Tichys Einblick
Rückzug in die eigene Blase

Robert Habeck steht in der Tradition der Reaktionäre des 19. Jahrhunderts

Kaum sind die Grünen an der Macht, zeigen sie ihre Verachtung für das Parlament, für die Freiheit und ihre Liebe zu autoritären und reaktionären Positionen.Die Freiheit, von der Robert Habeck spricht, ist historisch bekannt als Abschaffung der Freiheit.

IMAGO / Daniel Kubirski

Robert Habeck begibt sich auf eine Sommerreise tief in die eigene Blase, um nicht mit Leuten diskutieren zu müssen, die anderer Meinung sind. Das wissen auch die öffentlich finanzierten, grünen Sender deshalb werden grüne Politiker in ihren Sendungen nicht mit Menschen konfrontiert, die wirklich anderer Meinung sind. Das hat auch Habecks-Skandalministerium, das haben auch Habecks Mitarbeiter verinnerlicht. Deshalb wurde peinlich darauf achtgegeben, dass Habeck auf seiner Sommerreise niemandem begegnet, der eben eine andere Meinung vertritt.

Aus Mangel an Argumenten zieht sich Habeck tief in seine Blase zurück, denn jenseits der Blase lauern ja nur die Freunde der Freiheit, die Kritiker des Obrigkeitsstaates. Die Frechen, die Bösen, die Kritiker. Dass ihm bei Bosch, denen Habeck mal locker 161 Millionen Euro aus dem Steuersäckel für ein fragwürdiges Wasserstoffprojekt spendiert, nicht einmal nachdenkliche, wenn schon keine kritischen Fragen gestellt werden, sondern eitel Klimakrisensonnenstein herrscht, erstaunt wohl niemanden. Für Habecks Utopien opfern die Witwen gern ihre Renten.

Das Publikum im Karlstorbahnhof, einem Heidelberger Kulturzentrum, wurde wohl schon vorher ausgewählt, damit auch niemand zum Bürgerdialog erscheint, der in Habecks klimaneutraler Gesellschaft kein Bürger mehr sein soll. Grünes juste milieu, die Leuchten der Grünen Jugend und noch ein paar Leute, die die Spiegellungen ihrer Blase mit der Welt verwechseln. Wie hoch die Bildungsmisere ist, wird schon in der ersten Frage deutlich, die ein Physikstudent und Mitglied der Grünen Jugend, was an sich schon ein Widerspruch in sich ist, Naturwissenshaften und Grüne Ideologie passen nicht zusammen, stellt: „Wie können wir Menschen vom Klimaschutz überzeugen, die nicht nach Fakten, sondern nach Emotionen wählen gehen?“ Was für eine dümmliche Phrase. Wissenschaft beginnt mit Zweifeln, mit Gewissheiten beginnen Ideologien. Dass der Physikstudent Emotionen nicht von Fakten unterscheiden kann, sie im Grunde verwechselt, zeigt, was grundsätzlich in den deutschen Schulen falsch läuft, die Ersetzung von Bildung durch blinden und sich blindmachenden Glauben. Wenn Habeck entgegnet, dass es nicht reiche „nur auf die reine Wissenschaft, auf die Zahlen, auf die Fakten zu schauen“, hätte ein kritisches Publikum ihm entgegengehalten, dass es schon recht gut wäre, wen er wenigstes einmal „auf die reine Wissenschaft, auf die Zahlen, auf die Fakten“ schauen würde.

