Tichys Einblick
Flüchtlingsströme 2015 und heute

Warum „2015“ die Aufnahme von Flüchtlingen heute erschwert

Die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchteten Frauen, Mütter, Kinder, Senioren finden kaum Platz in Deutschland. Weil die Unterkünfte für Flüchtlinge in Deutschland schon vor dem Überfall Putins auf das Land zu 90 Prozent belegt waren.

Notunterkunft für Flüchtende des Ukraine-Krieges, 16.03.2022

IMAGO / MiS

Niemand weiß so ganz genau, wie viele Schutzsuchende/Schutzbefohlene/Geflüchtete/“Neubürger“/Asylbewerber der Jahre 2015 bis 2021 sich nach wie vor in Deutschland aufhalten, wie viele wie lange schon da sind, wie viele sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, wie viele in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind oder dorthin zurückgebracht wurden … Wahrscheinlich will und soll man es gar nicht so genau wissen. Nur eines ist bestätigt: Es kamen seitdem rund eineinhalb Millionen; Asylberechtigte machen 0,7 Prozent aus.

Aber eines wissen wir anhand des Beispiels Berlin sehr gut: Die vor dem Krieg aus der Ukraine geflüchteten Frauen, Mütter, Kinder, Senioren finden kaum Platz in Deutschland. Aktuell sind es bei täglich steigenden Zahlen von drei Millionen schon 150.000, die allein in Deutschland angekommen sind. Es sind geschätzte Zahlen, denn im Regelfall finden keine Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen statt, und Ukrainer dürfen ohne Visum einreisen. Das heißt: Die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher sein.

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Weil die Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland schon vor dem Überfall Putins auf die Ukraine zu 90 Prozent belegt waren, finden sie nur notdürftig Unterkunft. In Berlin sind das, abgesehen von den vielen privat angebotenen Quartieren, 12 Aufnahmeeinrichtungen und 70 Gemeinschaftsunterkünfte. Währenddessen hatte sich Berlin der Initiative „Seebrücke – schafft sichere Häfen“ angeschlossen. Wer mit Hilfe von Schleusern über das Mittelmeer in die EU, bevorzugt nach Deutschland, kam, konnte auf die Parole hoffen: „Wir haben Platz“. Sogar Grundschulklassen posierten mit entsprechenden Plakaten.

Nun kommen in Berlin binnen drei Tagen 30.000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine an. 2015 waren es dort täglich rund eintausend. Mittlerweile wurden in den Gebäuden des vormaligen Flughafens Tegel 3.000 Betten aufgestellt. In Schönefeld soll Ähnliches folgen. Züge dienen vorübergehend als Notunterkünfte. Berlin ist nicht nur als Hauptstadt, sondern auch aufgrund der Nähe zu Polen bevorzugtes Ziel. Folge: Dort kommen derzeit so viele Flüchtlinge an wie in allen anderen Bundesländern zusammen. Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin Berlins, bittet sogar die Bundeswehr um Hilfe. Sie sprach von einem „dynamischen Ankunftsgeschehen“ und hofft auf die Unterstützung von 80 Bundeswehrangehörigen.

Zugleich wollen immer mehr Kommunen helfen, können es aber kaum. Von einem “Katastrophenmodus“ ist die Rede. In Hamburg sind seit Beginn des Krieges rund 10.000 Menschen angekommen, ca. 1.000 werden es täglich mehr. Ein Großmarkt wurde zur Schlafstätte umfunktioniert. 600 Feldbetten wurden in der 11.500-qm-Halle aufgestellt. Über München sagt Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD): „Wir haben im Schnitt 1500 Flüchtlinge am Tag. Unsere Priorität war, Betten aufzustellen – davon 4000 in der Messe.“ In Köln bilden sich vor der „Zentralen Ausländerbehörde“ lange Schlangen. Der Landkreistag verlangt unterdessen eine gleichmäßige Verteilung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine im gesamten Bundesgebiet.

Derweil ist die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung riesig. Aktuell geht es um mindestens 3 Millionen Flüchtlinge aus der Ukraine gen Westen. Viele Frauen, Kinder und Senioren, die aus der Ukraine geflüchtet sind, finden Unterschlupf bei Verwandten, aber auch bei anderen aufgeschlossenen Bürgern.

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Das passt nicht allen politischen Kommentatoren. Vor allem lesen und hören wir täglich Kommentare, in denen die schier unglaubliche Hilfsbereitschaft gerade der Polen, der Ungarn, der Slowaken und der Tschechen mies gemacht werden. Tenor: Diese Länder hätten sich 2015/2016 – wie es heißt: aus ideologischen, ja gar fremdenfeindlichen Motiven – einer Aufnahme von Flüchtlingen versperrt. Selbst FAZ-Kommentatoren sind nicht frei von solcher Interpretation. Dass die Grenzschließung durch Ungarn damals Kanzlerin Angela Merkel rettete, dürfte auch klar sein. Denn eine weitere Million Flüchtlinge hätte sie aus dem Kanzleramt gefegt.

Doch halt: Es gibt da nicht nur gewisse, sondern essentielle Unterschiede.

Erstens kamen ab 2015/2016 zu 90 Prozent junge Männer aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum. Bis zum heutigen Tag ist es so geblieben – man muss sich nur die Bilder der im Mittelmeer Geretteten anschauen. Ihre Familien haben sie zu Hause dem Schicksal überlassen. Jetzt aber kommen aus der Ukraine Frauen und deren Kinder. Ihre Männer und Väter bleiben in der Ukraine, ja müssen dort bleiben, um ihr Land zu verteidigen.

Zweitens: Die aus der Ukraine Geflüchteten wollen eines Tages wieder zurück in ihr Land. Die 2015 und in den folgenden Jahren Geflüchteten kaum. Letztere haben ihre Pässe „verloren“, die aus der Ukraine Geflohenen hüten ihre Pässe wie ihren Augapfel.

Und drittens: Es ist schon ein Unterschied, ob man europäisch geprägte Verwandte aufnimmt oder Menschen aus einer Kultur, die die europäische Kultur ablehnen, ja als minderwertig betrachten und integrationsunwillig sind.

Was all dies für Flüchtlingsunterkünfte konkret bedeutet kann, hat eine achtzehnjährige Ukrainerin in einer Düsseldorfer Flüchtlingsunterkunft am 6. März erleben müssen. Sie wurde von zwei Männern vergewaltigt: laut Bild von einem Iraker (37) und einem Nigerianer (26). Beide haben angeblich ukrainische Pässe. Die meisten Zeitungen  (SZ, Rheinische Post, WAZ usw.) schweigt sich übrigens über die Nationalität der Täter aus. Das Opfer ist mittlerweile nach Polen geflüchtet.

Das ist eben der Unterschied zwischen Nächstenliebe und politisch korrekter, oktroyierter Fernstenliebe.