Tichys Einblick
Lauterbachs Osterbotschaft 2022

Die unglaubliche Geschichte der „Absoluten Killervariante“

Ostern 2022 setzte Karl Lauterbach seine letzte große Aufmacher-Schlagzeile: die „absolute Killervariante“, mit der uns Corona heimsuchen könnte. Eine Episode, die viel über das Wesen der Pandemie sagt.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach, 22. März 2022

IMAGO / Jens Schicke

Geht es darum, den Wahnsinn rund um die Corona-Politik aufzugreifen, braucht es ab und an einen Kalender als Quelle. Und einen zweiten Blick, der einem sagt: Das war wirklich 2022? Das ist tatsächlich erst ein Jahr her? Die Geschichte von Karl Lauterbachs (SPD) „absoluter Killervariante“ ist eine solche Anekdote. Mit diesem Alarmismus, der Menschen mit Angststörungen in ernsthafte Lebensgefahr brachte, beglückte er uns an Ostern 2022. Es war das letzte Mal, dass seine Pandemie ihm eine Aufmacher-Schlagzeile und eine Wertschätzung als Experte brachte. Danach musste der Leverkusener jeden Restruhm zusammenkratzen, den er kriegen konnte.

Erst ein Jahr her: Dieser Tage vor einem Jahr stimmte der Bundestag über die allgemeine Impfpflicht ab. Die, die es nie geben sollte. Bei der die bloße Erwähnung, dass jemand diese Pflicht planen könne, als Verschwörungstheorie galt. Ausgesprochen von jemandem, der ein Covidiot sein musste. Mit Kampfbegriffen wurden diese Menschen an die Wand gedrückt, um ihre Existenz gebracht und landeten wie Michael Ballweg sogar im Gefängnis. Wo der Querdenker-Gründer länger in Untersuchungshaft saß, als mancher Vergewaltiger insgesamt zu erwarten hat.

Covidioten. Kampfbegriffe ausgesprochen auch von Journalisten, die sich als Erfüllungsgehilfen der Politik verstehen. Von denen die Klügeren sich heute fragen, wie es soweit kommen konnte, obwohl sie es heute beim Thema Klimaschutz mit Menschen anderer Meinung heute noch genauso tun.

Verantwortung in der Corona-Krise
Sollbruchstelle Lauterbach
Es war ein Berufsstand, der zwei Jahre lang blind hinter Karl Lauterbach herlief. Der jeden Pups des Hinterbänklers und späteren Ministers als Parfüm verkaufte. Clickbait-Schleudern wie MSN schafften es an manchen Tagen, gleich mehrere Meldungen zu „Lauterbach warnt, Lauterbach fordert, Lauterbach warnt“ auf die Startseite zu bringen – teilweise mehrere Meldungen zur gleichen Forderung. Er war so populär, dass der Machtmeister Olaf Scholz (SPD) ihn zum Gesundheitsminister machte. Ganz offen mit der Begründung, weil die Leute ihn halt wollten.

Dann drehte sich der Wind. Russland überfiel im Februar 2022 die Ukraine. Für deutsche Medien bedeutete das eine Lektion, die sie lernen mussten: Sie konnten zwar ausreichend Wahlzuschauervolk auf die Staatsräson einstimmen. Aber immer nur zu einem Thema gleichzeitig. Kriegsbegeisterung wecken und dabei Angst vor einem Virus wahren, das war eins zu viel. Also galt die Aufmerksamkeit fortan dem Krieg. Das Virus musste warten. Sein Bann war gebrochen. Die Niederlage der Impfpflichtbefürworter war der offensichtlichste aller Wendepunkte. Der Machtmeister hatte das verstanden, am gleichen Abend verkündete Scholz im Fernsehen, es werde keinen neuen Versuch einer Impfpflicht geben.

Da wehrte sich Lauterbach noch. Ging in Talkshows, um wie ein Vertreter für Paxlovid zu werben und die Angst vor dem Virus aufrechtzuerhalten. Der Professor mag sich in einem Satz zweimal widersprechen, wenn er „Studien“ freihändig interpretiert. Aber PR kann er. An Ostern, wenn andere Pressesprecher gerne mal Urlaub machen, schlug Lauterbach zu: In Sachen Corona droht uns noch die „absolute Killervariante“. Wumms, Bazooka, Doppelzich. Die Bild, das Flaggschiff der deutschen Boulevard-Armada, nahm es dankbar auf und schenkte Lauterbachs Massenpsychosen-Beschleuniger eine Schlagzeile, die für angstgestörte Menschen tatsächlich ein Schlag war.
So schnell verbreiten sollte sie sich wie Omikron, die absolute Killervariante, aber dieses Mal so richtig schön tödlich.

