Tichys Einblick
Der Zweck heiligt die Mittel?

Mit milden Urteilen ermuntern Richter und Politiker Klima-Extremisten zu neuen Straftaten

Seit Tagen haben Klima-Extremisten Deutschland im Griff. Vor allem die Pendler in der Hauptstadt leiden unter deren Terror. Der gelangt allmählich vor Gericht – und trifft dort auf verständnisvolle und ermutigende Richter.

Autobahnblockade eines Klimaextremisten in Berlin, 10.10.2022

IMAGO / Die Videomanufaktur

Das Bundesministerium der Finanzen war vergangene Woche ein Ziel von Klima-Extremisten. Sie stürmten laut eigenen Aussagen mit knapp zwei Dutzend Teilnehmern das Gebäude und klebten sich dort fest. Die Frage stellt sich: Wie ist das möglich? Im Regierungsviertel herrscht ein strenges Sicherheitsregime. Eigentlich. Schon wer einen Abgeordneten in dessen Büro besuchen will, muss sich und sein Anliegen an der Pforte identifizieren und seinen Ausweis zurücklassen.

Wer Finanzminister Christian Lindner (FDP) abends dazu bei Maischberger hört, wundert sich über nichts mehr: Der Protest sei unnötig gewesen, sagt der Vorsitzende einer einstigen Rechtsstaatspartei. Aber er, Lindner, unterstütze ja bereits ihr Anliegen, die Entschuldung südlicher Länder, in Wort und Tat. Zu dem terroristischen Angriff auf ein Bundesministerium sagt der Regierungsvertreter nichts. Lindner akzeptiert die Logik des Terrorismus: Der Inhalt zählt, der Gesetzesübergriff ist hinzunehmen.

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Angesichts solcher Vorgaben aus der Politik wundern dann die Urteile zum Klima-Terror auch nicht mehr. So fand diese Woche Jens V. in Berlin-Tiergarten einen verständnisvollen Richter: Zwei Anzeigen wegen Nötigung verhandelt das Gericht, die nächste liegt schon auf dem übervollen Stapel – und V. erhält 600 Euro Strafe. Das entspricht 40 Tagessätzen. Um vergleichbar schmerzhafte Urteile zu fällen, verhängen Gerichte grundsätzlich Tagessätze, deren Höhe sich an dem Einkommen des Täters orientieren.

V. muss so wenig zahlen, weil er von „Grundsicherung“ lebt. In Nordrhein-Westfalen. Für seine Fahrten nach Berlin scheint Geld da zu sein. Zeit sowieso. Für V. stehen andere morgens auf, fahren zur Arbeit und überlassen ihm einen Teil ihres Lohns, damit er auch leben kann. Das ist für V. nicht in Ordnung. Dass sie fahren. Deswegen klebt er sich mit anderen Klima-Extremisten auf die Straße. So belehrt er seine Finanziers darüber, was sie alles falsch machen, wenn sie sein Brot mitverdienen. Im Juni in Berlin-Charlottenburg, im Juli in Berlin-Wedding.

Der Mensch, der von Grundsicherung lebt, will die Menschen aufrütteln, sagt er vor Gericht, wie die Bild berichtet: „Eher gehe ich ins Gefängnis, als aufzugeben. Ich werde auch diese Woche wieder an solchen Aktionen teilnehmen.“ Wiederholungstäter. Keine Einsicht. Kündigt weitere Straftaten an, was vor Gericht als negative Sozialprognose gilt. 40 Tagessätze. 600 Euro. Als Wiedergutmachung für alle, die zahllose Stunden verloren haben, denen ein kaum zu berechnender volkswirtschaftlicher Schaden entstanden ist, als sie auf dem Weg waren, für V.’s Broterwerb mitaufzukommen.

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Eine zu milde Strafe? Nicht, wenn es nach einem anderen Richter in Berlin-Tiergarten geht: Er lehnt am 5. Oktober den Strafbefehl gegen eine Klima-Extremistin der „Letzten Generation“ ab. Sie hatte im Juni in Berlin-Friedrichshain eine Straße blockiert.

