Tichys Einblick
In München kontra, in Brüssel pro Merkel

Die CSU im EU-Parlament stets auf Merkelkurs

Manfred Weber will im EU-Parlament den Eindruck vermeiden, die CSU habe möglicher Weise in den letzten Jahren in Brüssel eine andere Politik gemacht, als man jetzt in München vermitteln möchte.

© Carsten Koall/Getty Images

Am 13. Juni 2018 stellte der niederländische Premierminister Marc Rutte in Strasbourg seine Ideen zur Zukunft der EU vor und beantwortete anschließend Fragen der Abgeordneten des Europäischen Parlamentes.

Hierzu muss man wissen, dass Rutte sich seit circa einem Jahr als Oppositionsführer gegen alle europäischen Zentralisierungspläne stark macht. Zunächst hatte er Dänemark und Finnland auf seine Seite gebracht und mit den Regierungschefs beider Länder zusammen im letzten Sommer einen offenen Brief gegen den EU-Zentralismus und für offene Märkte veröffentlicht. Inzwischen hat Rutte seine Koalition auf insgesamt acht Länder erweitert. Und seine Beziehung mit Sebastian Kurz ist bekannt gut.

Bei seiner Rede vorm Straßburger Plenum forderte Rutte in seiner Rede mit Hinblick auf die EU: „Weniger ist mehr!“ Er kritisierte, dass manche Kollegen immer noch glaubten, dass mehr EU-Europa gut ist, er stehe dafür, weniger zu versprechen und mehr zu erfüllen. Die EU solle sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren. Zum Thema Euro sagte Rutte, man muss sich an das Versprechen erinnern, wonach der Euro mehr Wohlstand für alle bringen solle. Heute finde hingegen eher eine Umverteilung von Wohlstand statt. Rutte sprach sich ausdrücklich gegen eine Transferunion aus. Und mit Hinblick auf die Migrationskrise hat Rutte sich deutlich gegen den unkontrollierten Zustrom von Migranten, dafür aber für mehr Rückführungen ausgesprochen.

Nun ist es üblich, dass auf einen Staatschef als erstes der Vorsitzende der größten Fraktion im Europäischen Parlament reagiert, also der freundliche Herr Weber von der CSU. Bedauerlicher Weise ist Manfred Weber aber kaum auf die Rede von Marc Rutte eingegangen. Stattdessen sprach er lieber von der Außenpolitik. Er schimpfte auf den G7-Gipfel, natürlich auf Trump und lobte die Friedensmacht EU.

Endspiel Merkel?
Stunde der Wahrheit für Merkel
Dieses Ausweichen ist natürlich sehr verständlich, denn Weber repräsentiert hier nicht nur seine CSU, sondern die gesamte EVP, und damit auch die CDU. Im Moment ist noch unklar, wohin die Reise mit seinem Parteivorsitzenden und Innenminister Horst Seehofer geht, die sich auf Konfrontationskurs mit Angela Merkel befinden. Es finden in diesem Oktober in Bayern bekanntlich Landtagswahlen statt. Und einen holländischen Premierminister zu kritisieren, der ausspricht, was wohl auch vielen CSU-Wählern gefallen dürfte, soweit wollte Herr Weber denn wohl doch nicht gehen.

Dabei hat er sich in der Vergangenheit doch oft ganz anders geäußert. So schwärmte er noch im September 2016 vom „European way of life“, dankte ausdrücklich der Kommission für ihre perfekte Arbeit, sagte Ja zum Juncker-Plan, forderte ein Ende des billigen Populismus gegen Brüssel. Und im Überschwang forderte er sogar, man müsse allen jungen Europäern ein Interrail-Ticket zum 18. Geburtstag schenken, um ihnen die EU näher zubringen und sie für Europa zu begeistern. Eine Idee, die den europäischen Steuerzahler mehr als 1 Milliarde Euro kosten wird. Weber hat ehedem recht deutlich Angela Merkels Flüchtlingspolitik unterstützt. Angela Merkel mache Mut, so Weber damals.

Und das macht sich grade schlecht, denn die Flüchtlingspolitik Merkels wurde  bereits in vielen Ländern der EU deutlich abgestraft. Beispielsweise machen meine britischen Kollegen von den britischen Konservativen die Grenzöffnung Merkels im September 2015 unmittelbar für den Brexit mitverantwortlich. Und auch Länder wie Österreich, Dänemark und seit kurzem Italien betreiben eine restriktive Flüchtlingspolitik. Jetzt gerät Merkels „Wir schaffen das!“ auch im eigenen Lande unter Beschuss. Eine Achse der Willigen hat Seehofer mit Kurz ins Leben gerufen. Und dieser werden sich wohl weitere willige Länder anschließen. Dass Rutte und Kurz gute Beziehungen pflegen und Meinungen teilen, passt gut dazu.

Merkelismus
Die EU am Scheideweg
Die CSU-Mitglieder im Europäischen Parlament haben in der Vergangenheit nicht nur verbal durch ihre Redebeiträge, sondern auch durch ihr Abstimmverhalten eine ganz andere Politik gemacht, als sie jetzt von der CSU daheim gefordert wird. So lehnten die Mitglieder der CSU unter dem Fraktionsvorsitz von Manfred Weber im EP nicht nur die Unterscheidung zwischen politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsmigranten ab, sondern auch effizientere Verfahren zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber oder zentrale Auffanglager.

Die Politik der Kommission bzw. des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker wie staatliche Konjunkturprogramme, die nicht mehr an Konjunkturverläufe gekoppelt sind, oder Ansätze zur Zentralisierung von Arbeits-, Sozial- und Bildungspolitik im Rahmen der „Sozialen Säule“, wurde von der CSU zumeist unterstützt, nicht anders als es SPD und Grüne tun. Frau Zimmer von der Linkspartei tituliert Weber schon einmal als „liebe Gabi“. Man versteht sich.

Da ist es dann schwierig, sich zu den vernünftigen und sachlichen Aussagen von Mark Rutte zu äußern. Der Wind in Berlin, er scheint sich gerade zu drehen. Bislang war die Europa-Politik und damit die Entscheidungen der einzelnen Abgeordneten in Brüssel oder in Strasbourg weit von der Berliner Arena entfernt. Nun möchte Manfred Weber sicher den Eindruck vermeiden, die CSU habe möglicher Weise in den letzten Jahren in Brüssel eine andere Politik gemacht, als man jetzt in München vermitteln möchte.

Ulrike Trebesius ist Europaabgeordnete.