Laufend Katastrophen- und Panikmeldungen
Klima der Angst
So ist es für Habeck wichtig, dass der Wohlstand besser verteilt wird, eben nicht dass Wohlstand erst einmal erwirtschaftet werden muss. In der DDR spottete manch kritischer Geist, dass der Sozialismus der Klassenkompromiss auf der Basis des Eintopfes sei. Eintopf ist nahrhaft, schlimm nur, wenn man ein Schnitzel möchte. Doch im Gegensatz zu den Pieck, Ulbricht und Honecker wird Habeck nicht einmal den Eintopf sichern können. Unter diesen Voraussetzungen ist es nur natürlich, dass Habeck den Wohlstandsbegriff immer neu definieren will, weil er ihn herunter schrauben muss, schließlich ginge es ihm darum, dass wir nicht „durch den Reichtum, den wir jetzt erwirtschaften, die Wohlstandschancen künftiger Generationen komplett ruinieren“. Mit dem Kommunismus war es so, wie mit der Inschrift an der Kneipe: „Morgen Freibier“ oder ins DDR-Losungs-Deutsch übersetzt: „So wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben.“ Das hat zwar nicht funktioniert, besaß jedoch eine gewisse Logik, doch bei Habeck und bei den Grünen heißt es: um so weniger wir heute arbeiten, um so besser werden wir morgen leben. Wer heute Wohlstand erwirtschaftet, schmälert den Wohlstand künftiger Generationen. Man kann diese Vorstellung auch Steinzeitkommunismus oder im besseren Marketinggewand: klimaneutrale Gesellschaft nennen.

Doch wirtschaftliche Unfreiheit, schwindender Wohlstand, Verelendung bei gleichzeitigem Machterhalt funktionieren nur bei gleichzeitiger politischer Unfreiheit. Propaganda statt Produktion.

In Heidelberg, unter den seinen jedenfalls, scheint Robert Habeck nichts suspekter zu sein als die Freiheit. Was er selber sagt, ist ärger, als das, was man ihm unterstellen kann: „Der Grund des Erstarkens des rechten Populismus ist nicht, dass man sich den Obrigkeitsstaat, den starken Führer, die Dominanz von ,Law and Order‘ wünscht, sondern das Gegenteil: in Ruhe gelassen zu werden.“

Werden die „rechten Populisten“, wird die AfD und werden andere nicht ständig als Nazis bezeichnet, wird nicht von den Grünen und den Linken nicht ständig das Ende der Demokratie und der wiederkehrende Faschismus als Schreckbild an die Wand gemalt? Kennzeichnet den deutschen Nationalsozialismus, den italienischen Faschismus, den russischen Stalinismus nicht das rigorose Führerprinzip, der Obrigkeitsstaat, der starken Führer, die Dominanz von Law and order im Sinne einer totalitären Macht?

Habeck behauptet: „Alles, was an Staatlichkeit auf einen zukommt, ist eine Gefährdung des eigenen Freiheitsempfindens.“ Kennt Habeck nicht einmal das Grundgesetz, ist ihm nicht bekannt, dass das Grundgesetz das Abwehrrecht des Bürgers gegen den Staat ist? Ist nicht der Kern demokratischer und bürgerlicher Vorstellung der Grundsatz, nicht von den Bedürfnissen der Bürokratie und der Herrschaft, sondern von der Freiheit des einzelnen, des Bürgers, die in den Rechten des Bürgers verbrieft sind, auszugehen? Im Umkehrschluss heißt das, dass die Gegner der rechten Populisten, dass die Grünen, dass Habeck für „den Obrigkeitsstaat, den starken Führer, die Dominanz von ,Law and Order‘“ sind.

Habeck behauptet, dass eine solcher „pervertierter Freiheitsbegriff“, der von der Freiheit des einzelnen ausgeht, dazu führe, dass keine Gesetze, keine öffentliche Sicherheit mehr existieren würden. Mit dieser Argumentation kommt Habeck ganz bei sich an, ganz bei dem Spießer, dem Philister, dem Reaktionär, der er in Wahrheit ist, denn genau das, was Habeck hier wiederholt, ist historisch nur allzu bekannt, ist die bejahrte Argumentation der Monarchisten, der Spießer, der Reaktionäre, sogar einiger Konservativer gegen die Freiheit. Man findet sie beim Fürsten Metternich, bei Wilhelm I., dem vormaligen Kartätschenprinz. In der Sitzung des preußischen Staatsministeriums im Berliner Stadtschloss am 8. März 1848 lehnte der Kartätschenprinz die Pressefreiheit mit der Begründung ab, dass die „Preßfreiheit“ „diese Preßfrechheit hervorbringt und“ dass, „das der Weg zur Republik ist.“

