Tichys Einblick
Weitere Blamage

Faeser lässt 400 Seiten über „Muslimfeindlichkeit“ verschwinden

Das Bundesinnenministerium muss den Bericht über „Muslimfeindlichkeit“ entsorgen. Kritiker des Islamismus waren darin diffamiert worden, ein Verwaltungsgericht hatte die Verbreitung untersagt. Für Nancy Faeser, die das Stück gelobt hatte, eine weitere Blamage.

IMAGO / Metodi Popow
Das Bundesinnenministerium wird den 400 Seiten starken Bericht des achtköpfigen „Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit“ (UEM; tätig von 2020 bis Juni 2023 mit 1,5 Millionen Euro Finanzausstattung) nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin nicht mehr verbreiten. Im Netz ist der Bericht nicht mehr zu finden, zweihundert verbliebene Druckexemplare wurden entsorgt. Hier stand der UEM-Bericht einmal; jetzt steht dort nur noch: „Es tut uns leid, aber diese Seite ist leider nicht auffindbar.“

In dem Bericht waren Islam- und Islamismus-Kritiker diffamiert worden: namentlich der Mit-Herausgeber des Blogs „Die Achse des Guten“ Henryk M. Broder, der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries und die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann (Mitglied im hessischen SPD-Landesverband, also im Faeser-Landesverband). Die drei Personen wurden im Bericht in den Kontext von „Muslimfeindlichkeit“ gerückt. Vor allem Broder und Herrmann sahen sich durch wertende Erwähnungen in ihrem Ruf geschädigt. Der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries sieht im Gerichtsentscheid erneut eine krachende Niederlage Faesers; er forderte Faeser auf, sich bei den Betroffenen zu entschuldigen.

Faeser-Methode: Anschwärzen lassen und dann herausreden

Sigrid Herrmann betreibt seit mehreren Jahren den Blog „Islamismus und Gesellschaft“; sie berät Verfassungsschutzämter und Medien. Über die Bloggerin heißt es in dem UEM-Bericht, sie selbst bezeichne sich auf ihrem Blog als „Islamismus-Expertin“, „trotz fehlender fachlicher Expertise oder relevanter Sprachkenntnisse“. Solche Etikettierungen belasten natürlich ihren Ruf. Seither sieht sie sich Angriffen von Protagonisten des politischen Islam ausgesetzt. Denn die Anschuldigungen gegen sie kursieren weiter, wenn auch nicht mehr über die Webseite des BMI. „Meiner Ansicht nach macht sich das BMI die Sache zu leicht. Denn sie haben Unwahrheiten über mich verbreitet. Das sollte auch eingestanden werden“, sagt Herrmann. So bezögen sich ihre Gegner nach wie vor auf die UEM. „Das Mindeste wäre, dass das BMI einräumt, mir Unrecht getan zu haben und es auf meine Person bezogen richtigstellt.“

Henryk M. Broder hatte als erster gegen seine Erwähnung in dem Bericht geklagt und Recht erhalten. In seiner Entscheidung hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg das BMI verurteilt, die Passagen über Broder nicht mehr zu veröffentlichen, da sie sein Persönlichkeitsrecht verletzten. Das Gericht rügte dabei vor allem, dass die Studie wie eine amtliche Äußerung der Bundesregierung verstanden werden könne. Das Innenministerium sei zu Zurückhaltung, Sachlichkeit, Ausgewogenheit und „rechtsstaatlicher Distanz“ verpflichtet. Die Äußerungen der Sachverständigen im Bericht über Muslimfeindlichkeit seien aber so bewertend, dass sie den Autor herabsetzen könnten.

Dem CDU-Abgeordneten de Vries wurde gar mangelnde Abgrenzung zur AfD vorgeworfen, weil er in seine Argumentation gegen den islamischen Extremismus auch „reguläre Strukturen des Islams und strengreligiöse Verhaltensweisen eines orthodox-konservativen Teils der Muslim*innen“ bruchlos mit einbeziehe. Auch heißt es in dem UEM-Bericht: „Die CDU/CSU (de Vries) wandte sich gegen Muslimfeindlichkeit, lehnte dafür aber (ebenso wie die AfD) die Bezeichnung ‚Antimuslimischer Rassismus‘ als angeblich konstruierten Begriff ab.“ De Vries sieht in diesen Absätzen eine Herabwürdigung seiner Arbeit, da er sich sehr wohl für Integration einsetze.

