Tichys Einblick
Jamaika-Verhandlungen nur zur Gesichtswahrung

Die Grünen geben den Ton an: Die Ampel wird kommen

Die Eile, mit der die Grünen in die Verhandlungen für eine Ampelkoalition eintreten wollen, zeigt, dass die Gespräche mit der Union letztlich nur aus Gründen der Gesichtswahrung für die FDP stattgefunden haben.

Markus Söder kommentierte die Ankündigung der Grünen, die Gespräche über die Bildung einer Ampelkoalition mit der SPD aufzunehmen, mit den Worten, dass die FDP das gleiche wie die Grünen nur mit anderen Worten gesagt hätte. Wenn die sogenannten Sondierungen eine Inszenierung für die Medien und der Medien war, so erreichte sie nicht einmal das Niveau einer Provinzklamotte, ein Stück, das kaum begonnen, aus erkennbarer Unlust der Darsteller schon beendet wurde.

Überraschend wirkt allenfalls die Eile, mit der die Grünen in die Verhandlungen für eine Ampelkoalition einzutreten gedenken, eine Eile, die in Wahrheit nur zeigt, dass die Gespräche mit der Union aus Sicht der Grünen letztlich nur aus Gründen der Gesichtswahrung für die FDP stattgefunden haben.

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Man suchte nur noch einen Grund – und den fand man natürlich. Der nur allzu sehr und aus allzu durchsichtigen Gründen hochgespielte Aufreger bestand darin, das Inhalte aus dem Gespräch zwischen der Union und den Grünen „durchgestochen“ worden sind. So sensationell war bei Lichte besehen der Aufreger jedoch nicht. Bild schrieb „Die Grünen-Spitze brachte in den Gesprächen klar zum Ausdruck, dass die Erwartungshaltung in der Partei eine Ampel-Koalition sei.“ Als ob das nicht jeder wüsste?! In der Debatte soll es um drei Themen gegangen sein, bei denen eine Einigung nur schwer möglich scheint: „Die Grünen machten deutlich, dass sie bei den EU-Finanzen den Stabilitätspakt aufweichen wollen.︎ Ebenso stellten die Grünen nach BILD-Informationen klar, dass sie beim Thema Migration eine deutlich offenere Politik verfolgen wollen. Schwerpunkte: Staatsbürgerschaftsrecht, Familiennachzug, Seenotrettung und der sogenannte „Spurenwechsel“ (Wechsel vom Asyl zum Einwanderungs-Status). Ebenfalls heftig umstritten: Die Grünen deuteten nach BILD-Informationen an, schon vor 2035 aus dem Verbrennungsmotor aussteigen zu wollen“.

Das alles können jedoch nur Geheimnisse für denjenigen darstellen, der die letzten vier Jahre auf dem Mond zugebracht hat. Dass die grüne Basis die Ampel will, ist bekannt, die Positionen auf den Feldern EU-Stabilitätspakt, Migration, Aus für den Verbrennungsmotor sind nicht weniger bekannt. Worüber sollten die Grünen schon reden, wenn nicht darüber. Interessant ist nur, dass man nicht über Gemeinsames, sondern über Trennendes diskutiert hatte. Das soll zwischen Grünen und FDP anders herum gewesen sein.

Singuläre Sondierungssprüche:
Wattebäuschchen statt Wortgefecht
Wenn man die Aufregung um die „Durchstechereien“ unter der Rubrik Medienstadl und Schwarzer-Peter-Spiel abhakt, wird doch deutlich, dass nicht wenige in den Medien sich eine Ampelkoalition wünschen – und auch alles dafür tun, was sie können. Dass die Grünen sich festgelegt haben, mit der SPD über die Ampel zu verhandeln, und dass die FDP, die brav hinterher trottet, nur ein Argument für ihre Wähler benötigt, besitzt auch keinen Sensationswert. Große Hochachtung vor den kognitiven Fähigkeiten ihrer Wähler scheint man in der FDP nicht zu haben, dass man nach diesem Skandälchen wie nach einem Strohhalm greift, um den Wählern zu erklären, weshalb man so schnell Jamaika aufgibt und zur Ampel überläuft. Überhaupt lässt sich der Eindruck, schaut man sich nur die Statements und Pressekonferenzen an, nicht vom Tisch wischen, dass die Jamaika-Sondierungen nur eine notwendige Pflichtübung darstellten, was auch die Ruhe der SPD erklärt.

Damit wird, wie Markus Söder einschätzte, de facto eine Ampelkoalition kommen. Söder fügte hinzu, dass eine Ampelkoalition unser Land verändern wird. Damit hat er recht, jedoch wird die Ampel nur die Veränderung fortsetzen, die unter Angela Merkel bereits kräftig begonnen wurde – und auch das gehört zur Wahrheit.

Und zur Wahrheit gehört auch, dass die Union inhaltlich demobilisiert und derzeit nicht regierungsfähig ist. Sie verfügt über keine originären Inhalte, über keine Vorstellungen über die Entwicklung des Landes. Die Union wirkt an der Veränderung des Landes durch die mögliche Ampelkoalition entscheidend mit, weil sie keine Alternative zu formulieren vermag, außer, dass auch sie ein bisschen grün und ein bisschen rot zu sein sich wünscht. Die Volkspartei der Mitte hat die Mitte preisgegeben. Sie wirkt in der medialen Landschaft derzeit wie das hässliche Entlein.

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