Tichys Einblick
Lauterbach gegen Drosten – das Endspiel

Der Gesundheitsminister warnt: Corona ist im Frühling, Sommer, Herbst und Winter besonders gefährlich

Für Karl Lauterbach ist erstmal gar nichts vorbei. Denn der Winter sei noch nicht zu Ende. Er warnte bereits im Frühling, im Sommer und im Herbst. Sollte er weiterhin Gesundheitsminister bleiben, dann wird er sich als Vierjahreszeiten-Mahner einen Namen machen. Von Friedrich Pürner

Christian Drosten, Lothar Wieler und Karl Lauterbach bei einer Pressekonferenz zur Corona-Lage am 14. Januar 2022, Berlin

IMAGO / NurPhoto

Nun ist es also passiert. Der smarte Top-Virologe aus dem Team „Panik und Übervorsicht“ ist der Meinung, dass die Pandemie zu Ende sei. Welch Überraschung. Lange hat es gedauert, bis Drosten diese Erkenntnis öffentlich machte. Womöglich dachte er dies schon länger. Denn er weilte zu Beginn von Corona noch nicht im Lager der Paniktreiber. So sagte er damals, dass man sich weder sorgen müsse noch Masken brauche. Zu dieser Zeit war möglicherweise sein PCR-Test noch nicht ausreichend gewinnbringend angelaufen.

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Drostens Aussage ist keine Neuigkeit. Andere Länder sind uns mit dieser Erkenntnis weit voraus und haben schon vor Monaten die Pandemie und Maßnahmen hinter sich gelassen. Daher überrascht das mediale Echo, welches Drosten nun auslöste. Andere Experten in Deutschland – auch jene auf dem Gebiet der Epidemiologie und des Infektionsschutzes – sprachen schon lange vor Drosten von einer endemischen Lage und dass die Pandemie vorbei sei. Es half nur nichts.

Drosten war von Anfang an der Berater der Bundesregierung. Wie kein anderer stieg er in den Olymp der Götter auf – allerdings nur, um sie zu beraten. Sein Fall begann, als die Menschen sahen, dass viele seiner Prognosen nicht eintrafen. Seine Aussagen wurden plötzlich hinterfragt und hielten der Lebensrealität nicht mehr stand. Als der Applaus nachließ und Drosten sogar auf einem Camping-Platz belästigt statt bejubelt wurde, da war Schluss und der dünnhäutige Professor zog sich beleidigt aus der Öffentlichkeit zurück.

Auch ohne Drosten ist die Pandemie vorbei

Allerdings dürfte Drosten bemerkt haben, dass man ihn zum Ende der Pandemie gar nicht gebraucht hat. Das Ende war einfach da. Durch Fakten. Schon lange ist Corona endemisch. Eine Krankheit gilt als „endemisch“, wenn sie in einer Region fortwährend auftritt. Beispiele dafür sind viele virusbedingte Atemwegserkrankungen, die nicht immer in der gleichen Häufigkeit nachzuweisen sind, sondern in Wellen auftreten. Seit der zweiten Kalenderwoche des Jahres 2022 ist die Variante Omikron vorherrschend. Und das ist gut so, denn Omikron spielt lediglich in der Liga der Erkältungskrankheiten. Selbstverständlich durfte das niemals laut ausgesprochen werden. Denn man lief Gefahr als der böse Quer-Rechts-Reichs-AntiUkraine-AntiKlima-Bürger dazustehen! Dennoch war und ist es so. Mit Omikron war die Pandemie faktisch zu Ende. Fachexperten wussten das. Politiker wussten das auch.

Das Einleiten eines Kurswechsels wurde dennoch nicht vollzogen. Ohne Beachtung der Faktenlage wurde mit Panik, Angst und Ausgrenzung weitergemacht. Niemand war bereit, einen Hauch Verantwortung zu übernehmen und in dieser politisch aufgeheizten Stimmung eine Entscheidung zu treffen. Niemand wollte in die Nähe der AfD gerückt werden. Denn dummerweise sprach die AfD schon länger von einem Ende der Pandemie und begehrte die Aufhebung der Maßnahmen. Und so lavierten die politischen Entscheidungsträger umher; ziellos, orientierungslos und ohne Ahnung. Sie warteten auf den Messias. Drosten hatte ihnen die Suppe eingebrockt – nun sollte er sie auch auslöffeln. Erst wenn Drosten grünes Licht gäbe, könnten Politiker endlich alles beenden.

Einer für das Volk

Neben Drosten, im Schatten der Pandemie, da gedieh Karl Lauterbach. Wie Drosten wurde er anfangs und inmitten der Pandemie gefeiert. Vor der Pandemie waren beide medial eher unbekannt und kein Scheinwerferlicht verfing sich an ihnen. Im Unterschied zu Drosten hielten die Götter nichts von Lauterbach. In ihren Augen war er nicht geeignet. Gekränkt tat Lauterbach das, was sich ersatzweise anbietet, wenn man im Olymp unerwünscht ist. Er suchte Zuwendung und Trost beim Volk. Und siehe da – das Volk liebte den schrulligen Politiker mit medizinischem Hintergrundwissen. Auch wenn er viele Studien falsch präsentierte, selten mit seinen Aussagen Recht hatte und teilweise völlig freihändig und ohne Fakten in den Talkshows referierte, die Zuschauer der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten hingen an seinen Lippen.

