Tichys Einblick
Ein Selbstversorgungsladen am Ende

SPD: „Solidarität“ bis in den Abgrund

Das Wort „Solidarität“ nehmen innerhalb der SPD nur die für sich selbst in Anspruch, die ganz oben dirigieren. Mit einer hart arbeitenden Bevölkerung haben diese Sozialdemokraten nichts mehr zu tun. Die meisten wissen gar nicht, was arbeiten heißt und wie man Verantwortung trägt.

TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images

Gerade noch so hat Martin Schulz mit einer fadenscheinigen Erklärung den Absprung geschafft, nicht als Königinnenmörder zu gelten, sein geplanter Putsch war futsch. Und auch ein weiterer Linksaußen mit Matthias Miersch will Nahles nicht ablösen. Die Männer bei der SPD haben kein Format, nein, schlimmer, sie haben Angst, als Aussätzige zu gelten, sobald sie intern opponieren.

Einer, der nicht nur Medizin und Gesundheitsversorgung, sondern auch tüchtig austeilen kann, ist der Abgeordnete aus Leverkusen mit einer ausgeprägten Vorliebe für große Fliegen, Professor Doktor Karl Lauterbach (Spitzname „Klabauterbach“). Lauterbach sieht sich als eine Art moralischer Wächter in der Partei und im Netz, wo er auch hin und wieder naiv kindlich herumzwitschert. Der Professor mit der großen Fliege sieht sich auch als eine Art „Prätorianergarde“ mit anderen Sozen für den SPD-Bundesvorstand, um diesen stets zu schützen und zu stützen.

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Lauterbach ist auch bekannt für seine Vorträge und Warnungen mit dem Titel „Lebensqualität sichern, Feinstaub vermeiden“, doch innerhalb der SPD nimmt der gesundheitspolitisch belesene Wissenschaftler mit Bundestagsmandat nicht wahr, wie sich die Sozialdemokratie bereits selbst pulverisiert und zerbröselt. Pure Feigheit wirft Lauterbach also den Kritikern vor, die nur über die Presse gehen, aber dann doch nicht kandidieren würden. Und er selbst? Bleibt stets gern im Windschatten einer Nahles und Entourage.

Kevin Kühnert vielleicht? Hört sich bereits wie die Altvorderen an, und bei der Wahl zum Bundesvorstand trommelte er für Andrea Nahles statt für die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange. Das war mal so richtig feige, denn die Bürgermeisterin Lange, die immer noch eine große Anhängerschaft hat, stand definitiv nicht für eine GroKo. Wie weit wird er selbst als mögliche Führungsperson wahrgenommen? Haben geäußerte Sympathien für Enteignungen im Fall von Wohnungsmangel da noch mal einen Schub gegeben?

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Oder hat Kühnert sich eher selbst verbrannt, nicht zuletzt auch mit seinen Sozialismus-Phantasien. Denn innerhalb Deutschlands, in der rational tickenden Bürgerschaft frei von jeder Ideologie, findet sich keine Mehrheit für ultralinke Projekte. Und das macht die SPD umso ratloser. Immer nur als Juniorpartner wahrgenommen zu werden, strengt an. Denn vom Naturell her blasen sich die Vorsitzende, Minister und Abgeordete, alle Funktionäre der SPD gerne auf.

Die Bürger und viele Mitglieder merken aber auch, immer nur den Kampf gegen die Nationalsozialisten (Nazis und Faschisten) zu beschwören, kommt nicht gut an, und ist zu wenig. (Denn, die Mehrzahl der Bürger trägt natürlich selbst Verantwortung für ein „Nie wieder“, nur dazu braucht es keine Sozialdemokraten, die auf dem anderen Auge des Islamismus und linken Terrors, blind sind.)

Zurück zur SPD und der Vertrauensfrage von Andrea Nahles. Es wurde glaubhaft kolportiert, dass Nahles weder bei den Seeheimern, den Netzwerkern, noch den Linken (DL21), Rückhalt bekommen würde. Geheime Abstimmungen hätten vernichtende Resultate zu Tage befördert.

Nahles will es wohl dennoch wissen. Und man glaubt schon, dass die Wahl zum neuen Fraktionsvorstand, die Nahles selbst vorgezogen hat, an Peinlichkeit nicht mehr zu übertreffen sein wird. Für einen Rücktritt hätte Nahles bereits nach den vergangenen Landtagswahlen allen Grund gehabt. Doch bei den Sozialdemokraten haben so einige „Pattex“ am Stuhl.

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Kühnert, Lauterbach und Generalsekretär Lars Klingbeil meinten unisono, sowie bei Maybrit Illner auch die einst so als Polittalent gepriesene und ehemalige Juso-Vorsitzende, Johanna Uekermann: „Wir alle wissen doch, dass Personaldiskussionen nichts bringen, es muss um eine Neuausrichtung und um Projekte gehen“, die sie besetzen wollten. Dass man einfach die „Fridays-for-Future“-Bewegung lange vernachlässigt habe, sage doch alles, so Kühnert. Man schielt nach neuen Wählerschichten, jedoch mit fremden Themen. Oder wie neulich mit Lars Klingbeil, als sich beide mit einem Video an den Youtuber Rezo anbiederten, „Wir haben verstanden“, und man akzeptiere Youtube als Plattform des Austauschs – eine einzige Dokumentation der Hilf- und Planlosigkeit der einstigen Arbeiterpartei.

Nein, mit normalen Menschen, mit einer hart arbeitenden Bevölkerung, haben diese Sozialdemokraten nichts mehr zu tun. Sie meisten wissen gar nicht, was arbeiten heißt und wie man Verantwortung trägt.

Man darf nämlich intern nicht kritisieren. Bei der SPD zählt der Personenkult, weil nach Hierarchien auch belohnt wird. Selbst bei den größten Niederlagen. Egal, ob Heiko Maas, (drei Mal im Saarland gescheitert), oder Nils Schmid in Baden-Württemberg (mit einer krachend-historischen SPD-Niederlage), allesamt erfahren sie Upgrade.

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Eine Formel lautet, und die kennt ein suspektes SPD-Mitglied und dazu noch Bundestagsabgeordneter wie Johannes Kahrs aus dem effeff: In der Krise stehen „Sozialdemokraten solidarisch zusammen“. Diese Formel könnte auch besagen, dass, egal, was einer verbockt oder verbrochen, welche Wahlen er auch versemmelt hat, die Kritik darf nie gegen die Person gehen. So, so, sagt sich der Beobachter.

Die gelernter Kommissarin und nun Bürgermeisterin von Flensburg, Simone Lange, wäre eine wirklich glaubwürdige Person, eine, die nah bei und an den Menschen ist, die auch weiß, was auf den Straßen Deutschlands los ist. Noch war Simone Lange in gar keiner Krise, auch hat sie nichts verbrochen und noch keine Wahl eklatant verloren. Eine der wenigen Dinge, die derzeit sicher sind in dieser SPD: der soziale Druck intern ist immens, das können sie, die Genossen, Druck aufbauen, gegenüber jedem Reformer.

Solidarität erfuhr Simone Lange leider nur von ihren Fans und Mitstreitern.

In engen Zirkeln, und auch bei Treffen in den Ortsvereinen der Provinz, äußerten sich Mandatsträger aus Berlin aber eher so (dies erlebte der Autor selbst mit, als die GroKo gesichert und Nahles bestätigt werden sollte): „Natürlich müsse Andrea (Nahles) die Wahl intern zur Vorsitzenden gewinnen …“; „Entschuldigung“, setzte der Bundestagsabgeordnete (aus dem Justiz- und Verbraucherministerium) weiter an, „Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht lächerlich machen mit diesen Bewerbern …“, und sprach im weiteren Simone Lange und deren Vita die politischen Erfahrungen ab – immerhin ist diese ausgebildete Kriminalbeamtin(!) und lange Jahre in diesem Beruf tätig, zudem jetzige Oberbürgermeisterin von Flensburg. An diesem Abend damals ahnten viele: die SPD bewegt sich in anderen Sphären, nur nicht mehr in denen der breiten Zustimmung der Wähler.

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Befreites Aufatmen: Endlich diese SPD verlassen
Das Wort „Solidarität“ nehmen innerhalb der SPD nämlich nur die für sich selbst in Anspruch, die ganz oben dirigieren und delegieren. Nein, mit dieser Art von falscher Solidarität kann man eine ganze Institution, in dem Fall: eine ganze Partei in den Abgrund stürzen, weil Korrekturen einfach süffisant weggedrückt und vernachlässigt wurden. Hinzu kommt, dass alle Events und Debatten-Camps, die hip und stylish rüberkommen sollten, genau das sind: gescheitert. Die Erkenntnisse? Gleich null.

Oder wie ein älteres schwäbischen Mütterchen auf dem Wochenmarkt meinte, nach der herben Wahlniederlage in Baden-Württemberg, „die SPD verkommt zu einem Selbstversorgungsladen …“, damals wurde der SPD-Vorsitzende Nils Schmid sogar mit einem aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl belohnt. Heute sitzt der erfolglose Schwabe gut gepolstert in der SPD-nahen Friedrich Ebert Stiftung in Berlin, und ist mit dieser Art „Karriere“ wahrlich nicht allein.


Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist, ist seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig. Deriu war fünf Jahre lang SPD-Mitglied.