Faesers Ministerium redet sich nun billig heraus: Auf Anfrage des RBB erklärte das Ministerium, dies sei kein amtlicher Bericht des BMI gewesen, sondern ein Bericht des UEM-Kreises. Das BMI teilte zudem mit: „Ob und wie der Expertenkreis UEM seinen Bericht in Zukunft veröffentlichen wird, ist dem Expertengremium selbst überlassen.“ UEM-Koordinator Mathias Rohe von der Universität Erlangen sagte dem RBB, dass das Gremium nicht mehr existiere. Insofern sei er auch nicht berechtigt, den Vorgang zu kommentieren. Außerdem habe es mindestens ein ehemaliges UEM-Mitglied inzwischen ablgeehnt, den Bericht in Eigenregie wieder online stellen zu lassen. Damit ist der Weg versperrt, den Text wieder an die Öffentlichkeit zu bringen. Die 1,5 Millionen Euro sind also zum Fenster hinausgefeuert. Es bleibt: „Schön, dass wir uns mal unterhalten haben.“

Rückblende: die üblichen Narrative

Faeser war im Juni 2023 voll des Lobes ob des UEM-Berichts. Sie kündigte damals an, es gelte nun, sich ernsthaft mit den Empfehlungen des UEM-Berichtes auseinanderzusetzen und „entschlossen gegen Muslimfeindlichkeit vorzugehen“. So schrieb Faeser im Vorwort des Berichtes.

Ansonsten die üblichen Narrative: Muslime, die offen ihre religiöse Zugehörigkeit bekennen, ob durch Kleidung oder Mitgliedschaft in Organisationen, vor allem kopftuchtragende Frauen berichteten von „besonders drastischen Formen der Anfeindungen“. Insgesamt berichteten muslimische Frauen, dass sie als nicht selbstbestimmt angesehen würden. Muslimische Männer erzählen, sie würden als aggressiv und gewalttätig wahrgenommen.

Explizit riet die 8-er UEM-Runde, einen Sachverständigenrat und einen Bundesbeauftragten für die Bekämpfung von Muslimfeindlichkeit zu ernennen. Außerdem empfahl der Bericht eine Melde- und Dokumentationsstelle sowie mehr Beratung. Zudem sollten die Kultusministerien die Lehrpläne und Schulbücher überarbeiten und die Politische Bildung einen eigenen Themenbereich anbieten. Für den Kampf gegen institutionellen Rassismus sollten Berufsgruppen in allen staatlichen Einrichtungen stärker sensibilisiert werden. Der Bericht sah auch in vielen Medien eine „einseitig konfliktorientierte Berichterstattung“ über den Islam. Im Internet und den sozialen Medien falle das Negativbild noch drastischer aus. Auch christliche Medien nähmen „in sehr unterschiedlicher Intensität an einseitigen Islamdiskursen teil“.

Zwei Fragen zum Schluss

Erstens: Wer wird nach welchen Kriterien als „Experte“ in eine solche Kommission berufen? Hier die Namen der 8 UEM-Kommissionsmitglieder:

• Saba-Nur Cheema, Goethe-Universität Frankfurt am Main / Bildungsstätte Anne Frank e. V.
• Dr. Yasemin El-Menouar, Bertelsmann Stiftung
• Prof. Dr. Karim Fereidooni, Ruhr-Universität Bochum
• Prof. Dr. Kai Hafez, Universität Erfurt
• Özcan Karadeniz, Verband binationaler Familien und Partnerschaften e. V.
• Prof. Dr. Anja Middelbeck-Varwick, Goethe-Universität Frankfurt am Main
• Prof. Dr. Mathias Rohe, Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg
• Prof. Dr. Christine Schirrmacher, Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Katholische Universität Löwen

Zweitens: Das BMI beschäftigt in den höchsten Besoldungsstufen B8 und B9 eine zweistellige Zahl hochkarätiger Juristen. Keiner dieser Personen – auch Faeser nennt sich Volljuristin – ist aufgefallen, dass der Bericht vor Gericht keinen Bestand haben könnte. Wie kann das sein? Vielleicht ist es doch nicht so gut, wenn solche Spitzenämter nach politischer Nähe und nicht nach den vom Grundgesetz vorgegebenen Kriterien „Eignung, Befähigung und Leistung“ ausgewählt werden.

Ansonsten muss man – abgesehen von den verpulverten 1,5 Millionen Euro – vielleicht auch gar nicht so traurig sein, dass die 400 Seiten makuliert werden. Nicht ausgeschlossen ist aber die Realisierung gewisser UEM-Forderungen (Meldestellen, Bundesbeauftragte) über das „Demokratiefördergesetz“ der Ministerinnen Faeser und Paus.

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