Tichys Einblick
Gewogen und zu leicht befunden

Ursula von der Leyen: die Schwadroniererin

Mag sein, dass Frau von der Leyen sich aufs Schwadronieren verlegt, um schnell aus der operativen Verantwortung im Bundesverteidigungsministerium in Richtung NATO entlassen zu werden.

© Sean Gallup/Getty Images

Wer hätte bei der Jubelstimmung anlässlich der Wahl von Martin Schulz zum SPD-Vorsitzenden gedacht, dass seine Präsidentschaft nicht mehr als eine triste Episode werden sollte, die die stolze und traditionsbewusste deutsche Sozialdemokratie gar in existentielle Nöte bringen würde und Martin Schulz nach seinen vielen Abseitsmanövern endgültig einen Spielfeldverweis? Die Entsorgungsdynamik der deutschen Politik scheint auch an dem selbst ernannten Moderator der auswärtigen Angelegenheiten, Sigmar Gabriel, nicht vorübergehen zu wollen. Gerade hat er sich an die internationale Bühne mit sonorer Stimme angepasst und trägt ein weltmännisches Gehabe zur Schau, da legen ihm seine eigenen politischen Freunde den Rückzug vom Amt des Außenministers nahe.

Norbert Röttgen, einstmals als Muttis Liebling gehandelt und immer noch nicht über die bittere Erfahrung seines von der Kanzlerin erzwungenen Rücktritts als Umweltminister hinweg, bemüht sich, die Personalie Merkel auch als ein Entsorgungsproblem – wenn auch unter dem Vorwand der Inhaltsleere – zu beschreiben.

„Frieden schaffen ohne Waffen“
Merkel und von der Leyen zerstören die Bundeswehr
Geradezu wundersam ist indessen, dass die stets stolze und wortreiche erste Verteidigungsministerin, Dr. Ursula von der Leyen, bislang von dem Entsorgungstrend nicht erfasst wurde. Wundersam ist die kritische Abstinenz der Medien gegenüber Frau von der Leyen deshalb, weil sie es nicht nur geschafft hat, in den vier Jahren ihrer Amtszeit das Vertrauensverhältnis zur Truppe gänzlich zu ruinieren (von der Leyen: „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem“), sondern weil die Einsatzbereitschaftslage der Bundeswehr wohl seit Jahren nicht mehr so katastrophal war. Vom Ministerium unwidersprochen wird öffentlich berichtet, dass Deutschland keine zureichenden Panzerkontingente für internationale Einsätze stellen kann. Nun soll es auch an Winterausrüstung fehlen. Daher ist der jährliche Bericht über die Einsatzbereitschaftslage mit „Rücksicht auf die Bundestagswahlen im September“ 2017 unterblieben. Unlängst drang an die Öffentlichkeit, dass gegenwärtig keines der sechs U-Boote umfassenden deutschen U-Boot-Geschwaders einsatzfähig ist. Man hofft darauf, dass im Laufe des Jahres 2018 wenigstens ein Boot wieder zum Einsatz taugt. Die Werftliegezeiten zur Wartung der Boote werden von den Mannschaften als inakzeptabel angesehen, weil sie währenddessen ihre erworbenen Fähigkeiten nur am Simulator erhalten können. Unbekannt in der Öffentlichkeit ist, dass es für sechs potentiell einsatzfähige U-Boote nur drei einsatzbereite Mannschaften gibt. Denn es gelang bislang nicht, immerhin für eine Eliteeinheit wie die U-Boot-Waffe, hinreichend junge Frauen und Männer zu interessieren.

Dies alles scheint Frau von der Leyen wenig zu interessieren. Sie glaubte bisher, mit dem Neuanstrich von Kasernen und der sozialpolitischen Besserstellung von Soldaten, ihre politischen Ambitionen zu erreichen. Gleichzeitig hält sie Schaufensterreden bei internationalen Foren und predigt – so bei der Münchener Sicherheitskonferenz – von der Notwendigkeit einer „europäischen Verteidigungskultur“.

Politisch tarnen und täuschen
Gute Nacht, Bundeswehr!
Dies passt zur politischen Führung eines Ministeriums, dessen vornehmstes Ziel scheinbar ist, die Bundeswehr auf gar keinen Fall zum Einsatz zu bringen. Hiermit soll der andauernden Entfremdung der deutschen Nation vom Militärischen Rechnung getragen werden. Auf die Unterstützung der wenig bellizistischen Bundeskanzlerin kann Frau von der Leyen in diesem Zusammenhang stets zählen. Der Nichteinsatz der Streitkräfte wird politisch prämiert.

Gleichzeitig werden Werbebroschüren vom Verteidigungsministerium herausgegeben, in denen sich Deutschland zu mehr Übernahme von Verantwortung bereit erklärt und junge Menschen für die Streitkräfte interessiert werden sollen.

Mag sein, dass Frau von der Leyen kalkuliert, sich aufs Schwadronieren zu verlegen, um schnell aus der operativen Verantwortung im Bundesverteidigungsministerium in Richtung NATO entlassen zu werden. Für die Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte sind die viereinhalb Jahre von der Leyen ein herber Verlust und für die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik Deutschland als Partner friedenserzwingender Sicherheitspolitik ist die Amtszeit von der Leyens eine Katastrophe.


Markus C. Kerber ist Dr. iur., Professor für öffentliche Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, Gastprofessor an der Warsaw School of Economics und an der Universität Paris II (Panthéon-Assas), Gründer des Thinktanks Europolis, www.europolis-online.org.


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