Tichys Einblick
In ernsten Zeiten kommt es auf die Inhalte an

Friedrich Merz – das große Versprechen

In der ARD verkündet Friedrich Merz, dass Deutschland den Höhepunkt seines Wohlstands hinter sich habe. Damit klingt er seltsam alternativlos wie Angela Merkel: denn verantwortlich für diesen Zustand ist in erster Linie seine eigene Partei.

IMAGO / IPON

Wenn man den Niedergang der CDU in einem Satz zusammengefasst haben möchte, muss man nur den Tweet der Bundestagsabgeordneten Katja Leikert (CDU) lesen, die zur Spiegel-Affäre den absurden Satz beizutragen wusste: „Als erste muss eine Vierfach-Mutter das Ampel-Kabinett verlassen. #Spiegel“. Dass die CDU-Politikerin das „Wording“ der Grünen übernahm, erstaunt nicht, denn sie lobt in ihren Tweets auch sonst erstaunlich oft die Grünen. Das dürfte sie von ihrer grünen Kanzlerin gelernt haben.

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Ansonsten sitzt die Hanauer Abgeordnete im Auswärtigen Ausschuss und kann – ihren Tweets nach – nicht früh genug sehen, dass in Deutschland die Lichter ausgehen. Damit liegt sie im gewissen Sinn auf der Linie ihres neuen Parteivorsitzenden Friedrich Merz. Der hat vor kurzem in der ARD gesagt: „Wir haben wahrscheinlich – jedenfalls für eine gewisse Zeit – den Höhepunkt unseres Wohlstandes hinter uns. Es wird schwieriger“. Das „Wir“ war insofern unangebracht, weil es Friedrich Merz nicht betrifft und nicht betreffen wird, weil er für Leute gearbeitet hat, die es auch nicht betrifft und nicht betreffen wird.
Statt die Regierung zu stellen, bedient sich der CDU-Chef wohlfeiler Parolen

Dem CDU-Vorsitzenden ist entgangen, dass diesen Zustand nicht diejenigen in Deutschland, die arbeiten und Steuern zahlen, verursacht haben, sondern seine Partei, genauer die Apparatschiks seiner Partei, Leute wie Katja Leikert. Mit diesem Satz hört sich Friedrich Merz übrigens an wie Angela Merkel, es klingt wie „nun sind sie eben mal da“, nun ist es eben mal passiert, nun haben wir eben die Situation.

Wohlstandsverlust muss jedoch nicht naturgesetzlich eintreten, wenn man konsequent und klug und unkonventionell die richtige Politik macht. Anstatt über den Wohlstandsverlust schon mal prophylaktisch zu jammern, kann man von einer Oppositionspartei verlangen, dass sie jetzt die Vorschläge einbringt, mit welcher Politik der Wohlstandsverlust zu verhindern, zumindest abzubremsen ist. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass selbst im Wohlstandsverlust Leute am Elend der vielen verdienen. Mit Vorschlägen könnte die Opposition die Regierung stellen, anstatt mit wohlfeilen Parolen punkten zu wollen, die Deutschlands Talfahrt noch beschleunigen würden, wie Merzens Kollege Röttgen.

Merz spricht von einem Schaden, den seine eigene Partei angerichtet hat

Es kommt noch schlimmer, das heißt zynischer. Merz befand in der ARD, dass die Politik nicht jeden Schaden und nicht jede Teuerung mit staatlichen Mitteln ausgleichen kann. Der Oppositionsführer spricht von dem Schaden, den seine Partei, den die Politik angerichtet hat. Vor allem muss die Politik keinen Schaden und gar nicht mit „staatlichen Mitteln“, was im Klartext heißt mit Steuermitteln, „ausgleichen“, sie könnte sofort handeln: CO-2 Steuer aussetzen, Energiesteuer senken, und den verringerten Mehrwertsteuersatz für Energie, Benzin und Diesel ansetzen. Aber stimmt, das kommt nicht in Frage, die CDU ist ja eine Klimapartei wie die Grünen. Man könnte auch, wie es in Ungarn ist, die Energiepreise deckeln.

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Das Meisterstück lieferte der Oppositionsführer jedoch mit der Bemerkung ab, dass man zwar bestimmten Bevölkerungsgruppen gezielt helfen müsse, kinderreichen Familien mit geringem Einkommen beispielsweise, „aber es wird für die normale Familie, auch für viele im Land, teurer werden.“ Wie abgehoben muss man sein, wenn man nicht wahrnimmt, dass der Mittelstand in diesem Land, die gern gemolkene Kuh, immer stärker unter Druck gerät? Und der Druck wird zunehmend existentieller. Dass es Chance und Aufgabe der CDU wäre, gerade von hier aus zu denken, wenn man überhaupt gesellschaftspolitisch verantwortlich handeln möchte, hat der „Oppositionsführer“ nicht auf der Agenda. Ihm scheint nicht bewusst zu sein, welche Bedeutung der Mittelstand, die „normale Familie“ für die Statik des Landes besitzt.
Inhalte entscheiden, nicht parteipolitische Spielchen

Wie sehr Friedrich Merz in den sterilen Kategorien eines technokratischen Politikansatzes steckengeblieben ist, zeigt seine Äußerung über das Sondervermögen der Bundeswehr. Zwar will er „der Bundeswehr helfen“, aber die Regierung habe für ein einfaches Gesetz eine einfache Mehrheit und für eine Änderung des Grundgesetzes „alle Abgeordneten der Regierungsfraktionen“ aufzubringen. Handelt es sich um parteipolitische Ranküne oder um das Wohl und die Sicherheit unseres Landes in bedrohlicher Zeit? Geht es nicht zuallererst um den Inhalt der Gesetze, um ihren Effekt?

Wenn Scholzens Gesetz und seine Grundgesetzänderungen für das Land gut sein sollten, werden ihm Abgeordnete der Regierungskoalition ohnehin die Gefolgschaft nicht verweigern. Doch wenn in diesem Bereich, im Bereich der Not, ein Gesetz oder eine Grundgesetzänderung, die inhaltlich richtig und gut für Deutschland ist, scheitert, dann scheitert Deutschland. Erfüllen Gesetz und Grundgesetzänderung andererseits nicht ihre Funktion, sind sie nur Placebo und zum Schein für die Bürger gemacht, dann darf die Union sowieso nicht zustimmen. Die Zeiten sind ernst, es geht um Inhalte. Inhalte entscheiden in ernster Zeit, nicht parteipolitische Spielereien.

Friedrich Merz war Zeit seines Lebens ein großes Versprechen, es wird endlich Zeit, dass er dieses Versprechen einlöst.