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Die Falle VW

Am besten wäre es, das Aktienpaket von VW als Sondervermögen in eine Stiftung einzubringen, mit deren Verwaltung das Land selbst nichts zu tun hat.

Board member of German carmaker Volkswagen (VW) are seen prior the German carmaker Volkswagen shareholders' annual general meeting on May 10, 2017 in Hanover, northern Germany

© Ronny Hartmann/AFP/Getty Images

Niedersachsen ist bekanntlich das einzige Bundesland, das den Amtsschimmel sogar im Wappen führt. Und dann hat es noch VW. Oder anders ausgedrückt: Hat es denn eigentlich noch etwas anderes? Da war doch etwas – ah ja, Gorleben! Und damit haben wir auch schon die Eckpunkte des Problems benannt.

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Bekanntlich gibt es für VW ein Sondergesetz, das sogenannte VW-Gesetz. Ziel des Gesetzes war es, durch die Privatisierung eine möglichst breite Streuung der Anteile im Volk („Volksaktie“) und besonders bei den Arbeitnehmern zu erreichen. Zugleich erhielt das Land Niedersachsen, das 20 % der Anteile hält, abweichend von den aktienrechtlichen Regelungen eine Sperrminorität. Außerdem hat das Land zwei Aufsichtsratsposten, die regelmäßig vom Ministerpräsidenten und einem Minister ausgefüllt werden.

Da ist natürlich der Interessenkonflikt vorprogrammiert, denn wie kann man als Politiker VW kontrollieren, wenn man zugleich im Aufsichtsrat sitzt? Oder auch umgekehrt: Wie kann man seinen Pflichten als Politiker den Bürgern gegenüber nachkommen, wenn man aufgrund der Verschwiegenheitsverpflichtung, der Aufsichtsräte unterliegen, die Klappe halten muss?

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Fragen, die sich eigentlich schon lange aufdrängen, aber – wie so häufig in Deutschland – erst dann gestellt werden, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist. Bisher fanden alle das, was man heute „Gemauschel“ nennt, sehr gut: Die Gewerkschaften und Arbeitnehmer fühlten ihre Interessen gut vertreten, so gut sogar, dass VW ohne Skoda ziemlich übel aussähe. Aber tschechische Arbeitnehmer kümmern hier keinen. Das ist so ähnlich wie mit den Flüchtlingen, die einem völlig egal sind, wenn sie woanders verhungern, Hauptsache nicht vor der eigenen Haustür. Nur wenn es uns unmittelbar betrifft, werden wir urplötzlich von „Menschlichkeit“ übermannt.

Der Firmenleitung  von VW passte es auch gut ins Konzept, fühlte man doch die schützende Hand des Staates über sich. Man war sich so sicher im Traumwunderland, dass keiner daran dachte, dass die USA nicht von Niedersachsen aus regiert werden – schade eigentlich! So machen diese bösen Amis Ärger, nur weil man sie betrogen hat, wie können die nur? Und ein VW – Manager sitzt sogar im Gefängnis, als ob Betrug kriminell wäre! In Russland wäre das nie passiert, dort kommen nur die „Richtigen“ in den Knast. Russland setzt sogar auf einen abgelegten Bundeskanzler und Ex – Ministerpräsidenten aus Niedersachsen, denn so ein Mann weiß, wie man sein „Adressbuch versilbert“.

Die Politik hingegen fühlte sich nie bemüßigt, dieses nette Treiben zu beenden. An der Spitze eines internationalen Konzern mitzuspielen, sich als „big boy“ zu fühlen, hat einfach einen Glamour – Faktor, den man als „Regionalfürst“ über Ostfriesen oder Harzer definitiv nicht hat. So sind ja die Herren Schröder und Wulff auch zu recht schillernden Persönlichkeiten mutiert, beide mit einem Hang zum teuren Lebensstil, sponsored by ausländischen Unternehmen.

