Tichys Einblick
Die Gas-Umlage bleibt

Uniper-Verstaatlichung und De-Industrialisierung: Deutschland im freien Fall

Uniper wird verstaatlicht, an der Gas-Umlage hält Habeck trotzdem fest. Man habe dafür einen rechtssicheren Weg gefunden, um „Trittbrettfahrer vom Trittbrett zu schubsen“. Der Mann hat Humor, denn der größte und einzige Trittbrettfahrer ist sein Ampelstaat.

Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, 20.09.2022

IMAGO / Christian Spicker

Heute Morgen gab Wirtschaftsminister Robert Habeck bekannt, dass Uniper verstaatlicht wird. Uniper versorgt bis zu 40 Prozent der deutschen Haushalte mit Gas, 50 Prozent des Gases stammt aus Russland, 420 der 900 deutschen Stadtwerke werden von Uniper beliefert. Außerdem ist Uniper der bedeutendste Betreiber von Erdgasspeichern in Deutschland: Etwa 5,6 Milliarden Kubikmeter werden von Uniper gespeichert; insgesamt umfassen alle Speicher Deutschlands eine Kapazität von 22,9 Milliarden Kubikmetern.

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Die Bundesregierung will Uniper nun über eine Kapitalerhöhung zu 1,70 Euro je Aktie mit 8 Milliarden Euro stützen. Doch die acht Milliarden beziffern nicht die gesamte Summe, die den deutschen Steuerzahler die Außen- und Wirtschaftspolitik der Ampel kostet. Damit der Bund wirklich Eigentümer von Uniper wird, übernimmt er für den Preis von 500 Millionen Euro die Mehrheitsbeteiligung des finnischen Konzerns Fortum, in dessen Aufsichtsrat der deutsche FDP-Politiker Philipp Rösler sitzt.

Aber auch das sind noch nicht die vollen Kosten, die dem deutschen Steuerzahler aus der Laienhaftigkeit und Utopieverliebtheit – man könnte im wahrsten Sinne des Wortes auch sagen: Weltfremdheit – deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik erwachsen. Denn zudem muss die Bundesregierung 4 Milliarden Euro von Fortum ablösen, die der Mutterkonzern Uniper als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung gestellt hat. Außerdem ist eine Garantielinie in der Höhe weiterer vier Milliarden Euro abzulösen; summa summarum 16 Milliarden und 500 Millionen kostet den deutschen Steuerzahler Habecks Schnäppchen. Doch das dürfte nicht alles sein, denn die Kreditlinie der KfW umfasst nicht 8, sondern 11 Milliarden Euro.

Im Raum steht eine Summe von 30 Milliarden Euro, der vom Wirtschaftsminister in seiner Pressekonferenz heute Morgen nicht widersprochen worden ist. In der Pressekonferenz versuchte Habeck, den Deal mit Fortum noch als glänzendes Geschäft der Bundesregierung darzustellen, denn er stellt die Milchmädchenrechnung auf, dass Fortum eine Investition von 8 Milliarden Euro für knapp 500 Millionen Euro verkaufen würde. Der Bundeswirtschaftsminister vermied es dabei, sowohl Fortums 8 Milliarden gegen die 30 Milliarden des Bundes und gegen die sich täglich im dreistelligen Bereich generierenden Folgekosten zu stellen. Allerdings verhedderte er sich mehrmals in der Pressekonferenz, wenn er beispielsweise den Anteil von Fortum an Uniper, den Deutschland übernimmt, mit 6 Prozent statt mit 77,96 Prozent angibt und wenn er tatsächlich sagt: „Damit gehört Fortum dem deutschen Staat“, wo doch Uniper und nicht Fortum verstaatlicht wird.

