Tichys Einblick
Forderungspapier gegen Gleichbehandlung

Die Grünen wollen den Gleichheitsgrundsatz abschaffen – für privilegierte Minderheiten

In einem neuen Papier fordern prominente Grüne eine Grundgesetzänderung und ein neues Ministerium für ihren „Weg zur Gesellschaft der Vielen“. Damit sollen das Gleichheitsprinzip im Grundgesetz und der gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstört werden.

Politischer Aschermittwoch der Grünen in München

IMAGO / ZUMA Wire

Kurz nachdem die Grünen gegen Eigenheim und Eigentum zu Feld gezogen sind, haben sie in diesem Monat ein Forderungspapier unter dem Titel: „Verwirklichungschancen für alle – unser Weg zur Gesellschaft der Vielen“ veröffentlicht, das im Grunde die Schleifung des Grundgesetzes und die Zerstörung des gesellschaftlichen Zusammenhalts vorsieht. Es ist von prominenten Grünen-Politikern unterzeichnet, unter anderem von Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth und der bayrischen Fraktionschefin Katharina Schulze. Statt Bürgern haben die Grünen darin die anonymen „Vielen“, die in Gruppen abgeurteilten Menschen im Auge, deren faktischer Rechtsstatus sich nach der Gruppenzugehörigkeit richtet.

Zur Erinnerung: Der Artikel 3, Absatz 1 stellt klar, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und der Absatz 2 definiert: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Absatz 3 konkretisiert noch einmal: „(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Damit hat das Grundgesetz die Gleichbehandlung aller deutschen Bürger vorbildlich geregelt. Wer dieses Gesetz ändern will, dem passt der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, der will, dass Bürger – und wenn auf dem Weg der positiven Diskriminierung – ungleich behandelt werden, der will, dass Bürger aufgrund ihres „Geschlechtes“ und ihrer „Abstammung“, ihrer „Heimat und Herkunft“ benachteiligt oder bevorzugt werden, der will den Bürger abschaffen und stattdessen gruppenbezogen Menschen erster und zweiter Klasse definieren. 

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Deutlich wird in dem Papier, wer im neuen grünen Deutschland bevorzugt, wer Mensch erster Klasse wird: Migranten und die den Grünen so sehr am Herzen liegende LGBTQ-Community, benachteiligt, zum Menschen zweiter Klasse werden diejenigen, um eine Formulierung von Angela Merkel zu benutzen, die „schon länger hier leben.“ Was die Grünen ins Werk zu setzen wünschen, hat Nancy Fraser für die USA einmal so ausgedrückt: „Sie setzen Emanzipation mit dem gesellschaftlichen Aufstieg der ‚Begabten‘ unter den Frauen, Minderheiten und Homosexuellen gleich und wollen die The-winner-takes-all-Hierarchie nicht mehr abschaffen, sondern fördern.“ Für die Mehrheit bleibt nichts mehr übrig.

Deshalb wollen die Grünen den Artikel 3, Abs. 3 um einen Satz „ergänzen“, der im Effekt seine Abschaffung bedeutet: „Der Staat gewährleistet Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Der Begriff der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ entspringt einem totalitaristischen Konzept, das nicht vom Bürger und seinen Bürger- und Freiheitsrechten ausgeht, sondern den Bürger erstens entrechtet, weil es ignoriert, dass sich Menschen in der freiheitlich-pluralistischen Gesellschaft als Bürger verwirklichen, und zweitens den seiner Bürgerlichkeit beraubten Menschen zu Gruppen ordnet, und zwar nach teils dubiosen Kriterien. 

Hinsichtlich seiner Stellung vor dem Gesetz und in der Gesellschaft ist es für den Bürger vollkommen gleichgültig, ob er als Mensch Mann oder Frau, schwarz oder weiß, homosexuell oder heterosexuell ist, ob seine Vorfahren seit tausend oder erst seit einem Jahr in Deutschland leben. Das geht den Staat nichts an, für ihn besitzen alle Staatsbürger die gleichen Rechte. 

