Tichys Einblick
Tilt game over

Nach der Bayernwahl: Nichts Neues aus dem Willy-Brandt-Haus in Berlin

Andrea Nahles, die studierte Literaturwissenschaftlerin, wirkte mit ihrem Latein am Ende, ihre Beschwichtigungen und "erst analysieren"-Phrasen wirken nicht mehr.

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Unmittelbar nach der Bayernwahl am gestrigen Tag hat die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles eine Stellungnahme abgegeben, die in den nächtlichen Himmel schrie – und die immer mehr Genossen (vor allem dieses Mal auch aus dem Lager die GroKo-Gegner) sich von dieser SPD abwenden lässt.

Mit business as usual der „geplanten“ Erfolgslosigkeit muss nun Schluss sein.

Man wolle erst analysieren, die GroKo-Politik und vor allem der Streit zwischen der CDU und CSU habe auch der SPD geschadet, wollte Nahles die massive Niederlage der SPD in Bayern entschuldigen. So nicht, liebe Genossin. Die jetzige GroKo-Beteiligung ist gepflastert von einer falschen Politik nur um des „Regierenswillens“.

Andrea Nahles, die studierte Literaturwissenschaftlerin, wirkte mit ihrem Latein am Ende, ihre Beschwichtigungen und „erst analysieren“-Phrasen wirken nicht mehr – auf Dauer wird auch ein leicht besseres Ergebnis in Hessen die Negativserie nicht aufhalten, zumal „TSG“, Thorsten Schäfer-Gümbel, Nahles‘ stellvertretender Bundesvorsitzender und Vorsitzender der Landtagsfraktion, nicht so wirkt, als könne er ad hoc zusätzliche Massen mobilisieren. Für viele Genossen ähnelt Schäfer-Gümbel zu sehr Nahles.

Jedenfalls kommen wir nicht umhin, an der Steilvorlage von Nahles vorüberzugehen und folglich bei der „Analyse“ behilflich zu sein.

Die SPD verkommt zur Splitterpartei. Doch, warum ist das so?

  • Die SPD sucht stets andere Schuldige für eigenes Versagen.
  • Was genau sollen Streitigkeiten zwischen CDU und CSU mit dem Abschmieren der Genossen zu tun haben?
  • Kann es nicht vielmehr daran liegen, dass sich die Sozialdemokraten zu sehr vom Bürger entfernt haben – und dieser ganz zu Recht von ihr?
  • Wer ständig und permanent die AfD aufbläst, deren mögliche Wähler vorab madig macht (unter ihnen beim letzten Mal 330.000 Wechselwähler von der SPD), braucht sich überhaupt nicht zu wundern, überall so abgestraft zu werden.
  • … und wenn man dies schon tut (also diese „Alternative“ zu stigmatisieren), dann muss man auch mit eigenen Ideen und Trends aufwarten.
  • Aber: nichts von alldem geschieht seit mindestens fünf Jahren.
  • Die Agenda 2010 und HARTZ-IV fällt der SPD immer wieder auf die Füße, Finanzminister Olaf Scholz, ein Diener der Banken und Wirtschaft, will die „Schwarze Null“ einhalten, von den prekären Arbeitnehmern scheint diese SPD nicht mehr viele zu kennen. Verkopft und kühl sind die meisten Vertreter in der GroKo und im Bundesverstand.
  • Der Bürger und potentielle Wähler merkt zudem, frei nach dem Digitalisierungs-Slang, diese SPD 2-Punkt-, 3-Punkt-, oder doch gar 4-Punkt-Null (4.0) ist nicht von dieser Welt. Sie, die Mandatsträger und Sekretäre, retten sich trotz Niederlagen und Verluste in sicher dotierte Jobs und auf Listenplätze, die eine eigene Absicherung garantieren. Eine verärgerte Genossin in „BaWü“ meinte, seit dem unsäglichen Upgrade von Nils Schmid (nach der größten Niederlage, dem GAU als Koalitionspartei; nun ist Dr. Nils Schmid Sprecher und Obmann im auswärtigen Ausschuss), die SPD sei zum „Selbstversorger-Laden“ v e r k o m m e n. In Baden-Württemberg ist es gar so, dass Leni Breymaier, die Landesvorsitzende, gerade noch dabei ist, den Scherbenhaufen von Nils Schmid und dessen Vorstandsmitgliedern aufzuräumen und die Landes-SPD zu konsolidieren, plötzlich um den Vorsitz herausgefordert wird, von einem Genossen, dem Dozenten und Juristen, Lars Castellucci, obwohl er selbst die Politik Schmids in der Grün-Roten-Regierung mitgetragen und damit auch das desaströse Wahlergebnis zu verantworten hat. Selbstreflektion in der SPD? Selten vorhanden.
  • Die SPD steigert sich mal so richtig in den Kampf gegen Nazis und Rassisten hinein, obwohl jede andere Partei auch dieses Thema für sich beansprucht, nur:
  • man kann nicht permanent von verhältnismäßig wenigen Chemnitzer Dumpfbacken auf normale Bürger schließen, die eben nicht ständig auf Hashtag-Events gehen (können).

Wer über den konservativen Islam sowie Islamismus schweigt, und sogar Einladungen und Dinner an Despoten ausspricht und ausrichtet, der muss sich nicht wundern, wenn der Bürger so wählt, wie er wählt. Das ist auch Demokratie, Bigotterie und Scheinheiligkeit darf man einen Denkzettel verpassen.

Es wirkt aber immer noch so, als wäre sich diese SPD keiner Schuld bewusst – es sind stets die anderen …


Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist. Seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.