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Klar ist jedenfalls, dass durch Habecks Wirtschafts- und Baerbocks Außenpolitik Uniper täglich Verluste in einem dreistelligen Millionenbereich einfährt – gestern, heute, morgen. Es wird auch nach der Verstaatlichung nicht aufhören, denn durch Nord Stream 1 strömt kein Erdgas mehr aus Russland und Alternativen befinden sich derzeit noch im Phantasiebereich des zuständigen Ministers. Das kommt eben dabei heraus, wenn man keine interessengeleitete, sondern eine wertebasierte Außenpolitik macht und wenn man Wirtschaftspolitik von der Mission her denkt.

Allerdings müssen der Verstaatlichung sowohl die EU-Kommission zustimmen – was sie tun wird, denn der Deal ist auch für von der Leyens Kommission von Vorteil – als auch die Uniper-Hauptversammlung, die noch im vierten Quartal stattfinden soll. Trotz dieser Verstaatlichung, wie ich gestern bereits prophezeit habe, will Habeck an der Gas-Umlage festhalten, denn aus Sicht Habecks ist der deutsche Bürger weiter zu schröpfen. Schließlich stelle die Gas-Umlage, die man in jeder Beziehung Habeck-Umlage nennen darf, eine Brücke zur Verstaatlichung Unipers dar, eine Brücke, um die „Finanzsolidität von Uniper sicherzustellen“.

Habecks fatale Fehler muss der deutsche Gaskunde bezahlen, und wenn der darüber zu Grunde geht. Dabei ist Habecks Umgang mit seiner Umlage politische Hütchenspielerei, denn die verfassungsrechtlichen Bedenken schiebt Habeck auf die lange Bank. Das Prozedere der Verstaatlichung von Uniper wird mindestens drei Monate in Anspruch nehmen und in diesen mindestens drei Monaten sollen die deutschen Gaskunden die Habeck-Umlage blechen. Auf der Pressekonferenz rutschte Habeck der entlarvende Satz heraus, dass man eine Alternative zur Habeck-Umlage finden werde, denn die Habeck-Umlage ist keine Abgabe, die der Staat nimmt, „noch nicht“.

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Sollte sich nach der auch juristisch abgeschlossenen Übernahme herausstellen, dass die Habeck-Umlage nicht verfassungskonform ist, weil eine Umlage, die für ein Staatsunternehmen gezahlt wird, keine Umlage, sondern eine Steuer ist, wird man sich etwas Neues einfallen lassen, um die Bürger weiterhin die Folgen der eigenen verfehlten Politik bezahlen zu lassen. Im Übrigen muss man sich nicht mit der technischen Abwicklung der Übernahme von Uniper beeilen, denn die Habeck-Umlage fließt – und deutsches Steuergeld obendrein. Habeck verkündete voller Stolz, dass man bei der Gas-Umlage einen rechtssicheren Weg gefunden habe, um „Trittbrettfahrer vom Trittbrett zu schubsen“. Der Mann hat Humor, denn der größte und einzige Trittbrettfahrer ist Robert Habecks Ampelstaat.

Das Manager Magazin schrieb am 9. September 2022 unter der Überschrift „Es ist eine Katastrophe – was Topmanager von Robert Habeck halten“: „Zwischen Wirtschaft und Wirtschaftsminister ist die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Unternehmenschefs erleben eine Spitzenbehörde, die mit einer Mischung aus Arroganz und Unkenntnis durch den Wirtschaftskrieg stolpert.“

Habecks grüne Gefolgschaft flutet derweil Twitter unter dem Hashtag #DankeRobert mit nordkoreanisch anmutenden Ergebenheitsadressen. So schrieb die Bundestagsabgeordnete Zoe Mayer: „#DankeRobert trendet auf Twitter. Zurecht, denn er ist einer der besten Politiker*innen unserer Zeit. Dass so viele rechte Trolle diesen Hashtag negativ kommentieren, sehe ich als starke Bestätigung dieser These.“

