Tichys Einblick
RKI & Co. liegen verlässlich daneben

Wie Deutschland mit falschen Prognosen im Lockdown gehalten wird

Allein Prognosen und Eventualitäten halten Deutschland noch im Lockdown. Wolfgang Kubicki spricht davon, dass Angst ein Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen sei. Nach über einem Jahr ist es an der Zeit, das Drohkulissen-Karussell anzuhalten.

IMAGO / Steinach

Es waren regelrechte Horrorszenarien, die man den Bürgern im März präsentierte: Das Robert-Koch-Insitut prognostizierte für den April eine 7-Tage-Inzidenz von bis zu 350, sollte es keinen Lockdown geben. Kanzlerinnen-Berater Kai Nagel sprach sogar von 2000er-Inzidenzen – das wären 230.000 Fälle pro Tag und der totale Kollaps des Gesundheitssystems. Wer also keine Bergamo-Verhältnisse wollte, so das Motto, sollte sich schleunigst hinter Merkel und ihre Lockdown-Pläne stellen. Nagels absurdes Angst-Szenario wurde direkt von Karl Lauterbach aufgegriffen und verbreitet: Der SPD-Abgeordnete und Talkshow-Dauergast sprach von einer „massiven Zunahme der Covid-Toten und -Invaliden“.

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Nun haben wir Ende April. Von einer 350er-Inzidenz sind wir weit entfernt und die prophezeiten 230.000 Fälle pro Tag erscheinen als das, was sie sind: realitätsferne Panikmache.

Dass selbst Kai Nagel zugibt, dass diese 2000er-Inzidenz ein Worst-Case-Szenario war, unterstreicht das natürlich. Doch der Eindruck, der entsteht, ist fatal: Wenn Prognosen weniger wissenschaftlich fundiert und stattdessen eher erzieherisch wirken sollen, verliert die Wissenschaft in der Pandemie ihre Seriosität. Auch Bundestagsvize Wolfgang Kubicki erklärt gegenüber Bild: „Angst zu verbreiten scheint mittlerweile ein übliches Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen zu sein“. Das RKI müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, es sei „ein willfähriger Erfüllungsgehilfe der Bundesregierung, um die jeweils nächsten harten Maßnahmen quasi-wissenschaftlich zu begründen“.

Warum sich die Realität so von der Prognose entkoppelt hat, ist für den Anhänger der Lockdown-Politik aber natürlich leicht geklärt: Es war der Lockdown, der die Coronapokalpyse verhindert hat. Das RKI sagt, es „könnte mit der nachweisbar reduzierten Mobilität der Menschen über die Oster-Feiertage sowie die Osterferien mit Urlauben der Arbeitnehmer und geschlossenen Schulen sowie vermutlich auch mit einer Verhaltensanpassung der Bevölkerung zu tun haben.“ Könnte. Auf eventueller Basis lassen sich Grundrecht einschränken – vielleicht hilft’s ja was, schaden tut’s ja nicht?

Dass die Horrorszenarien der Merkel-Statistiker nicht eingetreten sind, räumt auch das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ ein. Trotzdem begründete man mit ihnen den härtesten Lockdown und damit die massivsten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Auf ihrer Basis relativierte man das Grundgesetz und versah die Verfassung mit Fußnoten – unveränderliche Grundrechte plötzlich unter Vorbehalt.

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  Medizinstatistiker Gerd Antes hält das allein schon fachlich für grob fahrlässig. Statistische Entwicklungen einfach fortzuschreiben sei „geradezu ein fachlicher Fehler“. Antes hält es Modellierungen und Prognosen für legitim. Sie zur Grundlage für politische Entscheidungen zu machen hält er jedoch „für grob fahrlässig“ sagte er gegenüber der Bild. Es sei ein chronischer Fehler der Modellbildung, einen Trend so stumpf fortzuschreiben, und aus wissenschaftlicher Sicht geradezu naiv.

Aber das Orakel des Schreckens geht immer weiter. Jetzt „könnte“ die indische Mutante ungeahnte Schrecken mit sich führen. Bevor die letzte Prognose sich als falsch herausstellen kann, haut man schon die nächste noch schrecklichere raus. So geht das seit einem Jahr – und wenn die Methode weiter funktioniert, womöglich auch noch ein weiteres Jahr.

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