Doch im Rahmen der grünen Identitätspolitik werden nach den Kriterien der Abstammung, der Herkunft, der Sexualität und des Geschlechts, schließlich auch der Religion Gruppen zusammengestellt, die so gegeneinander in Stellung gebracht werden, dass dadurch der gesellschaftliche Zusammenhalt zerstört wird und die Gesellschaft in Gruppen zerfällt, die um den besseren Zugang zu staatlicher Förderung und Finanzierung kämpfen, und das um so erbitterter, um so stärker der grün mitverursachte wirtschaftliche Niedergang voranschreitet. 

Das Konzept der Grünen führt zu einem System, in dem die einen, die „Tätergruppe“, via staatlicher Enteignung durch eine ständig steigende Staatsquote zu geben haben, während die anderen, die „Opfergruppen“, nur nehmen dürfen. Im übrigen spielt es in der totalitären Vorstellung der Grünen offenbar überhaupt keine Rolle, ob die eingeteilten Menschen wirklich den zugewiesenen Gruppen angehören möchten, ob sie sich in der fremdbestimmten Einteilung wiederfinden. Aber genau deshalb ist die Entbürgerlichung des Menschen, wie sie von den Grünen betrieben wird, so außerordentlich gefährlich, denn die anthropologischen Merkmale des Menschen spielen für den Bürger einer Gesellschaft keine Rolle. Ausgerechnet diese Maßstäbe, die im Grundgesetz ausgeschlossen werden, wollen die Grünen über die Hintertreppe ins Grundgesetz holen. 

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Der „Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung “ stellt überdies die Meinungs- und Pressefreiheit in Frage, denn die Diskussion über Integration, die zu wichtigen Teilen eine Diskussion über die Demokratiefähigkeit oder -kompatibilität des Islams ist, wird unter dem Islamophobievorwurf zur „gruppenbezogenen Verletzung“. Im Konzept der Grünen kommt bezeichnenderweise zwar die Islamophobie vor, nicht aber die Christophobie, obwohl das Christentum die am meisten verfolgte Religion ist, übrigens auch in Europa. Es war kein muslimischer Lehrer, der in Frankreich enthauptet wurde und auch nicht von Christen, weil er den Schülern die Werte der Aufklärung näherbringen wollte, sondern er fiel einem islamistischen Anschlag zum Opfer. Auch wurden in Europa keine Redakteure ermordet, weil sie Jesus-Karikaturen veröffentlicht haben, von denen weit mehr existieren als über Mohammed. Allein diese Tatsachenbeschreibung kann nach dem gewünschten Grundgesetzzusatz der Grünen womöglich als verfassungsfeindlich gewertet werden. Jedes Buch, jeder Artikel über den Islam kann dann zu einem Fall für den Verfassungsschutz werden. 

Und es wird mit Sicherheit als verfassungsfeindlich gewertet, wenn die Grünen ihre Lieblingsvorstellung durchsetzen, nämlich die Schaffung eines „Ministeriums für Gesellschaftlichen Zusammenhalt“, wie es gut Orwellisch heißen soll. Wie immer bei den Grünen werden Tarnbezeichnungen benutzt, denn alles, was die Grünen unter Nachhaltigkeit labeln ist nicht nachhaltig, was sie als „Gesellschaftlichen Zusammenhalt“ apostrophieren, wird zur Tribalisierung der Gesellschaft, zum Krieg aller gegen alle führen. 

Wenn die Grünen schreiben, dass die Bildung dieses Mega-Ministeriums, das „die Bereiche Antidiskriminierung, Frauen, Einwanderung, Migration und Flucht, Queerpolitik, Behindertenpolitik, Familie, Senioren, Jugend und Demokratieförderung“ bündeln soll, „Politik kohärenter“ macht, „wenn alle Themenbereiche, in denen es um die Gestaltung unseres Zusammenlebens in einer Gesellschaft der Vielen, um Geschlechtergerechtigkeit und um die Stärkung der Demokratie geht, in einem Ministerium“ vereint werden, kann man nur antworten, dass in der DDR das kohärenteste Ministerium das Ministerium für Staatssicherheit war, das auch im Querschnitt für alles die letzte Zuständigkeit besaß. Nur gehen die Grünen noch einen Schritt weiter, denn bezüglich der Jugend wird eine Propaganda- oder Indoktrinationskomponente in Anlehnung an Orwells Miniwahr zugefügt. 

Demokatieförderung ist inzwischen zum Kampfbegriff geworden für die Abschaffung der Demokratie, für die Finanzierung von Heerscharen von NGOs zur Durchsetzung der eigenen politischen Agenda. Dass die Grünen ein Bundesantidiskriminierungsgesetz einführen wollen und „ein Verbandsklagerecht schaffen“ möchten, „das es Verbänden gestattet, zu Fragen der Diskriminierung von übergeordneter Bedeutung eine Klärung vor Gericht herbeizuführen“, verwundert daher nicht, da wie immer bei den Grünem der Titel das Gegenteil von dem aussagt, was geplant ist: Ihr Antidiskriminierungsgesetz wird in Wahrheit ein Diskriminierungsgesetz und grüne Demokratieförderung zum Demokratieabbau führen. 

Als was muss man eigentlich eine Politik bezeichnen, für die nicht Leistung und Befähigung, sondern Abstammung, Geschlecht und Sexualität als Einstellungsvoraussetzungen gelten, denn die Grünen wollen durchsetzen, dass „von Diskriminierung betroffene Gruppen mindestens entsprechend ihrem Anteil in der Bevölkerung im öffentlichen Dienst in jeder Besoldungsgruppe repräsentiert sind. Zu diesem Zweck sollen regelmäßig Gleichstellungsdaten erhoben und Diversity-Pläne erstellt werden.“ Die Gleichstellungs- und Diversitätsbürokratie soll also weiter kräftig wachsen. So alimentiert man seine Wähler. 

„Stoffströme“ lenken wie in der DDR
Die Grünen auf dem Weg zur Wohnraumbewirtschaftung
Die Grünen behaupten, dass „das im Grundgesetz verankerte Gleichheitsversprechen der Demokratie für sehr viele Bürger*innen nicht zutrifft“. Gäbe es dieses Gleichheitsversprechen, so trifft es heute schon nicht mehr für junge weiße Absolventen zu, weil andere „gruppenbezogen“ positiv diskriminiert werden. Was die Grünen aus ideologischen Gründen nicht verstehen wollen: Das Grundgesetz garantiert, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich sind, dass sie die gleichen Rechte besitzen, doch das Grundgesetz kann keine darüber hinaus gehende Gleichheit auf anthropolgischer Ebene garantieren, weil es nur die rechtliche Gleichheit der Bürger bestimmen, nicht aber in der Art des Prokrustes die Gleichheit ungleicher Menschen herzustellen vermag. Der Grünen Vielfalt besteht in ihrer gruppenbezogen Einfalt, wirkliche Diversität ist ihnen ein Gräuel. Um die Heerscharen grüner Fußtruppen zu bezahlen, ist natürlich „ein Demokratiefördergesetz zwingend notwendig, mit dem wichtige zivilgesellschaftliche Arbeit strukturell und dauerhaft finanziell abgesichert wird.“

Damit dann die grüne Gesellschaft durchgesetzt werden kann, sollen alle „Menschen, die hier dauerhaft ihren Lebensmittelpunkt haben, … die Möglichkeit erhalten, an Wahlen, Abstimmungen und allen anderen demokratischen Prozessen gleichberechtigt teilzunehmen.“ Und aus grüner Sicht haben natürlich alle Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, hier das Recht auf einen dauerhaften Lebensmittelpunkt. 

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