Kritiker, genauer gesagt Realisten, gelten den Grünen inzwischen als „rechte Trolle“ – tiefer kann man nicht in Verschwörungstheorien abgleiten. Selbst grüne Hobbypoeten können in ihrer Habeck-Verehrung kaum noch die Reime halten, mögen sie auch noch so schlecht sein:

„Die Gasspeicher, sie sind fast voll,
#noAfD findets nicht toll,
die Braunen hoffen, dass wir frieren,
möchten instrumentalisieren,
„Wutwinter“ ist ihr feuchter Traum,
darauf die Rechten eifrig baun!
Doch ihn zu haben, das stimmt froh:
#DankeRobert, weiter so!“

Grüne Dichtkunst trifft grüne Wirtschaftskunst.

Doch wofür dankt das neue grüne Volk dem großen Staatenlenker Robert Habeck in solcher Emphase? Dafür, dass „Dank Wirtschaftsminister Robert Habeck und dank der Handlungsfähigkeit dieser Regierung … Deutschland endlich unabhängig von russischem Gas“ ist. In Riga hatte die Außenministerin im Frühjahr verkündet, dass man so schnell wie möglich kein Erdgas und kein Erdöl mehr aus Russland importieren möchte. Seitdem ist kaum ein Tag vergangen, an dem nicht Annalena Baerbock, Robert Habeck oder einer ihrer Gefolgsleute in Partei und Medien diese Forderung nicht kraftmeiernd wiederholt und in die Welt hinausposaunt haben. Putin hat geschwiegen und die Vorbereitungen dafür getroffen, das Erdgas nach China umzuleiten.

In der vorigen Woche hat der Bundeswirtschaftsminister, dessen Logo inzwischen die Abrissbirne sein dürfte, mit der de facto Enteignung von Rosneft Deutschland dafür gesorgt, dass vermutlich bald auch kein russisches Erdöl mehr in Schwedt ankommt; Ersatz ist weder gesichert, noch in Sicht. Habeck nutzt die letzten Sommertage zum Märchenerzählen – nur, dass sich Habecks Sommermärchen für die Deutschen sehr kalt anfühlen wird. Die deprimierende Wahrheit lautet: Deutschland ist unabhängig vom russischen Erdgas, weil Deutschland kein russisches Erdgas mehr bekommt, und es wird bald auch unabhängig vom russischen Erdöl sein, weil Deutschland kein russisches Erdöl mehr bekommen wird.

Habeck, der Schwimmer, der nie untergeht
Nur noch warmes Wetter kann Deutschland über den Winter retten, gesteht Wirtschaftsminister Habeck
Aber mit ein bisschen Glück mit dem Wetter und mit fanatischem Energiesparen, wie Habeck meint, und unter kräftiger Benutzung des Waschlappens, wie Kretschmann aus Stuttgart hochdeutschfern in die Republik ruft, werden wir irgendwie über den Winter kommen. Das Fahrrad wird das Auto ersetzen, alle grünen Träume gehen in Erfüllung.

Auf der gemeinsamen Pressekonferenz zur Rosneft-Entscheidung von Olaf Scholz, Robert Habeck und Dietmar Woidke hatte der Bundeskanzler in der vorigen Woche verkündet: „Die Hängepartie ist zu Ende.“ Er hätte auch sagen können: „Die Hängepartie ist zu Ende. Deutschland befindet sich im freien Fall.“ Bei aller gerechtfertigten Verurteilung der russischen Kriegspolitik und des Vorgehens von Wladimir Putin enthebt das auch den Bundeskanzler nicht, bei der Wahrheit zu bleiben, im Gegenteil. Nicht Russland ist, wie Olaf Scholz behauptet, kein zuverlässiger Partner mehr. De facto hatte es bisher noch keine Lieferausfälle von russischem Erdöl gegeben, das mag der Bundeskanzler vielleicht nicht mehr zu erinnern. Im Grunde erweist sich Deutschland in diesem Fall als unzuverlässiger Partner.

