Tichys Einblick
Die Intoleranz der "Ewigmorgigen"

Die Macht der Minderheiten

Das vom "Europäischen Rat für Toleranz und Versöhnung" (Vorsitz Tony Blair) 2015 vorgelegte "Rahmengesetz zur Förderung von Toleranz" lässt wie jedes mit ideologischem Hintergrund die komplexe Natur des Menschen völlig außer Acht wie seine Würde.

© Andreas Solaro/AFP/Getty Images

Political correctness als Erziehungsprogramm hat sich wie Mehltau über unser Land gelegt: Der Bürger soll fortan wie eine Maschine funktionieren, die man in Befolgung von EU-Gesetzen zur Produktion von „Toleranz“ gegenüber eingewanderten, religiösen, ethnischen und anderen Minderheiten einschalten soll und die bei Nicht-Funktionieren repariert oder ggf. aussortiert werden muss.

Minderheiten

Es war richtig was los im Parlament am 30. Juni. Lange ist nicht mehr so heftig, emotional und kontrovers diskutiert worden wie in der Debatte vor der Abstimmung über die „Ehe für alle“. Ausgerechnet die Institution der Ehe wird herbeigesehnt, die doch eigentlich in den Augen der „Ewigmorgigen“ als spießig und unzeitgemäß gilt und bis dato nur den „Ewiggestrigen“ zugeordnet wurde.

Als das Abstimmungsergebnis bekannt war, geriet das „Event“ zum karnevalistischen Medienspektakel, wobei der nächste Tagesordnungspunkt, die finale Debatte über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, bei Phoenix einfach abgewürgt wurde und man stattdessen noch einmal die sattsam bekannten Argumente von Volker Beck & Co. über sich ergehen lassen musste, wenn man denn wollte.

Dass Minderheiten des Schutzes bedürfen, ist unbestreitbar in der UN-Menschenrechtskonvention von 1948 verankert. Was für Zustände müssen in einem Land herrschen, in dem die Parteien keine anderen Probleme haben, als auf Kosten von auf den Nägeln brennenden Themen (in diesem Fall dem NetzDG) vorrangig – und oft hektisch und planlos wie bei der nicht durchdachten „Inklusion“ – über die Belange von Minderheiten zu streiten, die von der Mehrheit der Bevölkerung sowieso nicht in Frage gestellt werden. Tage-, wenn nicht wochenlang, beschäftigen sich alle Talkshows mit solchen Problemen – völlig egal, ob die Zuschauer sich inzwischen zu Tode langweilen, weil das Thema schon längst ausdiskutiert ist. Sind „Grüne“ dabei, ist von vorneherein klar, dass sie die Runde mit ihrem allbekannten Standardprogramm und ihren Techniken „Relativieren, Moral predigen und Abwerten“ beherrschen.

Weitere Beispiele

Der Beispiele für die Macht der Minderheiten gibt es viele. Man denke an diejenigen Störer, die ganze Schulklassen oder Stadtviertel terrorisieren und Lehrer, Mitschüler, Polizei und Anwohner vorrangig beschäftigen.

Man denke an die Islamverbände. Auf einer „Mahnwache“ für die Pariser „Charlie Hebdo“-Terroropfer am Brandenburger Tor sehen wir Aiman Mazyek – den von der Politik hofierten, erzislamischen Vorsitzenden des „Zentralrats der Muslime in Deutschland“, der gerade einmal 3,3 Prozent der Muslime vertritt – Arm in Arm mit der Bundeskanzlerin und mit Joachim Gauck. Diese Verbände werden unterstützt, obwohl viele Muslime sich gar nicht von ihnen vertreten, sondern sich durch sie eher gegängelt und in ihrer Freiheit beschnitten fühlen, wie Hamed Abdel-Samad wiederholt ausgeführt hat.