Was aus Habecks Mund kommt, ist der Geist der Karlsbader Beschlüsse, der Ungeist der Reaktionäre des 19. Jahrhunderts. Es ist erstaunlich, aber Habeck unterschiebt den „rechten Populisten“ die Positionen der Liberalen im Vormärz und in der 1848er Revolution, er prangert den Geist der Paulskirche an und bewegt sich selbst auf der Traditionslinie der Reaktion, der Gegner der Paulskirche, auf der Linie des Kartätschenprinzen Wilhelm Friedrich Ludwig von Preußen. Er spricht in reinster stalinistischer Diktion vom „pervertierten Freiheitsnarrativ“.

Eine Genealogie des Korporatismus
Der Staat ist alles, der Einzelne nichts
Freiheit beginnt hingegen damit, dass der Bürger vom Staat „in Ruhe gelassen“ wird, dass er das Recht besitzt, in Ruhe gelassen zu werden, dass die Kinder nicht in die HJ oder in die FDJ, dass die Bürger nicht in die DSF (Deutsch Sowjetische Freundschaft) oder in eine Partei oder in eine Gewerkschaft eintreten müssen.

Das ist der Sinn der Freiheit, dass der Bürger eine Privatperson ist, der sich Vermöge seiner freien Entscheidung engagiert, so viel er will und wann er will, und nicht dazu gezwungen werden darf, Sklave eines von bestimmten Leuten definierten Gemeinwohls zu werden.

Habeck formuliert klar und deutlich im totalitären Sinne: „Es geht um zweierlei Freiheitsverständnisse: eines, das sich isoliert, und eines, das weiß, dass Freiheit nur in einer funktionierenden Gesellschaft möglich ist. Das ist der Konflikt, der gerade ausgefochten wird.“

Damit hat Robert Habeck es auf den Punkt gebracht, worum es geht, es geht darum, die Freiheit zu verteidigen, gegen diejenigen die alles vergesellschaften und alles vergemeinschaften wollen.

Als wüssten wir nicht spätestens seit Büchners „Dantons Tod“, wohin die Schleifung der Freiheit des einzelnen zugunsten des Zwanges für alle in der Jakobinerdiktatur, in Lenins und Stalins Gulag-Diktatur, in den deutschen Diktaturen geführt hat. Die Marxisten banalisierten Hegels Freiheitsbegriff als Einsicht in die Notwendigkeit. Robert Habeck ist es gelungen, selbst diesen banalen Gedanken noch weiter auf den Satz zu banalisieren, wonach Freiheit die Einsicht in das ist, was Robert Habeck als Notwendigkeit definiert hat.

In einer anderen Diskussion meinte Habeck, dass der rechte Populismus beweisen will, dass die da oben es nicht hinbekämen. Nur, das ist nicht nur Teil eines normalen Diskurses in der Gesellschaft, es ist auch die Aufgabe der Opposition, die Regierung zu kritisieren. Und Kritik ist nicht das, was die Regierung zulässt oder der ÖRR praktiziert.

Kaum sind die Grünen an der Macht, zeigen sie ihre Verachtung für das Parlament, für die Freiheit und ihre Liebe zu autoritären und reaktionären Positionen.
Habeck hat Recht, wir werden um die Freiheit kämpfen müssen, die Leute wie Robert Habeck in Gehorsam verwandeln wollen. Sie verbarrikadieren sich in ihrer Blase und versuchen, die anderen aus dem Diskurs auszuschließen. Die Freiheit, von der Robert Habeck spricht, ist historisch bekannt als Abschaffung der Freiheit.