Tichys Einblick
Ex-BND-Chefs schlagen Alarm

Das politisch gewollte Elend der deutschen Geheimdienste

Die ehemaligen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes August Hanning und Gerhard Schindler haben den deutschen Nachrichtendiensten ein vernichtendes Urteil ausgestellt. Priorität müssten jetzt neue Wege zum „Schutz unseres Landes und seiner Bevölkerung“ haben.

IMAGO / mix1
Die Bundesrepublik unterhält mit insgesamt über 10.000 Mitarbeitern drei Nachrichtendienste: als Inlandsgeheimdienst das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV; 2.750 Mitarbeiter, dem Bundesinnenminister unterstellt), den Militärischen Abschirmdienst (MAD, 1.200 Mitarbeiter, dem Verteidigungsministerium unterstellt) und als Auslandsgeheimdienst den Bundesnachrichtendienst (BND, 6.500 Mitarbeiter, dem Kanzleramt unterstellt). Alle drei fristen – politisch gewollt – ein reichlich unwirksames Dasein. Den MAD und das BfV mit seinem politisch willfährigen Präsidenten Thomas Haldenwang lassen wir mal außen vor; zu Letzterem wurde bei TE mehrfach berichtet:

Der BfV-Präsident sieht sich eher als Anti-Rechts- und Pro-Klimakleber-Kämpfer denn als neutraler und informativer Nachrichtendienstler. Und MAD und BND? Beiden kann man nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 getrost attestieren, dass sie wenig Ahnung haben, davon aber eine Menge. Soweit die Bundesregierung überhaupt halbwegs informiert ist und informiert sein will, was vor und nach dem 24. Februar 2022 geschah und geschieht, erfolgten die Informationen über Dienste der Nato-Verbündeten USA und Großbritannien sowie Israels.

Nun melden sich zwei Geheimdienstprofis zu Wort: Nachrichtendienste als „zahnloser Wachhund mit Maulkorb und an der Eisenkette“

Nun haben die Ex-BND-Präsidenten August Hanning und Gerhard Schindler den deutschen Nachrichtendiensten ein vernichtendes Urteil ausgestellt. In einem Gastbeitrag für „Bild am Sonntag“ werfen sie der Politik vor, die deutschen Nachrichtendienste über Jahre hinweg „zum zahnlosen Wachhund mit Maulkorb und Eisenkette degeneriert“ zu haben. Deshalb sei „eine Veränderung der gesamten Sicherheitsarchitektur unseres Landes“ notwendig. Es müsse alles „auf den Prüfstand“.

Weiter: Deutschland brauche „endlich einen neuen technischen Nachrichtendienst nach den erfolgreichen Vorbildern der USA und Großbritanniens: NSA (National Security Agency) und GCHQ (Government Communications Headquaters)“. Im Zuge der Umstrukturierung müsse die Zuständigkeit für den BND zudem aus dem Kanzleramt ausgegliedert werden. Das würde heißen: „Der BND sollte dem Ministerium unterstellt werden, wo die meisten Vorteile und Synergien zu erwarten sind – dem Verteidigungsministerium.“

Äußerst ungehalten sind die früheren BND-Chefs über den Umgang von Politik und Justiz mit den Nachrichtendiensten. Diese würden die Nachrichtendienste „als Bedrohung für die Rechte deutscher Bürger verunglimpfen“. Und dann die Hammeraussage: „Wir können es uns auf die Dauer nicht leisten, die Terrorismusaufklärung in Deutschland und den Schutz unserer Soldaten im Einsatz auf ausländische Dienste zu verlagern.“ Priorität müssten jetzt neue Wege zum „Schutz unseres Landes und seiner Bevölkerung“ haben.

Das ist starker Tobak, was Hanning und Schindler hier bieten. Und dennoch ist es notwendig, denn die beiden haben Recht. Seit Jahren fremdeln vor allem linke Parteien mit den „Diensten“, wollen sie abschaffen oder zumindest einschränken. Niedergeschlagen hat sich das auch im Koalitionsvertrag der „Ampel“. Dort heißt es auf Seite 87: „Wir stärken und bauen die Kontrolle, insbesondere die parlamentarische, aller nachrichtendienstlichen Tätigkeiten des Bundes weiter aus.“ Im Klartext heißt das: Kurze Leine! Links-Partei und Grüne sind früher gar mit der Forderung durchs Land gezogen, die drei „Dienste“ abzuschaffen. Deren Jugendorganisationen tun es noch heute. Die Böll-Stiftung der „Grünen“ entwickelte 2014 „Modelle zu Reform und Abschaffung der Geheimdienste.“ Wörtlich heißt es dort: „Geheimdienste und Demokratie, das verträgt sich nicht.“

Geradezu getoppt wurde das Ganze durch ein Urteil aus Karlsruhe vom 19. Mai 2020. Dort lesen wir: „Nach der Entscheidung ist die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG nicht auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt. Jedenfalls der Schutz des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Abwehrrechte gegenüber einer Telekommunikationsüberwachung erstreckt sich auch auf Ausländer im Ausland.“ Das heißt im Klartext: Jeder Terrorist irgendwo auf der Welt kann sich, würde er vom BND abgehört, auf das Grundgesetz und dessen Persönlichkeitsrechte berufen. Einmal mehr also: „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.“ Denn irgendwie sind wir ja alle Deutsche des Grundgesetzes in dieser einen Welt ohne Grenzen …

Leute wie Hanning und Schindler gibt es heute nicht mehr

August Hanning (*1946) und Gerhard Schindler (*1952) waren auch in ihrer aktiven Zeit eigenständige Köpfe. Die skandalösen Umstände um beider vorzeitige Ruhestandsversetzung sind nicht komplett offiziell geworden. Hanning jedenfalls war von 1998 bis 2005 BND-Chef, Innenminister Schäuble (CDU) holte ihn 2005 als Staatssekretär in sein Ministerium. Schäubles Nachfolger de Maizière (CDU) feuerte Hanning am 10. November 2009 wenige Tage nach seinem eigenen Amtsantritt vom 28. Oktober 2009. Wie es hieß: „Die Chemie zwischen beiden stimmte nicht.“

Schindler war von 2011 bis 2016 BND-Chef. Auch er wurde vor Erreichen der regulären Amtszeit frühpensioniert. Als Schindler im Februar 2020 unter dem Titel „Erinnerungen aus dem Bundesnachrichtendienst“ seine Memoiren veröffentlichen wollte, blockte das Kanzleramt dies ab. Man hatte zwei Jahre „geprüft“ und dann „Stopp!“ gesagt. Schindler fand einen Umweg. Im Oktober 2020 veröffentlichte er sein Buch „Wer hat Angst vorm BND Wer hat Angst vorm BND? Warum wir mehr Mut beim Kampf gegen die Bedrohungen unseres Landes brauchen. Eine Streitschrift“.

Was ist die Folge, dass es keine Leute wie Hanning und Schindler mehr gibt? Deutschland soll offenbar schutzlos sein. Merkels Politik der offenen Grenzen von 2015 wird von der „Ampel“ unbeirrt fortgesetzt. Egal, wer da kommt beziehungsweise eingeschleust wird!

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