Tichys Einblick
Umverteilungsbegehrlichkeiten

DIW: Holen, was zu holen ist

Das DIW unter ihrem derzeitigen Präsidenten Marcel Fratzscher hat es sich seit längerem zum Ziel erkoren, den Deutschen zu erklären, dass Vermögen böse sind. Zu diesem Glauben braucht es keine Forschung.

© AFP/Getty Images

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schürt wieder einmal die Neiddebatte im Lande. Wer so verantwortungslos tendenziös agiert wie das DIW regelmäßig, sollte keine öffentliche Förderung erhalten. Mit einem um Dreiviertel (!) kleineren Budget würde es sich zwar wahrscheinlich auch nicht auf objektivere Überlegungen besinnen, aber weniger Leute indoktrinieren können.

Das DIW unter ihrem derzeitigen Präsidenten Marcel Fratzscher hat es sich seit längerem zum Ziel erkoren, den Deutschen zu erklären, dass Vermögen böse sind. In diesem Sinne hat es wohl auch mit Freuden einen Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung des DGB angenommen, um das Erbvolumen in Deutschland neu abzuschätzen. Was auch immer den DGB daran interessiert.

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In einem freiheitlich demokratischen Land wie Deutschland weiß der Staat naturgemäß nicht, welche Vermögenswerte sich en detail in privater Hand befinden. Für das DIW ist solche Freiheit allerdings „erstaunlich“. Und weil man den Egalitarismus hinter diesem Erstaunen nicht gar so offen zur Schau tragen will, ist es „erstaunlich, dass in einem auf individueller Leistung basierenden Wirtschaftssystem faktisch keine genauen Kenntnisse über das leistungslos übertragene Vermögen [Anm.: so wertet das DIW pauschal und vollkommen undifferenziert Erbschaften ab] in Deutschland vorhanden sind“. Was das öffentliche Wissen über Vermögen allerdings mit einem auf „individueller Leistung basierenden Wirtschaftssystem“ zu tun haben soll, wird wohl auf ewig Geheimnis des DIW bleiben. Man hat halt ein bisschen mit dem Wort Leistung herumhantiert, dann vermutet der oberflächliche Leser vielleicht nicht gleich die Sozialisten dahinter.

Um dem eigenen Erstaunen abzuhelfen, muss man schätzen, was da für die staatliche/stattliche Umverteilungsmaschinerie noch alles zu holen sein könnte. Weil man ja eine Absicht verfolgt. Man will das Umfeld für eine höhere Erbschaftsteuer schaffen (wenn Vermögen schon böse sind, dann ist das Nachlassen derselben ganz, ganz böse). Weil die Deutschen aber tatsächlich noch ein ziemlich gesundes Verständnis von Eigentum und Familie haben und daher mehrheitlich Erbschaftsteuer generell eher doof finden, will das DIW es wenigstens über den Neid versuchen. Und dafür braucht man große Zahlen. Möglichst undifferenziert. Sonst würde der eine oder andere ja zum Beispiel merken, dass auch viele kleinere Zahlen eine große Zahl machen. Und so kommt man also auf eine Zahl. Eine große Zahl: Bis zu 400 Milliarden Euro per anno könnten in den nächsten zehn Jahren vererbt werden. [Theatralische Pause]

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Tja, was soll man da sagen? – Großartig! Wir leben in einem Land, in dem man etwas schaffen und aufbauen kann. Wir leben in einem Land, in dem man seinen Nachkommen etwas hinterlassen kann. Wir leben in einem Land, in dem sich Menschen eigenverantwortlich um sich selbst und ihre Familien kümmern. Wir leben in einem Land, in dem Unternehmer über Generationen Kapitalstöcke aufbauen und sie in Betriebe und Anlagen investieren, die bei schrumpfender Bevölkerung gerade wieder neu die größte Zahl sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze aller Zeiten geschafft haben sowie jährliche real steigende Steueraufkommen generieren. Wir leben in einem Land, in dem rund vier Millionen Unternehmer, Selbständige und Freiberufler die Idee der Subsidiarität der Sozialen Marktwirtschaft und der christlichen Soziallehre ernst nehmen und selbst die Verantwortung für ihre soziale Absicherung tragen, um den anderen nicht auf der Tasche zu liegen.

