Tichys Einblick
Wenn Afrika nach Deutschland kommt

Plötzlich ist Afrika G20-Thema

Warum kommen junge Afrikaner nach Europa? Hat der Westen daran schuld? Warum ist Afrika nicht konkurrenzfähig? Fragen über Fragen. Die Zukunft Afrikas wird aber vor allem von seiner Bevölkerungsentwicklung bestimmt.

Hamburg, 05. Juli 2017

© Sean Gallup/Getty Images

„Bis jetzt hab‘ auch ich oft gedacht: Syrien ist weit, Irak ist weit, Afghanistan ist weit …“, meinte Kanzlerin Merkel bei Anne Will in ihrer unnachahmlichen Art, von der man nicht weiß, ob sie tatsächlich so naiv ist, oder ob sie ganz raffiniert die Anderen für dumm verkauft. Letztlich ist es einerlei, solange die Medien mitspielen und Merkel höflich applaudieren. Afrika ist also nicht so weit, und es ist nicht weit her mit Afrika. Darauf können sich nun alle einigen.

Plötzlich ist Afrika G20-Thema

Aber nun hat es Merkel eilig. Afrika hatte schon immer Probleme. Aber plötzlich kommen die Probleme zu uns. Hunderte illegale Einwanderer und Kriegsflüchtline, die das Zauberwort „Asyl“ aussprechen, landen täglich in Italien, meist von NGOs im Mittelmeer eingesammelt, weit über 230.000 wahrscheinlich bis Jahresende. Die italienische Regierung droht, die Boote der NGOs nicht mehr an Land zu lassen und unterstellt Rettungs-NGOs illegale Zusammenarbeit mit kriminellen Schlepperbanden. Da machte Merkel Afrika zum Schwerpunktthema des G20-Gipfels.

Der Westen hat Libyen ins Chaos gestürzt und kämpft nun mit den Folgen

Früher stoppte Muammar al-Gaddafi Schlepperbanden gegen Barzahlung von Berlusconi. Aber Libyen, das in seiner kulturgemäßen Weise Wohlstand, Sicherheit und Stabilität in Nordafrika garantierte, wurde in naivster Weise mutwillig in die Luft gesprengt. Mit den 100.000en Toten und der entsprechenden Zahl von Flüchtlingen will der Westen natürlich nichts zu tun haben. Wer die Büchse der Pandora in der Hoffnung öffnet, nun würde das Gute in die Welt entweichen, hat sich von der Realität verabschiedet, ist aber im moralischen Westen Politiker oder Journalist.

Vor Innenminister-Treffen Deutschland, Frankreich, Italien
Steuert Europa auf eine neue Flüchtlingskrise zu?
Nachdem der demokratische Westen den libyschen Stammesführer in Grund und Boden gebombt hatte, erntet der Westen nun buchstäblich die Früchte seines Krieges. Zur Ehrenrettung Deutschlands sei gesagt, dass der damalige Außenminister Westerwelle gegen die „humanitäre“ Front der Mainstream-Medien eine Beteiligung an einer Militärintervention in Libyen ablehnte. Offensichtlich hatte er sich einen Sinn für Realität bewahrt, und sah die katastrophalen Folgen des „humanitären Krieges“ womöglich kommen. Algerien, Ägypten und Tunesien sind nicht bereit, fremde Staatsbürger aus Afrika zurückzunehmen. Und in Libyen hat Europa selbst die bösen Geister aus der Flasche gelassen, die nun nicht mehr einzufangen sind. Die Medien schweigen nun verschämt über ihr katastrophales Versagen.

Aber Merkel hat ja jetzt gelernt, dass Afrika näher ist, als sie dachte und flugs den südlichen Kontinent zum Schwerpunktthema des G20-Gipfels gemacht. Der Versammlung gehört mit Südafrika nur ein einziges afrikanisches Land an, das allerdings selbst massiv mit Gewalt, Korruption und Misswirtschaft zu kämpfen hat.

Die Bevölkerungsexplosion in Afrika

Im Jahre 1900 lebten in Afrika rund 130 Millionen Menschen, 2010 war es gut eine Milliarde. Nach der UNO-Bevölkerungsprognose werden es 2050 2,2 Milliarden und 2100 vier Milliarden sein.

Einige afrikanische Politiker plädieren inzwischen für ein Geburtenkontrollgesetz, denn Familienplanung findet in Afrika nicht statt. Und für westliche Politiker ist das wichtigste Problem Afrikas ein Tabuthema.

Vier von zehn Menschen auf der Erde werden am Ende des Jahrhunderts Afrikaner sein, gleichzeitig fällt der Anteil Afrikas am Welthandel. Die ersten Auswirkungen dieser Bevölkerungsexplosion sind an den Flüchtlingsströmen zu bemerken. In Libyen warten bereits 800.000 bis eine Million Schwarzafrikaner auf die Überfahrt übers Mittelmeer und die Weiterreise ins Gelobte Merkelland.

Marshallplan für Afrika?

Immer wieder wird nach einem Marshall-Plan zum Aufbau Afrikas gerufen. Ein groß angelegtes Investitionsprogramm soll es richten. Aber die Situation ist mit der in Europa nach dem 2. Weltkrieg in keinster Weise vergleichbar. Damals wurde WIEDER aufgebaut, was in Schutt und Asche lag. Gut ausgebildete, hoch motivierte Arbeitskräfte waren vorhanden.

Herausforderung des 21. Jahrhunderts
Wer den Westen bewahren will, muss Afrika retten
In Afrika trifft nichts davon zu. Es gibt nichts wieder aufzubauen und die Afrikaner haben in ihrer Kultur eine vollkommen andere Einstellung zur Leistungsgesellschaft, als sie in Deutschland verankert ist. Die Vorstellung, dass eine Leistungs- immer auch eine Wettbewerbsgesellschaft ist, geht in Deutschland langsam verloren, während in China der Wettbewerbsgedanke systematisch forciert wird. In Afrika gilt immer noch: Komme ich heute nicht, komme ich vielleicht morgen, aber übermorgen ist auch noch ein Tag. Solche Aussagen haben heute einen rassistischen Klang, es sei aber jedem empfohlen, eine Weile in Afrika zu leben, zu versuchen ein Geschäft aufzubauen und dann von seinen Erlebnissen zu berichten.
Langsam wächst die Mittelschicht

Trotzdem verzeichnet Afrikas Wirtschaft in einigen Ländern Wachstumsraten von mehr als fünf Prozent im Jahr. Ausländische Investitionen kommen häufig aus China, das dann aber knallharte Bedingungen stellt. Bezahlt werden chinesische Infrastrukturprojekte vor allem mit Rohstoffen. Trotzdem hat sich in einigen Staaten eine afrikanische Mittelschicht herausgebildet. Auf ihr liegt die Hoffnung des Kontinents.

Afrika und der Welthandel

Der Anteil Afrikas am Welthandel liegt heute bei drei Prozent. 1948 waren es noch sieben. 1960 lag das Pro-Kopf-Einkommen in Ghana und Südkorea etwa gleichauf. Heute verdient ein Südkoreaner zwanzigmal so viel wie ein Ghanaer.

"Die Deutschen zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung"
"Mal eben kurz die Welt retten"
Ein wesentlicher Grund dafür sind die völlig unterschiedliche Einstellung zur Leistung und die tribalistischen Strukturen Afrikas. Das sind die Hauptgründe dafür, dass Afrika nie Anschluss gefunden hat. Genau dies wird aber in den Medien tabuisiert. Solange diese Gründe aber nicht in den Entwicklungsgedanken einbezogen werden, ist alle Müh vergebens. Entwicklungshilfe kann nur greifen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Die Hilfe muss endlich an eine realistische Bevölkerungspolitik gekoppelt werden. Die Wurzeln der anhaltenden Armut in Afrika liegen nicht zuletzt in der demografischen Situation, die Wohlstandsgewinne vereitelt.
Afrikas Wirtschaft ist nicht konkurrenzfähig

Gunnar Heinsohn, emeritierter Professor der Universität Bremen für Bevölkerungspolitik und Konfliktforschung meint, dass die unterentwickelten Länder in Afrika (zum Beispiel in der Subsahara) auf den Weltmärkten nicht mit den großen Playern konkurrieren können. Gerade in Gebieten der Erde, wo eine Produktivitätssteigerung am notwendigsten wäre, ist sie faktisch am geringsten. In den Ländern in Afrika, aus denen die Einwanderer nach Deutschland kommen, fallen auf 100 alte Männer 500 junge im erwerbsfähigen Alter. Junge Wirtschaftsmigranten ohne Zukunft, junge Männer, die nichts zu verlieren haben. Deshalb reisen sie nach Europa und nicht, weil sie aus irgendeinem seltsamen Grund politisch verfolgt sind.
Die Länder im afrikanisch arabischen Raum sind politisch und sozial höchst instabil. Brechen dort Kriege aus, sind sie nach dem derzeitigen juristischen Stand in Deutschland schutzberechtigt und haben auch ohne jegliche Qualifikationen Anspruch auf Unterhalt.

Ist der Grund für Afrikas Versagen der Westen?

Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) macht für die schlechte Situation der meisten afrikanischen Länder einen westlichen „Neokolonialismus“ verantwortlich. Man könne die Afrikaner nicht ausbeuten und dann keine Afrikaner aufnehmen. Aber weniger als 2 % der deutschen Importe kommen aus Afrika, und genau soviel der Exporte gehen in den Südkontinent. Afrika ist für den deutschen Außenhandel praktisch nicht existent, kann also auch nicht Schuld am Desaster sein. Ähnliche Aussagen von Meinungsträgern des Westens sind offensichtlich von Unkenntnis geprägt und dienen nur dazu, daheim ein schlechtes Gewissen zu erzeugen.

Afrika und seine Konkurrenten in Asien

Immer wieder macht das Gerücht die Runde, Afrika würde von europäischen Gütern überschwemmt, die die einheimischen Waren verdrängen. Wer sich aber auf afrikanischen Märkten umgeschaut hat, sieht, dass dies nicht stimmt. Zu 90% wird Afrika von chinesischen Billigprodukten überflutet. Europäische Artikel findet man praktisch gar nicht, sie sind viel zu teuer. Eine Ausnahme bilden subventionierte europäische Agrarprodukte. Dazu Entwicklungshilfeminister Müller: Das liegt aber auch an den afrikanischen Staats- und Regierungschefs. Diese Länder hätten die Möglichkeit, die Importe durch Zölle zu verhindern und auf Eigenproduktion zu setzen. Sie haben es aber nicht getan, weil sich die „Eliten“ über Importgesellschaften ihre Taschen füllen. Auf den Märkten Ghanas gibt es chinesische Billigkleidung und lokales Gemüse minderer Qualität. Nicht zu vergleichen mit der Vielfältigkeit eines Marktes in Thailand, obwohl dort ähnliche klimatische Bedingungen herrschen.

Sisyphus grüßt
Was Afrika retten bedeutet
Gesinnungsjournalistische Beiträge über Afrika gibt es viele, aber nichts ersetzt den Augenschein. Das Video über einen typischen afrikanischen Markt habe ich in Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghanas gedreht. Der Markt wird pausenlos mit der aggressiven Predigt eines christlichen Predigers beschallt. Die Gesichter sind fast immer freundlich, viele lachen mich an: I want money! Can u do something for me. Eine gut genährte Marktfrau, die Früchte verkauft, sagt zu mir: I am hungry, give me money!

Ein Problem Afrikas ist, dass die Länder nicht mit China, Indien und anderen südostasiatischen Ländern mithalten können. Es fehlt an Initiative, Qualitätsbewusstsein, Leistungsbewusstein. Computer, Smartphones, Autos und Medikamente werden nicht in Afrika entwickelt. Dafür fehlen alle gesellschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen.

In der Regel ist es so, dass die korrupten afrikanischen Eliten einen Deal mit chinesischen, indischen, koreanischen und westlichen Konzernen machen. Jeder füllt seine Taschen, für die einfache Bevölkerung bleibt in der Regel nicht viel.

Das Tabu der Familienplanung

Eine Geburtenkontrollpolitik in den Problemgebieten der Welt ist tabu. Die UNO schweigt. Die Forderung, 10% der Entwicklungshilfe in Familienplanung zu investieren, wird nicht einmal diskutiert. Neben Ausbildung und kostenloser Bildung insbesondere für Mädchen wären sexuelle Aufklärung und kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln die dringlichsten Gebote. Aber man muss sich darüber klar sein, dass man damit in traditionelle Kulturen eingreift und die Menschen umerziehen will. Das werden nicht alle schätzen. Alternativen gibt es aber keine. Früher wurde die afrikanische Malaise nicht als solche empfunden. Es war eben, wie es war. Seit im letzten Winkel TV und Internet zu empfangen sind, sehen die afrikanischen jungen Männer täglich im Westen ein Scheinparadies. Sie sehen, was die Menschen dort alles haben, aber sie haben keine Vorstellung davon, welche Disziplin und welche Leistung dafür notwendig ist.