Der Richter feiert sie in seiner Begründung dafür: Weil das Anliegen der Klima-Extrimisten „ein dringendes globales Thema ist, (das) wissenschaftlich nicht zu bestreiten (ist) und … regelmäßig in entsprechenden internationalen Klimakonferenzen betont und mit an Deutlichkeit kaum zu übertreffenden Worten vom UN-Generalsekretär bestätigt (wird)“, wie der RBB berichtet. Das kommt einem Freibrief gleich.

Zu 40 Arbeitsstunden verurteilte das Amtsgericht Freiburg Ende September einen 20 Jahre alten Medizinstudenten. 200.000 Euro kostet den Staat ein Medizinstudium im Schnitt. Geld, das Bürger aufbringen, die morgens zur Arbeit fahren. Es sei denn, der Student blockiert ihnen den Weg. 40 Arbeitsstunden muss der Student dafür ableisten. 13 Stunden und 20 Minuten für jede Nötigung, derer ihn das Gericht schuldig spricht. Allein eine der drei Aktionen, dieses Mal auf der A5, sorgt für einen 20 Kilometer langen Stau. Hunderte von Bürgern verlieren zusammen Tausende Stunden Lebenszeit. 13 Stunden davon zahlt der Student davon nun zurück. Und 20 Minuten.

600 Euro muss ein Student zahlen – oder ihm politisch nahestehende Geldgeber –, der im Februar die A100 in Berlin-Moabit blockiert hat. Hier spricht der Richter laut RBB davon, der Verurteilte habe sich „absolut antidemokratisch verhalten“ und die Leute regelrecht in Haft genommen. Die 600 Euro entsprechen dann 30 Tagessätzen à 20 Euro. Studenten scheinen über mehr Geld zu verfügen als Bezieher von Grundsicherung. Vor Gericht versicherte der Student, die Veranstalter hätten darauf geachtet, dass Krankenwagen jederzeit durchkämen. Ob das stimmt oder ob es ein taktisches Manöver war, bleibt als Frage ungeklärt.

Sprachliche Manipulationen
„Aktivisten“? Nein, Extremisten!
450 Euro sollte ein 20 Jahre alter Mann aus Essen zahlen, weil er im Juni in Berlin Menschen für seine politischen Überzeugungen quasi in Haft nötigte. Ein bisschen hart. Deswegen milderte das Gericht es auf 60 Stunden Freizeitarbeit ab. Auch dieser Täter hatte vor Gericht keine Einsicht gezeigt und weitere Straftaten angekündigt. Er ist Student der Philosophie. Dieses Studium kostet die Bürger, die morgens zur Arbeit fahren, nur ein Drittel von dem der Medizin – wenn die Studenten denn die Regelzeit einhalten.

Nach den Urteilen fallen zwei Gemeinsamkeiten ins Auge: Es sind meist Personen mit viel Tagesfreizeit, die sich ihren Mitbürgern in den Weg stellen. Und es sind Leute, die mittelbar oder unmittelbar vom Lohn der Arbeit profitieren, von der sie ihre Opfer abhalten. Das andere ist die Milde, die Gerichte gegenüber Klima-Extremisten zeigen. Die fehlende Einsicht der Schuld führt zu keiner Strafverschärfung – nicht einmal die Ankündigung weiterer Straftaten tut das. Damit ignorieren die Richter aus politischen Gründen elementare Grundsätze der Rechtsprechung.

Die Botschaft kommt bei Klima-Extremisten an. Sie forcieren ihren Terror. Noch handeln die Urteile nur von Straßenblockaden. Doch angesichts der milden Urteile lassen die Klima-Extremisten die Situation längst eskalieren: Sie sind mittlerweile zur Sachbeschädigung in Museen und Autohäusern übergegangen – und in Regierungsbehörden. Deren Vertreter zeigen sich liebedienerisch: Sie würden den Klima-Extremisten doch inhaltlich schon entgegenkommen. Christian Lindner erinnert in dem Moment an den Biedermann von Max Frisch, der die Brandstifter in seinem Dachgeschoss unterbringt, in der Hoffnung, dass sie dieses dann verschonen.