Tichys Einblick
Vom Handwerk des Blendens:

Robert Habeck als neuer Liebling der Konservativen

Einige konservative Autoren wollen beim Bundesenergiewendeminister jüngst bemerkt haben, dass er durch den Druck der Wirklichkeit einen „Wahnsinnsexpresskurs in Realpolitik“ gemacht habe. Warum man auf diesen Superlativ nicht allzu viel geben, sondern sich lieber kühl anschauen sollte, wie viel „Realpolitik“ Robert Habeck tatsächlich betreibt.

IMAGO / Metodi Popow

Robert Habeck wird immer mehr zum Star der Bundesregierung gemacht. Zugegeben, bei einem Bundeskanzler, der eher die Öffentlichkeit scheut und selbst dort, wo er vernünftig handelt, sich schlecht verkauft, und bei einem Kabinett, bei dem die Qualifikation für ein Ministeramt vom kompletten Fehlen der Qualifikation für das entsprechende Ministerium abhing, ist das auch nicht allzu schwer. Der Krieg hat zudem sein Ministerium in den Mittelpunkt gerückt, weil die Frage der Energie vordringlich ist. Ist die Verteidigung weniger wichtig? Schon bald wird sich auch die Frage der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln stellen, doch der zuständige Minister ist momentan vollauf mit Werbung für den Vegetarismus beschäftigt und will anscheinend nicht durch Realismus gestört werden.

Die Innenministerin hat sich in der Merkelzeit so sehr an den Kontrollverlust des Staates gewöhnt, dass sie über ihn hinwegschaut, und so Zeit findet, sich ihrer Obsession, dem Kampf gegen rechts, zu widmen, wobei rechts alles ist, was nur ein fingernagelbreit rechts von ihr denkt und meint. Und so wie bei den Karmeliten die Gewissensprüfung zum Tagesablauf gehört, könnte es sein, dass sie die Gesinnungsprüfung zu ihrer täglichen Pflicht erhob, um sich nicht eines Tages selbst der Rechtsabweichung beschuldigen zu müssen. Das geht im wahrsten Sinne des Wortes schneller, als man denkt.

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Aus dieser Tristesse scheint nun Robert Habeck herauszuragen. Doch bei Lichte besehen besteht kein Grund, den Primaklimaminister hymnisch zu loben, wie man das momentan sogar von konservativen Autoren erleben darf, als sei aus Saulus plötzlich Paulus geworden. Doch Saulus ist utopietrunken an Damaskus vorbeigeschrägelt, ohne das grelle Zeichen für die Umkehr in der Energiepolitik wahrzunehmen. Man muss schon sehr ideologiefest sein, um das zu übersehen.

Einige konservative Autoren, aber nicht nur sie, wollen jedoch beim Bundesenergiewendeminister bemerkt haben, dass er durch den Druck der Wirklichkeit einen „Wahnsinnsexpresskurs in Realpolitik“ gemacht habe. Doch man muss auf diesen leeren Superlativ nicht allzu viel geben, sondern sich lieber kühl anschauen, wie viel „Realpolitik“ Robert Habeck tatsächlich betreibt.

Der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen können sehr schnell dazu führen, dass in Deutschland die Lichter ausgehen, die Heizungen kalt werden, die LKWs und Autos stehen bleiben und auch die Fließbänder. Robert Habeck muss also, will die Regierung spätestens im nächsten Herbst und Winter nicht über den geballten, und zwar langsam, aber dennoch kräftig gewachsenen, Unmut der Bürger stürzen, Lösungen finden, zumindest so tun als ob. Im So-tun-als-ob hätte ihm höchstens Angela Merkel das Wasser reichen können. Schließlich kehrte er aus Katar mit guten Nachrichten zurück, die der Energieminister von Katar sogleich reduzierte.

Die Optionen sind allerdings überschaubar. Entweder man unterlässt jede Verschärfung von Sanktionen und versucht, mit Russland übereinzukommen. Oder man setzt auf Kohleverstromung und Kernenergie, beides als Mixtum, weil die Wiederinbetriebnahme von Atomkraftwerken nicht auf Knopfdruck funktioniert. Der dritte Weg besteht darin, alternative Möglichkeiten zum Bezug von Erdöl und Erdgas zu finden, aber auch das geht nicht von heute auf morgen. Weder kann Deutschland sofort im eigenen Land Erdgas fracken, noch sofort Erdgas aus der Nordsee gewinnen. Die Umweltbelastung beim Fracking ist übrigens ungleich höher als bei der Kohleverstromung.

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Konservative Autoren haben Robert Habeck dafür gelobt, dass er auf dem Rennrad nach Katar gestrampelt ist, um den dortigen Emir demütig zu bitten, einen Teil seines Erdgases fürderhin nach Deutschland zu liefern. Der will das eventuell auch gern tun, aber erst ab 2026, wie kürzlich sein Energieminister die FAZ wissen ließ. Nun wird zu Recht darauf hingewiesen, dass der Emir von Katar freundlich formuliert nicht „unumstritten“ ist. Vorgeworfen wird Katar, islamistischen Terror zu finanzieren. Markus Lanz konfrontierte jüngst in seiner Sendung Robert Habeck mit der Behauptung, dass Katar die Taliban und andere Terror-Organisationen unterstützen würde. „Wir reden über Leute, die mitmischen auf der dunklen Seite der Macht“.