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Aber auch das Volk bemerkte bald, dass hier etwas nicht stimmte. Während Lauterbach bald jedem den Tod prophezeite, waren doch noch fast alle am Leben. Nur ganz wenige starben. Viele der Verstorbenen waren in einem Alter, in dem der Tod nicht ungewöhnlich ist. Die meisten hatten zudem Vorerkrankungen. Viele Covid-Erkrankte berichteten von einer normalen Erkältung. Wenn es „schlimm“ wurde, dann gab es anekdotische Berichte von grippeähnlichen Symptomen. Als dann noch die gesamte Bevölkerung wiederholend zur Impfung, Auffrischungsimpfung, Booster und Viertimpfung aufgerufen wurde, da klingelten bei vielen Menschen die Alarmglocken. Sollte der Bundesgesundheitsminister vielleicht doch nicht richtig liegen? Ist seine Expertise nicht so taufrisch und exzellent, wie ständig berichtet worden war?
Lauterbach versus Drosten

Jedenfalls stellt sich Lauterbach nun gegen Drosten. Das Endspiel quasi. Für Lauterbach ist erstmal gar nichts vorbei. Denn – so stellt er zunächst völlig richtig fest – der Winter sei noch nicht zu Ende. Auch dürfe man nun nicht leichtsinnig werden. Dass man nicht dem Leichtsinn erliegen dürfe, predigt Karl Lauterbach schon lange. Nun aber die Jahreszeiten für seine liebgewonnene Pandemie zu missbrauchen, wirkt langsam skurril. Lauterbach warnte bereits im Frühling, im Sommer und im Herbst. Sollte er weiterhin Gesundheitsminister bleiben, dann wird er sich als Vierjahreszeiten-Mahner einen Namen machen.

Im ZDF kölnert er, es sei zwar richtig, dass „wir nun in einen endemischen Zustand übergehen“, gleitet aber dann sofort in das Faktenlose ab. Für Lauterbach steht fest, dass die von ihm prophezeiten uns bevorstehenden Wellen diejenigen erfassen, die nicht ausreichend geimpft sind oder „Vorschäden“ haben. Da Lauterbach von dem Moderator weder Gegenwind noch Nachfragen bekommt, kann der Gesundheitsminister ungehindert mehrere Minuten lang faktenfreien Brei absondern. Höchst selbst liefert er den Beweis, weshalb die Götter ihn nicht wollten.

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Lauterbach instrumentalisiert auf eine einzigartig grausame Weise jede Gelegenheit für seine Zwecke. Und gefangen in seiner Erregung wird ihm dabei wohl nicht klar, dass er sich gerade um Kopf und Kragen redet. Denn alles, was er hier preisgibt, fällt auf ihn zurück. So stellt es sein eigenes politisches Versagen dar, wenn Lauterbach anführt, dass angeblich die Krankenhäuser voll seien und selbst Kinder nicht gut versorgt werden können. Wenn in Deutschland tatsächlich kranke Kinder nicht gut versorgt werden können, dann muss Lauterbach sofort sein Amt niederlegen. Und mit ihm all seine Länderkollegen. Denn Krankenhausplanung ist immer noch Ländersache.
Jetzt wird klar, weshalb die Götter Lauterbach nicht wollten

Wer hat im letzten Jahr das Bundesgesundheitsministerium geführt? Wer hat sehenden Auges keine Reformen veranlasst und ist nicht in der Lage, dieser angeblichen Misere rechtzeitig entgegenzutreten? Es war Lauterbach. Vor lauter Pandemie war er blind ringsherum. Denn nicht die Anzahl der Patienten in den Krankenhäusern sind Grund zur Sorge. Nein, es fehlt an Personal. Ausgedünnt und seit Jahren ermüdet. Ausgelaugt durch monetäre Zwänge, welche auch durch Lauterbachs damalige Idee der Fallpauschalen erst entstehen konnten. Seine einrichtungsbezogene Impfpflicht gab dem Personal den Rest. Hohe Krankenstände trotz – vielleicht sogar wegen – der Impfung und eine Personalflucht wegen der Impfpflicht bringen nun die Krankenhäuser an den Rand des Machbaren.

Und Lauterbach? Der spricht weiterhin ungeniert von Übersterblichkeit. Natürlich ohne zu erklären, woher diese kommen mag. Er schwadroniert immer noch undifferenziert von „mit“ und „an“ Corona-Verstorbenen, als sei dieser Unterschied nur eine Petitesse und weist schamlos darauf hin, dass insgesamt die Bevölkerung weiter geschützt werden müsse. Obwohl er Minuten vorher noch sagte, dass es nicht zu erwarten sei, dass die gesamte Bevölkerung von einer weiteren großen Welle erneut erfasst werden würde. Dies alles darf Karl Lauterbach frei und ohne Belege liefern zu müssen im ZDF sagen.

Als Fachmann muss man sich fragen, wer die Bevölkerung vor Karl Lauterbach schützen soll. Denn ab jetzt muss völlig klar sein, dass Lauterbach es mit der Bevölkerung nicht gut meint. Er möchte sein Amt verteidigen – und das auf Kosten der Bevölkerung. Jedes Mittel ist ihm dafür recht. Doch ist die Pandemie nun zu Ende? Aber sicher. Schon lange. Ohne Drosten und mit Lauterbach. Es ist vorbei.

Dr. med. Friedrich Pürner, MPH, Facharzt Öffentliches Gesundheitswesen, Epidemiologe