Robert Habeck mag sich am Erfolg seiner Politik begeistern – und Medien und Partei mit ihm –, doch nicht nur die privaten Haushalte leiden, sondern die Wirtschaft rutscht in eine tiefe Rezession. Sie wird sich nicht, wie Habeck glauben mag – weil er denkt, man kann die Wirtschaft per Schalter ein- und ausschalten wie eine Energiesparlampe – schnell erholen. Die Unternehmen, die insolvent sind, haben nicht vorübergehend die Arbeit eingestellt, sondern sie existieren schlicht und ergreifend nicht mehr, und diejenigen, die ihre Produktion ins Ausland verlagern, werden nicht mehr zurückkehren. Die sind dann mal weg – und zwar für lange Zeit, wenn nicht für immer. Die Stahlbranche hat um rund 5 Prozent, die Chemiebranche um 8 Prozent die Produktion heruntergefahren, die für unsere Ernährung wichtige Düngemittelindustrie gar um 70 Prozent heruntergefahren oder stillgelegt. Was das für unsere Ernährung bedeutet, weiß außer dem balkonplantagenbetreibenden Landwirtschaftsminister jeder.

Oliver Falck, Leiter des Ifo-Zentrums für Industrieökonomik sagte dem Handelsblatt: „Bleiben die Energiepreise langfristig so hoch wie derzeit, kann das dazu führen, dass sich einige Industrien aus Deutschland verabschieden.“ Das würde energieintensive Unternehmen aus der Metallbranche, der Chemieindustrie, aber auch Grundstoffindustrien wie Öl, Glas, Keramik und Papier betreffen. So hat der Stahlhersteller Arcelor-Mittal zwei Anlagen bis auf Weiteres stillgelegt und einige mittelständische Gießereien haben nicht nur aufgehört zu arbeiten, sondern bereits Insolvenz angemeldet. Falck kommt zu dem wichtigen Schluss, dass die deutsche Industrie vorher bereits unter Wettbewerbsnachteilen zu leiden hatte, doch „die aktuelle Krise“ habe diesen Vorgang nur „beschleunigt.“

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Ein Haupttreiber dieser Wettbewerbsnachteile besteht in den zu hohen Energiepreisen aufgrund der Energiewende, die von den Grünen noch schneller und noch konsequenter vorangetrieben wird. Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer vom WSM – Wirtschaftsverband Stahl warnte: „Wir stecken in einer handfesten Industriekrise.“ Allein im Juli ginge das Auftragsvolumen um 14,1 Prozent zurück. Er kommt zu dem Fazit: „Die Unternehmen drosseln ihre Produktion – täglich verlieren wir Wertschöpfung, die nicht zurückkommen wird.“ Wo es Verlierer gibt, gibt es auch Gewinner. An der hausgemachten deutschen Krise profitieren – Ironie des Schicksals – Ungarn und die Türkei.

Und während die Inflation in Deutschland galoppiert, die Menschen einen existenzgefährdenden Preisschock nach dem anderen erleben, scheint sich das Jahr 2015 zu wiederholen. Von der Bundesregierung bisher gewollt kommt es zu einer verstärkten Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme. Bayern und Sachsen informierten das Innenministerium, dass sie den Ansturm von Migranten nicht mehr bewältigen können. Städte und Gemeinden fordern einen Migrationsgipfel mit der Bundesregierung, doch die Innenministerin hat anscheinend alle Hände voll zu tun, um sich darauf vorzubereiten, dass sich Bürger erfrechen könnten, im Herbst ihre grundgesetzlich garantierten Bürgerrechte auszuüben.

Wenn jetzt die FDP nicht die Regierung verlässt, wenn jetzt die CDU nicht von der Operettenbühne springt und mit einer klaren, bürgerlichen Oppositionspolitik beginnt, dann wird die Opposition auf der Straße stattfinden.

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