Tichys Einblick
Schweigsam aus Selbstschutz

Fast ein Viertel der Erstwähler sind konservativ – aber die wenigsten geben es zu

Die AfD ist unter den 16- bis 22-Jährigen die Partei, die als lösungskompetenteste gilt, wie eine Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung ergab. Fast ein Viertel der Erstwähler vertreten demnach konservative Meinungen. Aber wo sind diese jungen Menschen? Die Realität an den Universitäten sieht anders aus.

IMAGO
Eine Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung lässt wundern: Demnach trauen Erstwähler der AfD und SPD aktuell am meisten zu, anstehende Probleme in Europa zu lösen. Dabei sieht die Realität an deutschen Universitäten ganz anders aus: Dort ist der Trend links-grün, und teilweise sogar linksextrem. Diesen Eindruck erwecken allein schon die Toiletten, etwa an der Universität in Erfurt: Die Klo-Kabinen sind voller linksextremer Sticker, Zeichen und Schriftzüge.

Über der Klopapierrolle kleben Sticker mit wehenden Antifa-Fahnen, auf denen steht: „Kein Leben ohne Freiheit. Fight Capitalism 100%“. Über das Waschbecken hat jemand die Zahlenabfolge „161“ geschrieben: Das steht für die entsprechenden Buchstaben im Alphabet „AFA“ als Abkürzung für „Antifaschistische Aktion“. An den Wänden der Klo-Kabinen steht in roter Farbe: „Nazis töten“ oder „COPS töten“.

Die Universitäten rufen ihre Studenten derweil offiziell auf, „gegen Rechts“ zu demonstrieren, wie TE berichtete. Außerdem bieten die Universitäten, etwa in Lübeck, vor allem woke interdisziplinäre Wahlfächer an: „Nachhaltigkeitswissenschaften mit Schwerpunkt Ökologie und Biotechnologie“, „Ökonomische Aspekte der Nachhaltigkeit“, „Planetary Health: Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ und „Gelesen werden. Nur zwei Geschlechter?“ sind nur wenige Beispiele. In vielen Studiengängen müssen die Studenten eine gewisse Anzahl solcher fächerübergreifenden Wahlfächer belegen. Die „Wahl“ haben sie also zwischen grün, grüner und links-grün.

Viele Studenten kamen den Aufrufen der Universitäten nach und gingen „gegen Rechts“ auf die Straße. Im Uni-Alltag tragen sie passend zu diesem „Gegen-Rechts-Motto“ Pullover, auf denen „FCK AFD“ steht. In der Mensa sprechen sie über ihre veganen Rezeptideen und darüber, wie die AfD verboten gehört. Viele betonen, dass sie mit niemandem befreundet sein würden, der die AfD wählt – und über Wähler der CDU müssten sie „nachdenken“. Außerdem äußern einige ihre Angst vor einem erneuten Faschismus und andere kommen in jedem dritten Satz zu dem Schluss: „Kapitalismus ist scheiße.“

Die Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigt allerdings, dass 14 Prozent der 16- bis 22-Jährigen der AfD am meisten Problemlösekompetenzen für Europa zutrauen – das sind 8 Prozent mehr als in der deutschen Allgemeinheit. Weitere 14 Prozent halten die SPD für die kompetenteste Partei auf EU-Ebene und 13 Prozent stimmen für die Grünen. Das zeigt: Nicht alle jungen Menschen sind links-grün. Es gibt auch Konservative unter ihnen – und nicht gerade wenige. Aber: Wo sind diese jungen Menschen?

Auch die ehemalige Erfurter Studentin Franca Bauernfeind schätzt die „allermeisten“ ihrer Kommilitonen links ein, wie sie in ihrem Buch „Black Box Uni“ schreibt. Vor allem auf den Studentenpartys sei ihr das aufgefallen: Bauernfeind ist CDU-Mitglied und hat dafür auf Partys häufig „schnippische Kommentare“ einfangen müssen: „Soso, du bist also die von der Union. Bist du auch für die Obergrenze? Der Seehofer spinnt ja wohl. NPD, AfD, CDU, CSU: Alles derselbe rechte Sumpf.“ Bauernfeind „musste permanent ihre Positionen verteidigen“. Gleichzeitig gilt es beinahe als „cool“, wenn sich Studenten als „Antifant“ bezeichnen, schreibt sie. Von der Union halten allerdings auch nach der aktuellen Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung nicht viele Erstwähler zwischen 16 und 22 Jahren etwas: Nur 8 Prozent geben an, dass sie dieser Partei am meisten zutrauen, Probleme in Europa zu lösen.

