Tichys Einblick
Fridays for Future vs. Anne Frank-Querdenker

Die Sache mit den bösen und den guten Demo-Kindern

Die Republik ist empört: Bei Querdenken treten teils kleine Kinder auf, erzählen von Anne Frank und lesen von Zetteln ihre "Meinung" auf der Bühne ab. Neuer Level der Schamlosigkeit? Eine Erinnerung.

imago images / Reichwein

Es ist einer der größten Aufreger in den Medien der letzten Wochen: Kinder auf Querdenker-Demos vergleichen sich mit Sophie Scholl und Anne Frank und setzen ihren Widerstand gegen die Corona-Politik damit quasi dem Widerstand gegen die Nazis gleich. „How dare you!“ schreien Tagespresse und Politiker – und auch der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, hat sich eingeschaltet. Blume sieht den Anne Frank-Vergleich als „neue Eskalation“. NS-Vergleiche habe es bei den Corona-Demos ja schon öfter gegeben – neu sei aber, „dass Kinder in offensive Rollen und zum Mitmachen gedrängt werden“. Der Spiegel spricht von einem „Kampf mit Kindern“ der Querdenken-Bewegung und auch der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, sieht in den Äußerungen der Kinder „das perfide Ergebnis einer langen Kette von Diskursverschiebungen und gezieltem Geschichtsrevisionismus, basierend auf Schulungen der Neuen Rechten.“ Es dauert wahrscheinlich nicht mehr lange, bis Vergleiche zwischen den Querdenker-Kindern und der Hitler-Jugend gezogen werden.

Heft 12-2020
Tichys Einblick 12-2020: Lockdown im Kopf
Liebe Presse, bitte haltet mal kurz die Luft an. Und keine Angst: ich bin, was NS-Vergleiche angeht, ja auf eurer Seite. Was die Kinder da sagen, ist ziemlich Banane. Aber bitte guckt euch doch auch die kleinen Mädchen erstmal an, die da angeblich bald stramm für die Neuen Rechten marschieren: Die Jana aus Kassel (die sich mit Sophie Scholl verglichen hat) heult fast, als ein Ordner ihr zuruft, ihre Aussage sei eine Verharmlosung des Holocaust. Sie soll zwar 22 Jahre alt sein, wirkt aber eher wie 12, jammert immerzu „ich habe doch gar nichts gesagt“ und verlässt schließlich bockig die Bühne – nicht gerade eine brandgefährliche Agitatorin. Und die Kleine aus Karlsruhe („Anne Frank“) ist tatsächlich gerade mal elf und hat ihre Erzählung augenscheinlich komplett abgelesen. Wer weiß, ob diese versteckte Geburtstagsparty, von der sie berichtet, überhaupt stattgefunden hat, oder ob der Papi nicht einfach gesagt hat „lies das mal vor, dann musst du diesen Monat nicht das Bad putzen“. Hand auf’s Herz: Sehen so überzeugte Nachwuchs-Nazis aus?

Mal im Vertrauen, liebe Medienschaffende – ihr macht euch doch lächerlich, wenn ihr den Querdenkern NS-Vergleiche vorwerft. Überlegt doch mal: Wer hat denn damit angefangen? Ihr wisst nicht, wovon ich spreche? Na da gab’s doch zum Beispiel den Mitbegründer der Klimabewegung Extinction Rebellion, Roger Hallam. Dämmert’s jetzt? Dieser Hallam hat vor einem Jahr im ZEIT-Interview den Holocaust als „just another fuckery in human history“, also als „nur ein weiterer Scheiß in der Menschheitsgeschichte“ bezeichnet. Im Gespräch mit dem Spiegel hat er noch nachgelegt: „Der Klimawandel ist nur das Rohr, durch das Gas in die Gaskammer fließt. Es ist nur der Mechanismus, durch den eine Generation eine andere tötet.“ Anderes Beispiel: Der Deutschlandfunk verbreitete zur Sendung „Wer sind unsere Helden und Heldinnen?“ ein Bild von Greta Thunberg neben Sophie Scholl. Das wollt ihr auch vergessen haben? Na dann schickt doch noch einmal einen Praktikanten in euer Archiv. Und ohnehin: Jeden Tag hört man doch nur, wer alles Nazi ist – Höcke, Sarrazin und bald jeder rechts der Grünen. Und wenn wir jetzt mal ganz ehrlich sind: Wenn die neuen Nazis so allgegenwärtig sind, macht euch das doch auch ein wenig zur Weißen Rose, oder? Tief in eurem Herzen habt ihr doch auch Sophie-Scholl-Gedanken, gebt’s ruhig zu.

Wer unterwandert wen?
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Aber abgesehen davon, liebe Journalist- und Aktivist:innen, seid doch mal ehrlich: eigentlich findet ihr politische Kinder doch super. Ihr wisst genau, wovon ich spreche. Wie, erinnert ihr euch nicht mehr? Ihr hab die „Klimaaktivisten“ in eure Talkshows eingeladen, wohl wissend, dass sie nicht nur grün im Herzen, sondern auch hinter den Ohren sind. Der ÖRR hat sogar in seinen Kindersendungen Werbung für Fridays For Future gemacht und einen ganzen Dokumentarfilm über Greta gedreht. Auf jeder Fridays for Future laufen auch ganz kleine Kinder unter 10 mit Plakaten für das 2°-Grad-Ziel herum. Das ist was anderes, sagt ihr? Warum? Weil diese Kinder sich für etwas eingesetzt haben, das euch gefallen hat?

Mal ganz unter uns, eigentlich könnt ihr euch doch freuen. Ja, da sind Demonstranten, die nicht in eurem Sinne demonstrieren – das ist nervig, kann ich ja verstehen. Aber guckt doch mal genauer hin: Was ist denn eine Querdenken-Jana im Vergleich zu eurer Greta? Das war doch ganz großes Kino, wie die kleine Schwedin vor den Vereinten Nationen gestanden hat. Weinend und sichtbar erregt. „Ihr habt meine Zukunft gestohlen!“, hat sie gezischt und alle haben geklatscht. Und keiner hat in dem Moment daran gedacht, dass Greta ein verängstigtes Kind ist, das offensichtlich wirklich der Meinung ist, dass wir uns mitten in einer Klimakatastrophe befinden. Keiner hat daran gedacht, dass dieses Kind augenscheinlich absolut abgebrühte Eltern hat, die ihr Kind lieber in seinem Weltuntergangswahn bekräftigt haben, anstatt es zu beruhigen. Und das habt ihr geschafft! Ok, ein bisschen lag es auch an der Blödheit der Leute – aber die Dummheit kommt euch zugute. Den Hype um Greta habt ihr erzeugt, da könnt ihr doch mal stolz drauf sein!

Also ihr seht: ihr könnt euch wieder beruhigen. Die Querdenken-Kinder haben ohne eure Unterstützung nicht einmal den Hauch einer Chance, so bekannt zu werden wie die Klima-Kids. Und das mit den NS-Vergleichen haben sie sich doch nur von euren grünen Lieblingen abgeschaut. Also hört doch mal auf, auf ihnen herumzutrampeln. Es ist nicht nötig. Und zu Weihnachten wollt ihr doch bestimmt auch mal was Gutes tun.

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