400 Milliarden Euro Hinterlassenschaften jedes Jahr ist eine Zahl, auf die wir stolz sein können und die wir bejubeln sollten. Das DIW sieht das offenbar anders. Es lässt sein Fazit in einer Pressemitteilung von der Studienmitautorin der Böckler-Stiftung ziehen: „Diese neuen Zahlen sollten Anstoß sein, das aktuelle Regime der hohen Freibeträge in der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf den Prüfstand zu stellen.“

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Ja, so einfach kann man es sich machen. Viel da, also viel zu holen, also her damit. Was kann aus Vermögen in privater Hand sonst schon groß Nutzenstiftendes entstehen? In vielen Diskussionen hab ich mich in den letzten zwei, drei Jahren mit den Argumenten für eine höhere Erbschaftsteuer auseinandergesetzt. Guten und schlechten Argumenten, bedenkenswerten und ideologisch verbrämten. Die dümmste Begründung war aber stets, weil große Vermögen da sind.

Dumm weil eine solche Argumentation einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung unwürdig ist. Warum? Das will ich kurz erläutern: Die Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit ist fraglos ein wichtiger Gedanke der Finanzierung eines gedeihlichen Gemeinwesens – neben der Leistungsgerechtigkeit, der Chancen- und Generationengerechtigkeit und der solidarischen Bedarfsgerechtigkeit. Die Idee der Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit durchwirkt unsere gesamt Kultur – es ist quasi das institutionalisierte St.-Martins-Prinzip.

Entlang des viel zitierten Bildes von den starken Schultern, die mehr tragen müssen, dazu ein vereinfachtes Beispiel, was Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit bedeutet: Wenn eine Gruppe aus sieben eher schwachen Personen und drei wirklich Starken zusammen Baumaterial mit insgesamt 100 Kilogramm tragen soll, wird wohl eine Gleichverteilung der Last auf alle als gerecht angesehen werden.

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Zehn Kilogramm schafft jeder ohne Mühe, da kann leicht jeder gleichermaßen mithelfen. Es besteht keine Notwendigkeit, solidarisch eine höhere Leistungsfähigkeit zu nutzen. Es ist sogar umgekehrt so, dass es in diesem Fall als ungerecht empfunden werden würde, wenn man einzelnen mehr aufhalst, wo es doch alle ohne Probleme selber schaffen könnten. Soll die gleiche Gruppe aber 300 Kilogramm tragen, wird es eventuell mit der Gleichverteilung schwierig. Die Schwachen müssten sich mit jeweils 30 Kilogramm Traglast jetzt elendig abmühen. Die Starken stemmen hingegen auch noch einen Zentner halbwegs locker. Also lädt das Prinzip Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit jedem der Starken 50 Kilogramm auf den Buckel, dann kommen die Schwächeren mit den gut 20 Kilo schweren Ladungen zurecht.

Zwei Sachen werden bei dieser Vereinfachung deutlich: Das Ausmaß der solidarischen Konzentration von Lasten hängt nicht ausschlaggebend von der Tragfähigkeit ab, sondern von der zu bewältigenden Last. Und: Gerechtigkeit heißt auch, dass alle mittragen müssen. Ich überlasse es an dieser Stelle Ihnen, die weit über die Erbschaftsteuer hinausgehenden Implikationen dieser zuendegedachten Leistungsfähigkeitsgerechtigkeit auf das ganze Abgabensystem zu vertiefen.

Die Erbschaftsteuer muss also aus Sicht der Leistungsfähigkeit erst einmal von der Notwendigkeit der Steigerung des Steueraufkommens her gedacht werden. Bei einem Wachstum des Steueraufkommens von 531 Milliarden 2010 auf 706 Milliarden Euro und voraussichtlich 732 Milliarden 2017 sowie geschätzt 852 Milliarden Euro in 2021 sollten da erhebliche Zweifel selbstverständlich sein.

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Und wenn man doch zu dem Schluss käme, dass noch mehr umverteilt werden müsste, gälte es als nächstes zu überlegen, wie die verschiedenen Fähigkeiten am besten beitragen können. Es wäre da selbstredend zu bedenken, dass vorhandene Vermögen gegebenenfalls mehr leisten können, wenn sie erhalten bleiben, als wenn sie in der Substanz geschmälert werden. Zum Beispiel weil sie nicht liquide, sondern in Unternehmen investiert sind und dadurch an anderer Stelle erheblich effektiver Steueraufkommen hervorbringen.

Da könnte man also genauso gut zu dem umgekehrten Schluss kommen, dass aufgrund der hohen zu erwartenden Erbschaftsvolumen die Freibeträge bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer eher erweitert werden müssen.

Vom größten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut muss man so viel Tiefgang bei der thematischen Auseinandersetzung erwarten dürfen. Auch und gerade in seinen Pressemitteilungen. Andernfalls gehört schlicht der Geldhahn abgedreht. Eigentlich wäre schon längst die Zeit für diesen Schritt.

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Vom Autor ist im September 2015 eine umfassende Auseinandersetzung zu Gerechtigkeit und Neid rund ums Erben im FinanzBuch-Verlag erschienen: