robert Menasse die Carl-Zuckmayer-Medaille verleihen. Einst wurde die Medaille gestiftet, um Schriftsteller für ihre „Verdienste um die deutsche Sprache und um das künstlerische Wort“ zu ehren. Diesem Anspruch würde sie mit dieser Verleihung nicht gerecht, denn aus literaturkritischer Sicht und aus literaturwissenschaftlicher Analyse lässt sich nicht belegen, worin Menasses Verdienste um die „deutsche Sprache und um das künstlerische Wort“ bestehen sollen.

Dreyer will in Menasses Romanen jedoch „ein beeindruckendes literarisches Gesamtwerk“ sehen und begründet die gewagte Einschätzung mit dem außerliterarischen und rein politischen Argument, dass sein „engagiertes Streiten für die europäische Idee … die politische Debatte um die Zukunft der Europäischen Union sehr bereichert“ habe. So gesehen stellt auch der „Vorwärts“ „ein beeindruckendes literarisches Gesamtwerk“ dar.

Nun sind Politiker keine Literaturkritiker und Malu Dreyers Kenntnisse über Literatur und über die deutsche Sprache, zieht man ihre Verteidigung der Entscheidung zu Rate, rechtfertigen nicht die Vermutung, dass sie in dieser Angelegenheit wirklich weiß, wovon sie spricht, allerdings sollte sie schon wissen, was Fälschungen sind.

Robert Menasses preiseinbringendes Engagement für die Brüsseler EU verführte ihn dazu, Zitate aus der Rede des Politikers Walter Hallstein sachlich gesagt zu fälschen, freundlich formuliert im Sinne Brüssels zu tunen. Und um für den richtigen Hintergrund zu sorgen, wurde dann auch noch der Ort, an dem die Rede gehalten sein sollte, nach Auschwitz verlegt. Damit wurde versucht, die erfundenen Zitate durch den vorgestellten Ort unangreifbar zu machen, um einen künstlichen Europamythos zu begründen.

Der eigentliche Skandal besteht in der Instrumentalisierung von Auschwitz. Das ficht jedoch die Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz nicht an. Schließlich geschah es im Dienst an der „guten Sache“.

Im Dienst an der „guten Sache“ scheint inzwischen alles erlaubt zu sein, Zitate zu fälschen, Auschwitz zu instrumentalisieren, einen Bundestagsabgeordneten fast totzuschlagen, weil er einer missliebigen Partei angehört.

Selbstbedienungsverein
Schändung einer Bildschirm-Ikone
Man muss fast annehmen, dass über die Gewalttat, die auch ein Anschlag auf die Demokratie ist, klammheimliche Freude herrscht. Kein Statement bis jetzt von den Berufsempörten zu diesem Vorfall. Damit keine falschen Gedanken aufkommen, setzt WELTonline vorsorglich neben die Meldung über diese Gewalttat einen Artikel unter der Überschrift „Rechter Rand der AfD macht mobil“. Angesichts dessen kann man ja fast erleichtert sein über die Tat einiger „Übereifriger“, die möglicherweise mittelbar aus dem Budget des Programms der Familienministerin Franziska Giffey „Demokratie leben“ finanziert werden, und aus dem nach der Intrige gegen Hubertus Knabe die verschwindend geringen Mittel, die bisher gegen den Linksextremismus bewilligt worden waren, nun auch noch zum Kampf gegen „Rechts“ eingesetzt werden.

Teile der politischen Klasse, der Medien und der Kulturschaffenden scheinen den einfachen Satz, dass Demokratie für alle gilt, vergessen zu haben. Eine Demokratie jedoch, die nur für einige gilt, nennt man Diktatur. An diesem Punkt sind wir nicht, doch besteht der beste Schutz vor undemokratischen Zuständen darin, diesen einfachen, aber grundsätzlichen Satz zur Maxime zu erheben.

Dass Menasses Europa-Roman kalkuliert den Deutschen Buchpreis erhielt, erzählt mehr über den Preis und über die Jury, der zumindest in diesem Fall politische Kriterien mehr als ästhetische galten, doch die respektable Persönlichkeit Carl Zuckmayers, der sich niemals vereinnahmen ließ und ein Vorbild an geistiger, politischer und schriftstellerischer Unabhängigkeit war, zum Namensgeber für eine Plakette, die nunmehr die richtige Gesinnung ehren soll, zu machen, stellt schon einen Skandal dar.

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Attentat auf Bundestagsabgeordneten der AfD
Aber werden journalistische und künstlerische Preise nicht ohnehin immer mehr zur Belohnung für die richtige, im weitesten Sinne rot-grüne Ideologie, die zu einer Staatsreligion zu werden droht? Die ARD-Journalistin Anja Reschke erhielt den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis genau dafür, dass sie das Gegenteil von dem macht, was Hajo Friedrich als journalistisches Ethos postulierte, objektiv zu berichten und sich nicht, auch nicht mit einer guten Sache, gemein zu machen, professionellen Abstand zu wahren. Die neue, alte Form von Journalismus, die Reschke, Restle und viele ihrer Kollegen vertreten und nichts weiter als Propaganda ist, heißt Neuestdeutsch: Haltung. Früher nannten man das schlicht Klassenstandpunkt.

Auch der Journalist Claas Relotius heimste renommierte Preise dafür ein, dass er „Tatsachen“ erfand, weil sie der herrschenden Gesinnung und dem, was man den gern unmündig gehaltenen Bürgern vorgaukeln möchte, entsprachen.

Reschke, Relotius, Menasse, drei Namen, die eines verbindet: Haltung, die belohnt wird, drei Namen von Autoren, die zeigen, dass anscheinend besondere Mittel notwendig sind, um den Riss zwischen Ideologie und Realität zu übertünchen. Doch er wird von Tag zu Tag größer – auch deshalb.

Der Philosoph G.W.F. Hegel verdeutlichte vor nicht ganz zweihundert Jahren, dass nur das wirklich ist, was notwendig ist, und notwendig ist nicht das, was sich der eine oder andere als notwendig vorstellt, notwendig ist das, was auf Grund der historischen Entwicklung zu tun ist, um in einem prosperierenden Staat zu leben. Für ihn war ein „schlechter Staat“ einer, der „bloß existierte“, aber keine wahrhafte Realität“ mehr besaß, weil er nichts mehr dafür unternahm, was für das Leben der Bürger notwendig war.

Journalisten haben über die Wirklichkeit zu berichten, Schriftsteller sind der künstlerischen Wahrheit verpflichtet, wovon beide Abstand zu halten haben, ist Ideologie, Apologie und Staatsnähe, ganz gleich um welchen Staat es sich handelt.

Und für alle bleibt Hegels Warnung auch mit Blick auf den Anschlag auf einen Bundestagsabgeordneten aktuell: „Das Rechtsgebot ist daher: sei eine Person und respektiere die anderen als Personen.“

Bleiben wir bei der Wirklichkeit!