Nichtsdestotrotz: Zählt man die Stimmen für CDU, AfD und FDP zusammen, sind immerhin 23 Prozent der jungen Menschen eher konservativ eingestellt – fast ein Viertel. Demgegenüber stehen 33 Prozent, die eher an die Lösungskompetenz von linken Parteien glauben. Aber dieses Drittel scheint das Meinungsbild der Universitäten zu prägen und andere Meinungen zu unterdrücken: Wer möchte sich schon als AfD- oder CDU-Wähler outen, wenn einen dann alle Links-Grünen ausschließen und Linksextreme einem sogar drohen? Es ist davon auszugehen, dass viele konservative, junge Menschen eingeschüchtert sind und ihre politischen Meinungen für sich behalten – beziehungsweise nur in einer Wahlkabine oder einer anonymen Umfrage ausdrücken.

Erst letzte Woche machten die Ereignisse aus einem Gymnasium in Mecklenburg-Vorpommern Schlagzeilen: Die 16-Jährige Loretta B. wurde von drei Polizisten aus dem Unterricht abgeführt, weil sie ein AfD-nahes Video über Schlümpfe gepostet und Deutschland als „Heimat“ bezeichnet hat. Eine andere Schülerin von derselben Schule hat daraufhin erzählt, wie eine Lehrerin ihr verboten hat, ihre Meinung zu äußern, nachdem sie gesagt hat: „Wer die Grünen wählt, hat kein Gehirn.“ Wenn jemand einen „FCK-AFD“-Pulli trägt, verlangt hingegen kaum ein Lehrer oder Dozent, diesen auszuziehen. Viele konservative Jugendliche in Deutschland haben von den Vorfällen in Mecklenburg-Vorpommern gehört – oder selbst Ähnliches erlebt. Vielleicht schweigen sie deshalb und tauchen ab – in eine woke Blase.

Diese woke Blase an Hochschulen und Universitäten birgt allerdings Gefahren, wie Bauernfeind in ihrem Buch betont: „Befinden sich Menschen dauerhaft in einer Blase, verändern und verengen sich Wahrnehmungen und verfestigen sich Positionen. Das gilt nicht nur für Echokammern in Form von Facebook-Gruppen im Internet, sondern eben auch für die linke Studentenblase. Beide bergen das Risiko einer langfristigen Radikalisierung.“ Das müsse thematisiert werden: Immerhin gibt es knapp drei Millionen Studenten und rund 420 Hochschulen in Deutschland.

Wenn sich all diese Studenten linksextremistisch radikalisieren, ist das ebenso gefährlich wie eine Radikalisierung in die andere Richtung: „Der Linksextremismus strebt die Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die die Ursache von Unfreiheit, Ungleichheit, Unterdrückung und Ausbeutung sei, durch eine grundlegende, revolutionäre Veränderung an“, schreibt Bauernfeind. Sowohl Rechts- als auch Linksextremismus „streben also nach der Überwindung einer demokratischen Verfasstheit und ihres Wertekanons“.

Bauernfeind macht darauf aufmerksam, dass viele Studenten linksextremistische Hintergründe relativieren: Linksextremistische Ziele und Forderungen finden demnach viele „gemäßigt“ eingestellte Studenten „moralisch besser“. Gleichzeitig zeigt der Alltag auf einem Uni-Campus, dass es viele Studenten skandalisieren, sobald jemand die Union oder die AfD wählt – ohne aber eine Glatze, Bomberjacke und Springerstiefel zu tragen. Nach Bauernfeinds Einschätzung entsteht so eine Studentenblase, die „ein eigenes, sozial überwiegend homogenes Umfeld mit eigenen politischen Dynamiken ist“.

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