Tichys Einblick
Gesinnungsterror

Kunststudenten gegen das Grundgesetz, gegen die Freiheit, gegen die Kunst

Die Besetzung der Bibliothek durch die Studenten ist bei Lichte besehen nichts anderes als Gesinnungsterror.

Bild: Twitter/addn.me

Am 29. Mai besetzten Studenten der Hochschule für Bildende Kunst Dresden die Bibliothek in der Güntzstraße. Auf einem künstlerisch eher schlichten Transparent fordern sie: „HfBK oder AfD, beides geht nicht“. Die Bibliothek wurde aus Protest darüber besetzt, dass die Leiterin der Bibliothek, Barbara Lenk, von ihrem passiven Wahlrecht Gebrauch gemacht hat. Sie ließ sich als Parteilose auf der Liste der AfD für die Kommunalwahl in Meißen aufstellen. Ginge es nach dem Willen der Studenten, müsste Barbara Lenk entweder sich von ihrem kommunalpolitischen Engagement verabschieden, sich öffentlich wahrscheinlich in einem Bußritual von der AfD distanzieren oder von ihrem Job als Leiterin der Bibliothek „zurücktreten“.

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Die Erpressung der Studenten lautet: entweder sie fügt sich oder wir halten die Bibliothek besetzt. Sie fordern: „Distanzierung seitens der Bibliotheksleiterin der AfD gegenüber und deren Inhalte oder ihren Rücktritt“. Obwohl die Studenten die Bibliotheksleiterin nötigen, entweder auf ihr kommunalpolitisches Engagement zu verzichten, im Geist der mittelalterlichen Ketzerprozesse ihren falschen Ansichten zu entsagen und Abbitte zu leisten oder zu kündigen – mit welchem Recht eigentlich -, betonen sie, dass es „hierbei NICHT um einzelne Person“ ginge, und es „KEIN Aufruf zur öffentlichen Diffamierung einer Person“ sei. Ja, was ist es dann? Mehr Heuchelei geht nicht. Was ist das Ultimatum und die Besetzung der Bibliothek anderes als die „öffentliche Diffamierung einer Person“? Lesen die Studenten, was sie schreiben? Bedenken sie, was sie sagen? Hören sie sich zu, wenn sie reden? Es geht sehr wohl um eine Person, genauer um einen Menschen, ihr Menschenfreunde, es stellt eine Diffamierung, eine Nötigung, eine Erpressung und letztlich auch eine Verleumdung dar.

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In der Pressemitteilung der Studenten heißt es: „Als Kulturschaffende dieses Landes sehen wir hier aber auch die Grenze unserer Freiheit. Sobald gegen Menschenrechte und unser Grundgesetz verstoßen wird, positionieren wir uns mit aller Entschlossenheit gegen jene die so handeln.“ Es mag sein, dass die Kunststudenten sich der Tatsache nicht bewusst sind, dass der Begriff des „Kulturschaffenden“ gerade im Nationalsozialismus und im Sozialismus der DDR Karriere machte – und das nicht zufällig, impliziert er doch die ideologische Inanspruchnahme im Sinne einer monolithen Gesellschaft, geht er doch davon aus, dass die Kulturschaffenden die Arbeiter der Kunst in der Volksgemeinschaft oder in der sozialistischen Volksgemeinschaft sind. Es mag sein, dass die Kunststudenten sich als Oberste Instanz, als eine Art Hyperverfassungsschutz verstehen, dass sie sich in einem Akt der Hybris als berechtigt empfinden, Verstöße gegen „Menschenrechte und unser Grundgesetz“ festzustellen und zu verfolgen, doch hat die Bibliotheksleiterin, indem sie ihr grundgesetzverbrieftes passives Wahlrecht wahrnahm, nicht gegen „die Menschenrechte und unser Grundgesetz“ verstoßen. Verstoßen gegen „die Menschenrechte und unser Grundgesetz“ haben allein die Studenten, wenn sie einen Bürger zum Verzicht auf sein passives Wahlrecht zwingen oder nötigen wollen, weil Ihnen die politische Ausrichtung nicht passt. Wollte man einer strengen Bewertung des Vorfalls folgen, haben sich die Studenten sogar strafbar gemacht, und zwar des Hausfriedensbruches, der Erpressung und der Nötigung. Die Besetzung der Bibliothek durch die Studenten ist bei Lichte besehen nichts anderes als Gesinnungsterror.

