Tichys Einblick
Die Schulden-Macher beim EU-Gipfel

Macron will den Handelskrieg mit den USA – Scholz hat nichts entgegenzusetzen

Beim heutigen EU-Treffen steht auch die Reaktion auf den „Inflation Reduction Act“ der USA auf dem Programm. Frankreichs Präsident Macron will offenbar in den Subventions- und Protektionswettlauf mit den USA treten, mit einem von neuen gemeinsamen EU-Schulden finanzierten „Souveränitätsfonds“.

Olaf Scholz beim EU-ASEAN-Gipfel in Brüssel, 14.12.2022

IMAGO / SNA

Dass beim heutigen EU-Gipfel wohl kaum Gutes für die deutschen Bürger herauskommen wird, liegt im Wesen der handelnden Politiker und in den jüngeren Urteilen der Richter des Bundesverfassungsgericht begründet. Im Grunde hätte Olaf Scholz sich und dem Steuerzahler die Reise nach Brüssel sparen können, denn das Bundesverfassungsgericht hat praktisch das Königsrecht des Parlaments, das Haushaltsrecht mit dem Urteil vom 6. Dezember 2022 ausgehebelt. Die No-bail-out-Klausel, die für die Deutschen die Grundbedingung dafür war, sich von der D-Mark zu verabschieden und den Euro zu akzeptieren, ist de facto außer Kraft gesetzt, der Staatsfinanzierung Tür und Tor geöffnet und damit der Weg der Staaten der EU in die Schuldenunion frei.

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Nach diesem Urteil ist Deutschland nicht mehr Herr über Schulden, die von Brüssel gemacht werden und für die Deutschland einstehen muss. Das Bundesverfassungsgericht hat damit ermöglicht, dass der Rat der Europäischen Kommission „zur Finanzierung von NGEU im Namen der Europäischen Union bis 2026 an den Kapitalmärkten Mittel bis zu einem Betrag von 750 Milliarden Euro zu Preisen von 2018“ aufnehmen kann. Unter NGEU ist das Programm „Next Generation EU“ zu verstehen, auch „Wiederaufbaufonds“ genannt.

Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz heute in Brüssel mit durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gebundenen Händen verhandelt, steht einmal auf dem Programm die Gaspreisbremse, zum anderen aber die Reaktion auf den „Inflation Reduction Act“ der USA, der am 1. Januar in Kraft tritt. Das Gesetz, das wohl als einziger europäischer Politiker Robert Habeck bejubelt, sieht hohe Subventionen und die qualifizierte Bevorzugung von Unternehmen, die in den USA produzieren, vor, und schafft damit einen äußerst effektiven Sog für die Abwanderung von europäischen Unternehmen in die USA, zumal die europäischen Firmen, allzumal die deutschen, unter zu hohen Energiepreisen leiden, die ihren Zenit wohl noch nicht erreicht haben.

Wirtschaftlich gehören die USA zu den Gewinnern und Profiteuren des Ukraine-Kriegs und Europa zu den Verlierern. Auf der einen Seite werben die USA gezielt deutsche Firmen ab, auf der anderen Seite verdienen sie an den überhöhten LNG-Preisen als Exporteur. Selbst Scholz‘ Katar-Deal wird über amerikanische Firmen abgewickelt. Fracking-Gas, dessen Förderung die Grünen in Deutschland verhindern, wird teuer aus den USA gekauft.

Während Scholz das Thema anscheinend lieber aussitzen möchte, dringt Emmanuel Macron auf Maßnahmen, die auf einen Handelskrieg mit den USA hinauslaufen. Damit schlafwandelt Europa in einen Zwei-Fronten-Krieg, im Osten der Wirtschaftskrieg gegen Russland, der mittels Sanktionen geführt wird, im Westen der Handelskrieg gegen die USA, den man mittels Subventionen gewinnen will. Es hat schon immer zu Macrons Strategie gehört, Europa noch französischer zu machen. Und so verrückt es klingt: Da eine deutsche Position, eine Position der Formulierung deutscher Interessen nicht mehr existiert, sondern die im Kern grüne Regierung amerikanische Positionen vertritt, wird man Macrons für Deutschland schädliche Politik am Ende wenigstens Politik nennen müssen.

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Macron will mit den USA in den Protektions- und Subventionswettlauf gehen. Subventionen sollen den hohen Energiepreisen entgegenwirken und so die Unternehmen in Europa halten. Das würde bedeuten, dass die dirigistische Industriepolitik Frankreichs in Europa zur Norm wird. Aber da die einstige deutsche Philosophie des stabilen Geldes schon vor Jahren von Merkel abgeräumt worden ist und Merkel mit der jämmerlichen Formulierung „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ der französischen Philosophie des Geldes zum Sieg verholfen hat, hat die deutsche Politik dem ohnehin nichts entgegenzusetzen – jetzt auch noch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vollständig entwaffnet.

Scholz wird kaum der Diskussion des Konzepts „Buy European“ entgehen können, das vorsieht, Subventionen und öffentliche Ausgaben bei der Beschaffung von allem, was der Staat benötigt, an die Produktion in Europa zu binden. „Wir brauchen einen Buy European Act wie die Amerikaner, wir müssen [unsere Subventionen] für unsere europäischen Hersteller reservieren“, sagte Macron laut Politico: „Sie haben China, das seine Industrie schützt, die USA, die ihre Industrie schützen, und Europa, das ein offenes Haus ist.“

Ursula von der Leyen hat sofort die Gelegenheit wahrgenommen, der Brüsseler Administration einen neuen Milliarden-Fonds zu sichern, und schlug die Schaffung eines „Souveränitätsfonds“ vor. Und da auch dieser Milliardenfonds durch Schulden finanziert werden wird, ist der Titel sinnreich, denn Deutschland zahlt mit dem prinzipiellen Segen des Bundesverfassungsgerichts seine Souveränität ein. Industrie- und Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat bereits im September den Souveränitätsfonds gefordert, den er, wen wundert es, mit neuen gemeinsamen Schulden der EU-Staaten finanzieren möchte.

Scholz, der schon den 750-Milliarden-Fonds mit aus der Taufe gehoben hat, wird sich wohl am Ende auch dieser neuen Verschuldungsorgie nicht verschließen. Die Kompromisslinie deutet sich auch schon an. Scholz könnte am Ende einem Souveränitätsfonds zustimmen, wenn im Gegenzug die strengen Beihilferegeln laxer formuliert werden würden; schließlich sieht Habecks Transformation Verstaatlichungen, staatliche Beteiligungen und märchenhafte Subventionen für den Klima-Komplex der Wirtschaft vor, für die Windmacherindustrie, für die Produktion von Batterien und grünem Wasserstoff.

Während die EU auf einen Handelskrieg mit den USA zusteuert, der in Form eines Subventionswettlaufs, also eines Verschuldungswettlaufs stattfinden wird, will der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, Europa auf einen langen Wirtschaftskrieg gegen Russland einschwören. Ein Gewinner dieses Kriegs steht jetzt schon fest: die Finanzindustrie.

Sicher benötigt Europa Macher, am besten einen Friedens-Macher, aber gewiss keinen Schulden-Macher.

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