Tichys Einblick
neu aussehen, aber alt sein

Lindner und Habeck: Bekommt, wer gelb wählt, grün?

Vor den Augen der Fernsehzuschauer deutete sich eine Art Vereinigungsparteitag zwischen der FDP und den Grünen an. FDP-Chef Lindner ist offenbar bereit, den ordnungsrechtlichen Rahmen der Wirtschaft als Zielvorgabe mittels Verboten zu interpretieren.

Grünen- und FDP-Wahlplakate in Berlin

IMAGO / IPON

Fernsehen ist die Kunst, dem Zuschauer das Alte, das Immerschongehabte als neu zu verkaufen. Und das in der übrigens nicht falschen Erkenntnis, dass ein bedeutender Anteil der Fernsehzuschauer auch etwas wirklich Neues nicht haben will, sondern das Alte darf nur nicht alt aussehen soll. Mit anderen Worten: Es muss neu aussehen, aber alt sein. Alt und bekannt sind die Fragen der Moderatoren und Führungskräfte der Parteien in den Triellen, Vierkämpfen und anderen Formaten, die nur dazu da sind, dass die immer selben Moderatoren den immer selben Politikern die immer selben Fragen stellen und neue Fragen oder wirkliches Nachhaken strikt vermeiden, vor allem bei den Protagonisten der grünen Partei. 

Interessant und aufsehenerregend, ungewollt aufklärerisch war in der jüngsten Sendung von Anne Will hingegen der Vereinigungsparteitag, der zwischen der FDP und den Grünen sich andeutete. Anne Will fragte in gewohnter Manier Christian Lindner, ob der Staat sich bei der „Klimarettung“ heraushalten und sie dem Markt überlassen soll? Abgesehen davon, dass „Klimarettung“ niemandem gelingt, weder dem Staat, noch dem Markt, noch Anne Will, auch nicht Annalena Baerbock, weil Klima immer sein wird – es fragt sich nur welches, ist diese Frage so komplex, dass sie die neudeutsche CO-2-Austreibung bei weitem übertrifft. Christian Lindner antwortete darauf, als habe er sich vorher von Robert Habeck schulen lassen: „Nein, wir brauchen einen Rahmen, den der Staat setzt. Daraus müssen sich die Klimaziele ergeben. Aber auf dem Weg dahin möchte ich gerne Naturwissenschaftlern und Technikern das Vertrauen geben, die wissen, wie wir es konkret machen.“

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Zur Erinnerung: Die neue Liebe des Christian Lindners zu dem alles regelnden Staat begann in Erfurt. Der FDP-Vorsitzende gab mit dieser Äußerung zu erkennen, dass er von Ordnungspolitik im liberalen Sinne nichts versteht, denn Ordnungspolitik soll dem Markt nicht ideologische Vorgaben machen, sondern die Prinzipien von Markt und Wettbewerb rechtlich absichern, damit jeder einzelne sich frei – und eben nicht nach den ideologischen Vorgaben der Politik – wirtschaftlich betätigen kann. 

Das gleiche wie Christian Lindner hatte übrigens Robert Habeck vor Monaten auf dem grünen Parteitag formuliert, als er ausführte, dass die freie Marktwirtschaft wichtig sei, aber nur, wenn der Staat dafür sorge, dass „die großen Kräfte der Märkte, der Marktwirtschaft in die richtige Richtung laufen – und dann brauchen wir alle die Freiheit der Märkte, die Kreativität der Unternehmerinnen und Unternehmer“. Lindners Vorschläge treffen sich an diesem Punkt nicht nur mit Habecks Vorstellungen, sondern auch mit J.W. Stalins, der verfügt hatte, dass, wenn die Richtung stimmt, die Kader alles entscheiden würden – und genau diese Richtung wollen Habeck und Lindner in der sogenannten Klimapolitik vorgeben. Anne Will fragte daraufhin Robert Habeck: „Hat Christian Lindner mit seinem ‚der Markt regelt es selbst‘ den Stein der Weisen gefunden?“ Der verteidigte seinen Koalitionspartner in spe mit der Worten: „Das ist nicht seine Position, so habe ich es auch nicht verstanden. Er sagte, Kreativität des Marktes nutzen und einen klaren rechtlichen Ordnungsrahmen, da würde ich gar nicht widersprechen.“ 

Christian Lindner hatte sich als gelehriger Schüler die grünen Positionen zu eigen gemacht. Sein phrasenhafter Verweis auf die „Naturwissenschaftler und Techniker“ klingt in Wahrheit sehr nach dem Baerbockschen Theorem, wonach Verbote die eigentlichen Innovationstreiber wären. Schließlich, so Habeck: „Ordnungsrechtlicher Rahmen und Verbote sind das Gleiche. Dass wir uns immer für die Übersetzung ins normale Deutsch rechtfertigen müssen, ist ein Treppenwitz dieses Wahlkampfs.“ Im normalen Deutsch besteht allerdings ein fundamentaler Unterschied zwischen Freiheit und Zwang. Dass dem Grünen-Parteichef dieser Unterschied unbekannt ist, verwundert nicht. 

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Robert Habeck, ganz Staatsmann, wollte eine Koalition mit der FDP nicht an der „Rhetorik“ scheitern lassen. Wenn die FDP das Wort „ordnungsrechtlicher Rahmen“ lieber hat als das Wort Verbot, dann heißen Verbote künftig eben „Ordnungsrechtlicher Rahmen.“ Wie die Politik der De-Industrialisierung, der Forschungsverbote und der Wohlstandsvernichtung heißen mag, ist Habeck egal, wo es doch nur auf eines ankommt: „Klimaschutz ist die existenzielle Aufgabe unserer Generation. Wir können keine Koalition eingehen, die nicht den Weg des Paris-Pfads beschreitet.“ 

Damit scheint Christian Lindner sich arrangiert zu haben, denn für die FDP gilt wohl inzwischen: „Lieber schlecht regieren, als gar nicht zu regieren.“ Damit dürfte klar sein, dass derjenige, der die FDP wählt, um grüne Politik zu verhindern, am Ende rotgrüne Politik gewählt hat. 

Und während sich die Herren über das Marketing der neuen Kommandowirtschaft, über das „wording“ einigen, läuft sich Annalena Baerbock bereits als nächste Außenministerin warm, denn ihr Ziel steht fest: „Ich will die Krisen dieser Welt lösen.“ 

Wie hieß einst ein James Bond Film: Die Welt ist nicht genug. 

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