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Seitens der Studenten heißt es: „Wir können uns nicht vorstellen, eine Bibliothek weiterhin zu benutzen, die von einer Kandidatin von der AfD-Liste geführt wird.“ Dieserart Sätze sind aus der deutschen Geschichte hinlänglich bekannt, sie wurden von Aktivisten im Braunhemd, sie wurden von Aktivisten im Blauhemd geäußert. Die letzte Forderung der Studenten veranschaulicht den Ungeist der Zensur, wenn es heißt: „Schnellere, transparentere Mitbestimmung und Kontrolle seitens der Studierendenschaft bei Neuanschaffung und Aussortierung von Büchern.“ Bücher, die von den Studenten als rassistisch, sexistisch, islamophob, antifeministisch, antisemitisch, heterodominat, familistisch, homophob etc. aufgrund fragwürdiger und buchfremder Maßstäbe eingeschätzt werden, sollen, steht zu befürchten, aussortiert oder nicht angeschafft werden. Aus der Geschichte ist die „reinigende“ Wirkung des Index für verbotene Bücher und der Bücherverbrennungen hinreichend bekannt. Wissen die Studenten eigentlich, in welche Tradition sie sich stellen? Wie illiberal, wie freiheitsfeindlich und undemokratisch ihre Forderungen sind? Was befähigt sie, die Kontrolle über das Aussortieren von Büchern und die Kontrolle der Neuanschaffung von Büchern vorzunehmen? Nach welchen Maßstäben soll das geschehen? Nach den Maßstäben der Ideologie? Das kannte man bisher nur aus Diktaturen. Diese Verfahren jedenfalls entsprechen nicht der Freiheit der Kunst, nicht der Freiheit des Denkens, nicht der Freiheit der Wissenschaft, es sind die Verfahren des administrativen Zwangs, der Bevormundung, der Indoktrination, des auf-Linie-bringens.

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Die Dresdner Studenten bestehen darauf, politische Kunst machen zu wollen, und verdeutlichen in ihrem Verhalten und in ihren Statements, dass es ihnen nicht um politische Kunst, denn jede Kunst ist politisch, sondern um plumpe Propaganda, um Agitprop geht. Selbstredend kann jeder der angehenden Künstlern versuchen seine politischen Vorstellungen zu gestalten, ob das zu einem Kunstwerk oder zu einem bloßen Meinungsstück gerät, sei da hingestellt, ein Anrecht darauf, dass dies von der Gesellschaft finanziert wird, nur weil man sich in guter Absicht wähnt, hat man dadurch nicht. Eine Kunsthochschule sollte keine Parteihochschule werden, die statt Künstler Propagandisten ausbildet. Wen sollte Agitprop auch interessieren?

Die Kunststudenten ziehen zur Begründung ihrer Forderungen eine Passage im Entwurf des Wahlprogramms der AfD heran. Darin heißt es: „Kultur darf kein Tummelplatz für soziokulturelle Klientelpolitik sein“. Mit der Besetzung der Bibliothek jedoch und mit der erpresserischen Forderung an die Leiterin der Bibliothek führen die Studenten „soziokulturelle Klientelpolitik“ in Reinkultur vor und bestätigen ungewollt mithin die Kritik der AfD. Sie treten de facto dafür ein, dass die Hochschule, die ein Ort der Freiheit sein sollte, ein Ort der Gesinnungskontrolle wird. Sie haben verdeutlicht, dass ihnen Gesinnung über die Freiheit, dass ihnen selbstgefälliger Moralismus über Kunst geht. Die AfD hat Kunst nicht zu zensieren, sie hat sich auch gegen nichts, was auf den Theatern geschieht, zu wenden, genauso wenig wie die Studenten die berufliche Eignung einer Bibliothekarin aufgrund ihrer politischen Überzeugung zu beurteilen haben.

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Künstler haben mit ihrem Werk, die Vielfalt der Welt darzustellen, nicht die Einfalt ihrer politischen Überzeugungen. Kunst lebt aus der Freiheit und sie schafft Freiheit, deshalb wird sie in Diktaturen argwöhnisch beobachtet und zensiert. Wenn der Ungeist der Zensur, des Meinungsdiktats, der Hybris zum Geist einer Kunsthochschule wird, dann hat die Hochschule die Kunst verloren.

Der Rektor, der Kanzler und die Bibliothekskommissarin stellten sich – unabhängig ihrer persönlichen politischen Überzeugungen – hinter Lenk, deren fachliche Fähigkeiten nicht in Frage stehen. Arbeitsrechtlich bietet sich überdies kein Ansatz für Lenks Entlassung. Bis Montag haben die Studenten die Bibliotheksbesetzung ausgesetzt, doch habe sie angekündigt, in ihren Forderungen nicht nachzulassen. Eines ist ihnen jetzt schon gelungen, dem Ruf ihrer Hochschule Schaden zuzufügen. Man wird die beschämenden Vorgänge an der Hochschule im Auge behalten als Lehrstück darüber, wie Kunststudenten sich gegen das Grundgesetz, gegen die Freiheit, gegen die Kunst selbst wenden und zudem von einer Begrenzung der Freiheit träumen.