CSU-MdB Stephan Pilsinger:
„Lauterbach ist das freie Radikal dieser Bundesregierung“
Später rechtfertigte sich Lauterbach für die Panikmache. Es sei ja nicht auszuschließen, dass vielleicht eine solche Variante theoretisch möglich sei. Und dass die Wortwahl „absolute Killervariante“ Menschen verunsichern könnte, sei vielleicht unglücklich, aber gar nimmer nicht und überhaupt niemals nie gewollt gewesen. Für einen Tag hatte er nochmal die Aufmacher-Schlagzeile. Doch dafür zahlte Lauterbach. Fortan hinterfragten ihn Journalisten, sogar die Erfüllungsgehilfen unter ihnen. Der direkte Draht vom Rotweinkeller zur Schlagzeile war gestört. Lauterbach musste fortan um Aufmerksamkeit kämpfen wie eine Debütantin, die um 3 Uhr immer noch nicht zum Tanz aufgefordert wurde.

Der Ukraine-Krieg, die gescheiterte Impfpflicht und die absolute Killervariante sind die eine Seite der Corona-Wende. Die andere sind die Menschen, die von grünen Politikern, grünen Journalisten und grünen Kulturschaffenden wie Dreck behandelt wurden. Die diese Menschen um ihren Ruf brachten oder um ihre Existenz. Denen sie heute kleinlaut Recht geben müssen, sie aber faktisch immer noch bekämpfen – indem sie den Rufmord als gottgegeben hinstellen und aufrechterhalten, ihnen einen Wiederaufbau ihrer Existenz verwehren, bis hin zu neun Monaten Untersuchungshaft für einen Betrugsvorwurf.

Der Wendehals im Gesundheitsministerium
Karl Lauterbachs perfide Wendung in Sachen Corona-Impfung
Es ist erst ein Jahr her, dass Politiker Menschen dazu zwingen wollten, ein Medikament zu nehmen, von dem wir heute wissen, dass es gefährliche Nebenwirkungen haben kann. Der Bundeskanzler und der Gesundheitsminister wollten das. Ein Jahr, in dem in Städten Verweilverbote oder Maskenpflicht im Freien verhängt wurden. Je unsinniger die Maßnahmen wurden, desto strenger drückte die Politik sie durch. Mancher Demokrat wirkte wie ein Junkie, der sich an der Macht berauscht hatte, die ihm Corona brachte – und von der er jetzt nicht mehr runterkam, sondern im Gegenteil die Dosis steigern musste.

Eigentlich können nicht genug Loblieder auf die Helden gesungen werden, die montags spazieren gegangen sind. Die für die Freiheit und den Rechtsstaat einstanden und dafür von der Polizei unverhältnismäßig angegangen wurden, wie es jahrzehntelang in Deutschland nicht mehr zu sehen war. Ein Hundertstel von dem Einsatz gegen die Klimakleber und die Straßen wären frei. Doch mittlerweile scheint es so, als ob der Einsatz der Polizei von der politischen Erwünschtheit einer Demonstration abhängig ist.

Der einstige Titelseiten-Held Lauterbach ist heute eine traurige Gestalt. Abhängig von Aufmerksamkeits-Almosen, gespendet wieder von der Bild, die ihn sagen lässt, dass die Pandemie jetzt vorbei sei. So stellt sich das Blatt Boulevard vor, seit es (fast) alle entlassen hat, die Boulevard tatsächlich können. Nun muss Lauterbach liefern: Krankenhäuser, Pflegeversicherung und Krankenkassen erfordern Reformen. Echte Reformen schwieriger Themen. Viele rechnen damit, dass der Studienkönig und Dampfplauderer Lauterbach daran scheitern wird. Auch Scholz. Der Machtmensch wartet nur noch mit der Entlassung seines Ministers, bis der so unbeliebt ist, dass es seine Nachfolgerin leichter hat. In seiner Freizeit kann er dann auf die Suche nach der absoluten Killervariante gehen, die es außer in seiner Phantasie nie gegeben hat.

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