Damit lieferte Lanz Robert Habeck eine Steilvorlage, um in seiner Lieblingsrolle zu glänzen, nämlich des moralgetriebenen Realisten, der sofort zu einer intellektuell überschaubaren, aber mit einer ordentlichen Prise Populismus überwürzten Philippka anhob: „Womit fahren eigentlich unsere Autos? Kann es sein, dass dort Öl aus Saudi-Arabien drin ist? Und wo ist eigentlich die Markus-Lanz-Sendung gewesen, wie verlogen wir sind, dass wir uns über Putin aufregen, aber mit saudischem Öl durch die Gegend gondeln?“ Allerdings stimmt auch die Umkehrung des Satzes: wie verlogen wir sind, dass wir uns über Putins Erdgas aufregen, aber von Katar Erdgas haben wollen.

Und dann holte Habeck zum großen und undifferenzierten Rundumschlag aus, wenn er den Deutschen vorwarf, bei Computer, Handys und Fleisch aus Massentierhaltung auch nicht an umweltfreundliche Produktion oder faire Entlohnung zu denken. Dass in der Aufzählung Batterien für E-Autos fehlen, ist natürlich kein Zufall. Ganz davon abgesehen, dass der sehr gut entlohnte Robert Habeck übersieht, dass viele Deutsche mit einer Entlohnung weit unterhalb seiner Gehaltsklasse ihr Leben bestreiten müssen, konnten die sich auch keinen Bonus für die erschwerten Arbeitsbedingungen aufgrund der Corona-Regelungen genehmigen. Es mag Robert Habeck auch nicht aufgefallen sein, dass nicht die Frage der Massentierhaltung zur Diskussion stand und auch nicht die nach den Anbietern für Fleisch, sondern das Problem der Energiesicherheit.

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Es ist schon erstaunlich, wie Journalisten Habeck mit dem banalen Trick durchkommen ließen, ein konkretes, sachliches Problem, in den Nebel einer so allgemeinen, wie wohlfeilen Moral zu tauchen, bis es nicht mehr zu sehen ist. Es geht im Übrigen auch nicht darum, ob Konsumenten, die ein Mettbrötchen essen, schon einmal in einem Schweinestall waren. Weil aber Robert Habeck glaubt, das es genau darum geht, ist nicht Bewunderung angesagt, sondern höchste Skepsis, ja sogar größte Befürchtungen. Denn der Energieminister ist mitnichten in der Realität angekommen, sondern im Gegenteil, er benutzt den Krieg kalt dazu, um sein dystopisches Programm von der Verspargelung Deutschlands, um die große Transformation voranzutreiben, die in Energieunsicherheit, Verarmung und De-Industralisierung führt.

Habeck sprach von Massentierhaltung und Schweinestall, aber weshalb schwieg er dann, wo die Grünen für jede Biene und für jeden Vogel Politik machen wollen, über die massenhafte Tötung von Vögeln und von Fluginsekten durch Windkraftanlagen? Wem ist er mit seinem Schweigen darüber verpflichtet? Oder gibt es zweierlei Recht, für Schweine eins und eins für Vögel?

Auf dem 8. Berlin Energy Transition Dialogue (BETD) vor ein paar Tagen formulierte Robert Habeck klar und deutlich: „Wir müssen mehr denn je für eine globale Energiewende werben und den globalen Ausbau Erneuerbarer Energien ebenso wie die Steigerung der Energieefizienz entschlossen vorantreiben … Wichtigster Schlüssel für Energie-Souveränität ist aber der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Er ist eine Frage der nationalen, europäischen und internationalen Sicherheit.“

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Man kann Habecks Strategie wie folgt zusammenfassen: Für die Öffentlichkeit versucht der Windparkminister, sich um Erdgas zu bemühen, weil die Erneuerbaren Energien im Hintergrund Gaskraftwerke benötigen, um die Energiesicherheit zu gewährleisten, doch in der Hauptsache setzt er auf Biegen und Brechen den totalen Ausbau der Erneuerbaren Energien durch. Er hat zu diesem Zweck bereits ein Osterpaket angekündigt, ein faules Osterei, wonach es jetzt schon riecht. Zum großen Erneuerbaren-Paket gehört die weitreichende Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). In diesem Gesetz will man die „Beschleunigung des Ausbaus, den Gewinn von neuen Flächen und zugleich den Schutz von Arten auf einer völlig neuen Grundlage regeln“. Für die Bienen und die Vögel ist das eine klare Kriegserklärung und das Aus für den Artenschutz. Geschützt sind unter den Grünen nur noch Produzenten Erneuerbarer Energien vor Bürgereinsprüchen, denn wie für eine Verbotspartei üblich, wird man die Freiheitsrechte der Bürger drastisch beschneiden, und statt Tieren stehen dann die Windparks unter Artenschutz.

Sollte es übrigens mit dem Erdgas nicht rechtzeitig klappen, kann natürlich Robert Habeck nichts dafür. Er hat sich doch bemüht. Er ist doch sogar nach Katar gefahren und ist über seinen Schatten gesprungen – nur leider war das nicht sein Schatten, über den er gesprungen ist.

Würde Habeck nicht sein dystopisches Programm der De-Industrialisierung und Verarmung mit größtmöglicher Energie vorantreiben, sondern wirklich etwas für das Land, das ihn bezahlt und mit dem er nach eigener Aussage nichts anzufangen weiß, für den Wohlstand seiner fleißigen Bürger und die Zukunft seiner Kinder unternehmen wollen, für sie und nicht für die Energiewendegewinner, dann würde er sich um Atomenergie, wie alle anderen Staaten um uns herum, und um die Kohleverstromung kümmern.