Man denke an die 68er, von denen sich schließlich eine kleine Truppe zur RAF zusammenschloss, die die BRD jahrelang in Atem hielt und die immer noch Rätsel aufgibt. Und immer wieder gibt es ein déja-vu: Soeben gingen gewaltfreie Proteste und die Thematik beim G20-Gipfel unter in einer (voraussehbaren) Gewaltorgie von einer jahrzehntelang geförderten, gehätschelten und vom Staat finanzierten Minderheit, deren Hintergründe und Ausmaße nun plötzlich Politik und Medien beschäftigen. Hat man sich hier vergaloppiert? Schon seit Jahren werden die linksextremistischen Antifas in Busse verladen und zu Pegida & Co. gefahren, wo sie dann, mit staatlich-stattlichen Tagegeldern ausgestattet, zahlreiche Polizisten beschäftigen, die Straßen unsicher machen und den angemeldeten gewaltlosen Demonstranten durch ihre Lautstärke das Recht auf ungestörte Kundgebungen nehmen. „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus.‘ Nein, er wird sagen: ‚Ich bin der Antifaschismus.‘ „ (Ignazio Silone, Sozialist und Schriftsteller)

Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode. (Hamlet)

Durch Institutionen der UN und der EU wurden die Grundlagen für die Aufspaltung der Gesellschaften in Minderheitsgruppen schon längst gelegt. „Vielfalt“ ist das Zauberwort der Einfalt der Massenbürokratien, die niemand legitimiert und kontrolliert. Die Privilegierung von Minderheiten ist keine Vielfalt, sondern Einfalt.

Seit dem „Vertrag von Amsterdam“ von 1997/99 ist Gender-Mainstreaming ein erklärtes Ziel der Europäischen Union und für seine Mitgliedsstaaten verbindlich. Demnach gibt es nicht mehr nur die Unterscheidung männlich-weiblich, sondern jeder soll sich unter einer Vielfalt von Möglichkeiten eine Geschlechterrolle auswählen, die er im Laufe seines Lebens auch immer wieder wechseln kann. Statt des Urbilds Mann-Frau soll der neue geschlechtsvariable Mensch konstruiert werden, der schon in der Kita konditioniert wird.

Unter der Überschrift „Replacement Migration“ veröffentlichte die UNO „Eine Lösung für abnehmende und alternde Bevölkerungen“. In einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 13.7.16 klingt das so:

„Die Europäische Kommission schlägt heute einen EU-Neuansiedlungsrahmen vor. Damit soll eine gemeinsame europäische Neuansiedlungspolitik festgelegt werden, die gewährleistet, dass Personen, die internationalen Schutz benötigen, geordnete und sichere Wege nach Europa zur Verfügung stehen.“

Um all diese Gruppierungen einzugliedern, braucht man das vom „Europäischen Rat für Toleranz und Versöhnung“ (Vorsitz Tony Blair) 2015 vorgelegte „Rahmengesetz zur Förderung von Toleranz“ (Nur auf Englisch im Internet). In der Einleitung wird die Schaffung von Akzeptanz und Tolerierung menschlicher Vielfalt und von jeder Form von unterschiedlicher Lebensführung als Vorbedingung für ein erfolgreiches Zusammenleben von diversen religiös, ethnisch, kulturell, sexuell oder anderweitig definierten Gruppen innerhalb eines Staates ausgeführt. Auf diese Weise soll Gleichstellung gesichert und Diskriminierung jeder Art ausgeschlossen werden.- Klingt doch wie gemacht für die Situation, in die wir heute  mit den „Flüchtlingen“ , den „neu Hinzugekommenen“ gestellt sind.

Zum Zweck der Implementierung soll jeder EU-Mitgliedsstaat eine eigenen Dienststelle einrichten, die die Einhaltung der Richtlinien im Kampf gegen Vorurteile, Rassismus, ethnische Diskriminierung, religiöse Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antifeminismus, Islamophobie und Homophobie überwacht. Diffamierende Äußerungen gegenüber einer Gruppe gelten als schwere Straftaten. Beispiele: „Zigeuner sind Diebe“ und „Moslems sind Terroristen“. Wer sich solcher Vergehen schuldig macht, soll ein „Rehabilitationsprogramm“ durchlaufen, in dem ihm eine „Kultur der Toleranz“ anerzogen werden soll. Ein Klima der Toleranz und Harmonie soll hinfort die Welt der Bücher, Theaterstücke, Zeitungsreportagen, Magazine, Dokumentationen, Spielfilme und Fernsehprogramme durchziehen.

Der Mensch scheint in der Vorstellung der Autoren des Gesetzesvorschlags wie eine Maschine zu funktionieren, die man zur Produktion von „Toleranz“ ein- und ausschalten kann, und die, wenn sie nicht ordnungsgemäß arbeitet – also keine „Toleranz“ produziert – repariert oder aussortiert werden muss. Wie jedes Gesetz mit ideologischem Hintergrund lässt auch dieses die komplexe Natur des Menschen völlig außer Acht – und seine Würde.

