Tichys Einblick
So wird das nichts:

Söder als Merkel 2.0?

Es steht nicht gut um die Aussichten von CDU/CSU. Egal wie sich Laschet und Söder arrangieren, es wird ein brüchiges Arrangement. So bleibt am Ende nicht ausgeschlossen, dass CDU/CSU auf den Oppositionsbänken landen. Dann aber wohl nicht mit einem Oppositionsführer Söder.

picture alliance/dpa/dpa-POOL | Peter Kneffel

Will Markus Söder (CSU, 54) Kanzler werden? Wir wissen es nicht. Vielleicht weiß er es selbst noch nicht. Aber wir nehmen an, dass er es werden will, falls die Union nicht noch weiter abstürzt, im Herbst 2021 wenigstens die stärkste Partei wird und es mit 20 bis 25 Prozent „Grünen“ zu einer neuen Art „GroKo“ reicht.

Dann gäbe es in der Republik zum zweiten Mal einen Franken, also wieder keinen waschechten Altbayern, als Bundeskanzler. Zum zweiten Mal? Ja, von 1963 bis 1966 war der Franke, in Fürth/Mittelfranken geborene, Ludwig Erhard Bundeskanzler, wenn auch auf dem Ticket der CDU. Erhard hatte im I. Weltkrieg übrigens in der Bayerischen Armee gedient, nach dem Kriegsende 1945 war er für ein knappes Jahr gar bayerischer Wirtschaftsminister, ehe er 1949 für die CDU Ulm in den Bundestag einzog. Wir sehen auch davon von ab, dass die Pfalz, aus der Helmut Kohl stammt, bis 1946, also bis zur Bildung des Landes Rheinland-Pfalz, staatsrechtlich zu Bayern gehörte.

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Zwei CSU-Altbayern hätten das Kanzleramt dennoch beinahe geschafft. Franz Josef Strauß, der zuvor Ernst Albrecht als Kandidat der Union ausgebootet hatte, scheiterte 1980 mit 44,5 Prozent für CDU/CSU an seinen Kanzlerambitionen, weil die FDP zu diesem Zeitpunkt noch nicht „springen“ wollte. Das tat sie erst am 1. Oktober 1982 bei einem Konstruktiven Misstrauensvotum, mit dem Helmut Kohl anstelle von Helmut Schmidt ins Kanzleramt einzog. Basis dafür war das Ergebnis von 1980.

Der andere Altbayer, der knapp vor dem Kanzleramt gestoppt wurde, war Edmund Stoiber. 2002 hatte er sich als Kandidat der Union gegen Merkel durchgesetzt und bei der Wahl gegen Gerhard Schröder eine Art Patt erreicht: Beide kamen für ihre Parteien auf 38,5 Prozent. Weil die „Grünen“ aber die Nase knapp mit 8,6 vor der FDP (7,4 Prozent) hatten, reichte es für eine schwarz-gelbe Koalition nicht.

Söder mit schwacher Basis allein schon in Bayern

Nun also womöglich Söder. Aber es steht nicht gut um seine Aussichten, allein schon der bayerischen Basis wegen, schlechter jedenfalls als für seine Vorgänger Strauß und Stoiber. Wir wollen die aktuellen Umfragen, die die CDU/CSU bei 25 bis 28 Prozent sehen, nicht überbewerten. Ein festes Fundament sind diese Zahlen jedenfalls nicht. Söder hat auch in Bayern selbst noch keinen großen Reibach bei Wahlen gemacht. Bei den bayerischen Landtagswahlen vom Oktober 2018 fuhr er für die CSU, zu diesem Zeitpunkt bereits ein halbes Jahr Ministerpräsident, nur 37,2 und damit ein Minus von 10,5 Prozent gegenüber 2013 ein. Er musste in eine Koalition mit den Freien Wählern (FW). Um wieviel stärker war da allein schon die bayerische Basis für Strauß und Stoiber gewesen: Strauß hatte bei den bayerischen Landtagswahlen 1978 und 1982 59 bzw. 58 Prozent eingefahren; Stoiber bei den Landtagswahlen 1994, 1998 und 2003 zweimal fast 53 Prozent und zuletzt 60,7 Prozent eingefahren. Das sind auch mit Blick auf eine Kanzlerschaft die Messlatten – Wählerwanderungen und Milieuveränderungen hin oder her. Immerhin stellt der bayerische Wähler rund ein Sechstel aller bundesdeutschen Wahlberechtigten.

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Aber was tut Söder, wenn er denn ernsthaft Ambitionen auf das Kanzleramt hat? Er laviert. Plötzlich steht er in Nibelungentreue wie ein Klon zu Angela Merkel, die die CDU an die Wand gefahren und die Gesellschaft immer wieder gespalten hat. Plötzlich imitiert er deren autokratischen Habitus. Plötzlich liebäugelt er mit den Grünen. Plötzlich watscht er den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet ab und wirft ihm ein „seltsames Signal“ vor, mit dem „der CDU-Vorsitzende mit der Kanzlerin streitet.“ Plötzlich ist er, der selbsternannte Ziehenkel von Strauß, der „Freistaatler“ und Zentralismushüter, bereit, dem Bund zu Lasten der Länder mehr Durchgriffsrechte zuzugestehen.
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Was will er damit übertuschen? Dass er im eigenen Freistaat wählerarithmetisch weit von seinen Vorgängern, auch seinem innerparteilichen Intimfeind Seehofer entfernt ist? Dass er ein paar Abgeordneten-„Leichen“ im Keller hat? Dass eine der größten Schwachstellen des Bundeskabinetts sein Parteikollege Andreas Scheuer ist? Dass sich in Bayern für den Fall von Söders Weggang nach Berlin als bayerischer Ministerpräsident eigentlich niemand aufdrängt, allenfalls als Übergangsmann der 65-jährige Joachim Herrmann? Dass sich kaum starke Figuren anbieten, die mit ihm als Bundesminister ins Bundeskabinett einziehen könnten?

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Söder ist unberechenbar. Da hat sein Vorgänger an der CSU-Spitze und in der Staatskanzlei Seehofer wohl nicht ganz Unrecht. Bei einer Weihnachtsfeier charakterisierte er Söder – in dessen Abwesenheit – 2012 wie folgt: „von Ehrgeiz zerfressen“, mit „charakterlichen Schwächen“, gerne bereit zu „Schmutzeleien“.

Es steht jedenfalls nicht gut um die Aussichten von CDU/CSU für die Bundestagswahl 2021. Egal wie sich Laschet und Söder arrangieren werden, es wird ein brüchiges Arrangement bleiben. So bleibt am Ende nicht ganz ausgeschlossen, dass CDU/CSU auf den Oppositionsbänken landen. Dann aber wohl nicht mit einem Oppositionsführer Söder.

Und die Freien Wähler?

Im Windschatten Söders könnte sich vielleicht eine andere interessante Entwicklung ergeben. Es geht um die Freien Wähler (FW). Diese stellen mit ihren bei der Landtagswahl von 2018 erzielten 11,6 Prozent den Koalitionspartner der CSU. Und sie stellen in Bayern ein Heer an Bürgermeistern und Landräten. Dem Vernehmen nach wollen sie unbedingt für den Bundestag kandidieren. Das hatten sie bereits 2013 und 2017 getan, waren aber mit jeweils 1,0 Prozent hängengeblieben. Ein wenig Boden haben sie seitdem gutgemacht, sie sind jetzt immerhin auch in den Landtagen von Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz vertreten.

Nur ein Gedankenexperiment: Die Freien Wähler stehen in Bayern total im Schatten Söders, sie müssen Söders (und Merkels) Schmusen mit den „Grünen“, Söders (wie Merkels) Lockdown-Ansagen und deren Ansage zugunsten von mehr Zentralismus über sich ergehen lassen. Warum riskieren sie nicht den Bruch, um sich als bürgerlich-konservative Alternative auch im Bund zu präsentieren? Dann wären die 5,0 Prozent womöglich erreichbar. Und in Bayern bei den nächsten Landtagswahlen von 2023 die 20 Prozent. Conclusio: Wenn CDU und CSU nicht mehr bürgerlich sein wollen, dann muss es für dieses Milieu neue Kräfte geben.

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