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Natürlich könnte man diese Gemengelage beenden. Man sollte es sogar, nicht nur aus ordnungspolitischen Gründen, sondern auch, weil eigentlich Aufsichtsratsmitglieder die entsprechende Qualifikation aufweisen müssen. Politiker zu sein ist aber keine Qualifikation. Am besten wäre es, das Aktienpaket von VW als Sondervermögen in eine Stiftung einzubringen, mit deren Verwaltung das Land selbst nichts zu tun hat. Nur so bliebe man sauber. Ein Teil der Einnahmen der Stiftung könnte an die Bürger ausgezahlt werden, ein anderer in die Region reinvestiert werden, z. B. in den Luft – und Raumfahrtbereich. Das wäre nicht nur ein dringend benötigtes zweites Standbein, das man schon längst hätte aufbauen müssen, sondern auch für die automobile Zukunft eine conditio sine qua non. Elon Musk hat nicht zufällig Tesla und SpaceX, die Entwicklungen in der Weltraumtechnik sind grundlegend für alles andere. Theoretisch wäre im Raum Wolfsburg/Braunschweig sogar Know  How auf weltweit erstklassigem Niveau vorhanden, andere würden sich die Finger danach lecken. Nicht aber Niedersachsen, dort meint man, das gar nicht nötig zu haben, denn man hat ja VW! Stattdessen werden an Technischen Universitäten Studiengänge in Integrierten Sozialwissenschaften ausgebaut, denn damit werden wir in Zukunft bestimmt so etwas von total marktführend punkten können!

Hier zeigt sich ein altbekanntes Phänomen, dass sich die Politik in guten Zeiten zurücklehnt und nur Geld verteilt, sich aber nicht darum kümmert, wie es weiter gehen soll. Das gilt natürlich besonders dann, wenn sie so eng verbandelt ist mit einem Unternehmen  und eisern an dieser einträglichen und bequemen Kooperation festhält. Ein Riesenkonzern und Politik: Beides Musterbeispiele für mangelnde Flexibilität, zusammen eine potenzierte Gefahr.

Subventions-Millionen stets willkommen
Volks(wagen) oder der Populismus der Konzerne
Wir haben in Deutschland fast alle Kernkompetenzen leichtfertig verspielt. Industrien, bei denen wir in der ersten Liga mitspielten, sind weg. Man denke an die Fotoindustrie, die Unterhaltungselektronik und die Pharmaindustrie. Geblieben ist die Automobilindustrie als eine der letzten Schlüsselindustrien, die aber die Zeichen der Zeit schlicht verpennt hat. So wie die Leute, die meinten, das Automobil würde nie das Pferd ersetzen. Das war genauso falsch wie jetzt der Gedanke, die E – Mobilität und die Künstliche Intelligenz würden nie den Verbrennungsmotor und den Menschen ersetzen.

Übrigens gibt es durchaus Unternehmen, die erkannt haben, wohin uns der Wind wehen wird, z. B. die ZF Friedrichshafen AG. Dieser weltweit führende Hersteller von Antriebs – und Fahrwerkstechnik  (wer kennt nicht die ZF – Getriebe?) stellt sich auch beim Thema Künstliche Intelligenz/neue Mobilität gut auf. Er arbeitet mit Nvidia zusammen, hat einen neuen Prozessor entwickelt und zeigt mit dem ZF Advanced Urban Vehicle, wo die automobile Zukunft liegt. Man kann also Wandel auch klug gestalten, das geht durchaus! Nur mal am Rande sei erwähnt, dass der Konzern seine Anfänge als Luftfahrtunternehmen hatte und noch heute weit überwiegend der Zeppelin – Stiftung gehört. Schade nur, dass Friedrichshafen nicht an der Nordsee liegt.

Eines muss man der deutschen Autoindustrie aber zugute halten. Sie hat schlechte Karten. Zum Einen haben Gewerkschaften und auch alle linke Parteien zuverlässig jede Erneuerung in Deutschland verhindert, zum Anderen haben die Grünen die Atomkraft diskreditiert. Ohne Atomkraft aber gibt es keinen günstigen, zuverlässigen und klimaschonenden Strom. Ohne diesen gibt es keine Zukunft. Wir sitzen in der rot – grünen Falle. Und nichts symbolisiert das eindringlicher als Gorleben.