So übte denn auch die in Brüssel ansässige gemeinnützige Organisation „European Dignity Watch“ (Webseite leider momentan nicht abrufbar) heftige Kritik an der Gesetzesvorlage, indem sie befürchtet, dass die vage Definition von zentralen Begriffen wie „Gleichbehandlung“ und „Diskriminierung“ zu einer juristischen Zwangsjacke auf Kosten der Meinungsfreiheit werden kann. Der Entwurf fordere zur Überwachung einer – vorausgesetzten – intoleranten Haltung von Bürgern durch staatliche Behörden auf. Aus Angst, bestraft zu werden, wenn sie ihre persönlichen Wertevorstellungen äußerten, unterwürfen diese sich dann einer Selbstzensur: Sind wir nicht schon heute so weit?

Die Intoleranz der Toleranzforderer

Alle, die diesen Plänen entgegen stehen, werden schon heute mit unnachgiebiger Härte bekämpft. Das Toleranzgesetz bezieht sich nicht auf diejenigen, die sich einen Diskurs über die Neueinführungen wünschen; eine echte Debatte, wie wir sie noch in der alten Bundesrepublik kannten. Im Gegenteil: Jeder, der Kritik übt, wird mit einer offener Verachtung und Respektlosigkeit diskriminiert, die ihresgleichen sucht. Ich erinnere mich z.B. noch an einen Auftritt vom damaligen AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke bei Maybrit Illner und an mein Erstaunen darüber, wie er von allen anderen Teilnehmern samt der Moderatorin und der Clacqueure ständig unterbrochen, lächerlich gemacht und von oben herab behandelt wurde. Es geht nicht mehr darum, Meinungen auszutauschen, eine Debatte zu führen, sondern den lästigen Kritiker nach dem Muster „alle gegen einen“ auf Nebenschauplätze zu führen und die braune Keule herauszuholen. Für einmal geäußerte „schräge“ Anmerkungen muss sich der „Angeklagte“ dann in jeder Talkshow immer wieder aufs Neue rechtfertigen. „Hetzen“ ist heute zu einem Synonym für „kritisieren“ geworden. Die Kanzlerin hat es in ihrer Neujahrsrede 2016 vorgemacht. Heute ist die AfD, sind die Pegidas und andere „Quertreiber“ weitgehend aus den Maistreammedien verschwunden.

Ein Beispiel der letzten Tage: Während eines Auftritts von Christian Lindner an der Universität Bochum versuchen Studenten von Beginn an, den FDP-Chef immer wieder zu unterbrechen und niederzubrüllen. Einige positionieren sich neben Lindner auf dem Podium mit Plakaten mit Sprüchen wie „Freie Bildung für alle! No border, no nation, free education! Nein zu Rassismus!“ und rufen wirre Parolen in den Hörsaal. „Er ist dafür verantwortlich, dass Nicht-EU-Ausländer wieder Studiengebühren zahlen müssen. Das finden wir scheiße“, erklärt einer der Demonstranten. Als Lindner ganz locker bleibt und Toleranz fordert, werden auch diejenigen, die gekommen sind, um ihm zuzuhören, endlich wach und applaudieren ihm. So richtig kommt er jedoch auch jetzt noch nicht zu Wort. Immer wieder kreischt jemand dazwischen, bis Lindner sagt: „Jetzt mal still! Wir sind hier nicht in Hamburg. Wir sind in einer Demokratie, da lassen wir uns nicht niederbrüllen! Ihr müsst jetzt andere Argumente aushalten, und es ist ein Gebot von Erwachsensein, dass man anderen zuhört.“ Langsam kehrt Ruhe ein, und Lindner kann reden.

Das Beispiel zeigt einmal mehr, wie die „schweigende Mehrheit“ sich immer wieder fügt, wenn sich eine Minderheit groß aufspielt. Vielleicht fühlen wir uns auch oft ziemlich machtlos. Doch eins können wir – wie Christian Lindner – tun: Nicht klein beigeben, nicht mit den Wölfen heulen, sondern unsere (unantastbare) Würde bewahren, zu unserer eigenständig gebildeten Meinung stehen und sie verteidigen, das Recht auf Meinungsfreiheit unaufgeregt in Anspruch nehmen und uns nicht durch Lautstärke, Herabsetzung und Machtgehabe beirren lassen.