Tichys Einblick
Rechtsstaat adé - Teil 1:

Piloten – potentielle Attentäter?

Die ZÜP ist völlig sinnfrei, ein unglaublicher bürokratischer Aufwand - aber sorgt wohl für ein Aufatmen in den Amtsstuben - endlich mal Staatsbürger, die man gängeln kann und die keinen Ärger verursachen.

Da ist ein Unternehmer, der ein Flugzeug benutzt, um schnell zu seinen verschiedenen Terminen zu gelangen, weniger Zeit durch Reisen zu verlieren.
Der Unternehmer steuert dabei seine Maschine selbst. Dazu benötigt er einen Flugschein. Nicht nur das: Er benötigt eine »Zuverlässigkeitsprüfung«, ZÜP. Die muss er alle fünf Jahre neu beantragen.

Die braucht er dann wieder, um sie bei den Luftfahrtbehörden für die Verlängerung der Lizenz vorzulegen. Es liegt kein Anfangsverdacht vor, sondern der freie Bürger muss gegenüber der Bürokratie »freiwillig« darlegen, dass er »zuverlässig« ist.
Und – schlimmer noch – jeder, der sich im beruflichen oder privaten Bereich kleine Regelverstöße erlaubt hat, wird als »unzuverlässig« angesehen. Diese begründeten, nach Ansicht des Staatsapparates, »geringe Zweifel«, ob er es auch mit den Regeln der Luftsicherheit so genau halte.

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Dieser Apparat hat sich mittlerweile zu einem Willkürwerkzeug der Behörden entwickelt. Mit eingeführt hat jenes verwaltungstechnische Ungeheuer ein Anwalt, der heute offenbar ein wenig darüber erschrocken ist, was er mit angerichtet hat: Otto Schily. Der einstige Terroristen-Verteidiger und Kämpfer gegen Bürgerrechte, der sich heute seinen befleckten Namen ein wenig reinwaschen möchte. Er und sein steinewerfender einstiger Ministerkollege hätten vermutlich nie eine ZÜP-Bescheinigung erhalten.

Von 2005 bis 2009 wurden 1.391.000 ZÜPs »durchgeführt«, um das Vokabular der Bürokraten zu verwenden. Bis 2015 geschätzt 2 Millionen. Für eine ZÜP muss man 62 Euro zahlen, das ergibt die nette Summe von 211 Millionen Euro. Die Zahl der bis 2009 »gegroundeten«, also aus dem Verkehr gezogenen Piloten: 10. Seitdem wurden die Kriterien für »Unzuverlässigkeit« in der Praxis stetig verschärft. Die ZÜP ist völlig sinnfrei, ein unglaublicher bürokratischer Aufwand – aber sorgt wohl für ein Aufatmen in den Amtsstuben – endlich mal Staatsbürger, die man gängeln kann und die keinen Ärger verursachen.

Ein grundlegendes Prinzip des Rechtsstaates gilt hier nicht mehr: das der Unschuldsvermutung. Jeder ist hier potentieller Terrorist. Die diensthabenden Polizisten widmen sich gern diesem Vorhaben, neigt ein solcher Unternehmer bisher eher zu Friedfertigkeit. So lauern doch bei dieser Schreibstubenarbeit weniger Gefahren. Am Ende steht dann die ZÜP – oder auch nicht.  Denn Voraussetzung für die Erteilung der ZÜP ist: keine Strafen. Leuchtet zunächst dem Unbedarften ein.

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Zurück zu unserem Unternehmer: Er hatte eine heftige Auseinandersetzung um Sozialabgaben. Wie jeder Unternehmer weiß, ist das ein heißes Pflaster. Die Vorschriften sind ungenau, der Interpretationsspielraum hoch. Ab wann sind Arbeitsverhältnisse sozialabgabenflichtig, wann nicht, und in welcher Höhe. Selbst Spezialisten stehen manchmal vor Rätseln. Dieser Unternehmer also hatte eine Auseinandersetzung, die vor Gericht endete. Er bezahlte eine Geldstrafe von 168.000 Euro und glich den »Steuerschaden« aus. Ergebnis: Er ist vorbestraft. Hätte er irgendjemanden physisch angegriffen, wäre er billiger davon gekommen.

Doch das Urteil hatte Folgen in Sachen ZÜP: Er bekam seine ZÜP nicht mehr. Unzuverlässig, sagt die Bezirksregierung in Düsseldorf. Der Unternehmer klagt vor dem Verwaltungsgericht. Das bestätigt: Unzuverlässig. »Die Sicherheit des Luftverkehrs sei ein hohes Rechtsgut, das unter anderem empfindlich sei für Sabotage, Entführungen und Terroranschläge«, befanden die Richter und verhöhnten den Unternehmer weiter, zuverlässig sei daher nur, wer so viel Verantwortungsbewußtsein und Selbstbeherrschung aufbringe, dass er die Rechtsordnung jederzeit einhalte.

Im Klartext: Ein Unternehmer, der einen Betrieb leitet, mit seinen Steuern auch die Richter bezahlt, Angestellten Lohn und Brot verschafft, gilt als unzuverlässig, als potentieller Massenmörder, der seine Maschine womöglich in den Reichstag steuert.
Weitere Folge: Seine Flugerlaubnis wird nicht verlängert. Er darf nicht mehr fliegen.
Ein Skandal.

Putzen hilft
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Jan Brill, Chefredakteur der Fachzeitschrift »Pilot und Flugzeug« ist ebenfalls über diese Entwicklung entsetzt: »Mittlerweile hat sich die ZÜP zu einem unglaublichen Gängelinstrument entwickelt.« Die Rechtsprechung in Sachen ZÜP hat sich mit dem Allzweckwerkzeug der ‘geringen Zweifel’ von jeglichem Praxisbezug und Terrorgrund weit entfernt. Sie ist zur Allzweckwaffe geworden, um Unternehmer und Bürger noch über die gerichtliche Strafe hinaus zu drangsalieren.

Und damit ist es dann höchstrichterlich festgestellt: Ein Ex-IM der Stasi ist zuverlässig, ein Mitglied bei Mili Görüs auch. Hingegen ein Unternehmer, der irgendwann einmal Steuern verkürzt hat – der natürlich nicht. Brill, der diese Entwicklung lange verfolgt, kann nur jedem raten, sich so schnell wie möglich in die Schweiz abzusetzen, jedenfalls flugerlaubnistechnisch. Das geht.

Es ist nicht mehr nur eine »Fehlentwicklung des Rechtsstaates«, sondern die gezielte Auslieferung seiner Bürger an eine willkürliche Bürokratenkaste. „Bestrafe einen, erziehe 100“ soll das mal Mao gesagt haben.

Rechtsstaat adé. Mal sehen, wie lange noch.