Tichys Einblick
Mützenichs Geschoß

Der Wehrpflichtscoup der SPD

Die Zurückweisung des Högl-Vorstoßes durch das neue linke Duo der SPD, Esken und Borjan, ließ nicht lange auf sich warten. Schweigen und Ratlosigkeit, nur Annegret Kramp-Karrenbauer lehnte die Idee mit Verweis auf ihre eigene Initiative für einen freiwilligen Dienst für die Gesellschaft ab.

imago images / auslöser-photographie

Always expect the unexpected! (erwarte immer das Unerwartete!) An diesen, in den USA oft gehörten Ratschlag mag wohl auch das politische Berlin – und ganz besonders die CDU Spitze – gedacht haben, als am Wochenende aus heiterem Himmel die Forderung der neuen Wehrbeauftragen des Bundestages, der SPD- Politikerin Eva Högl, nach einer Wiedereinführung der 2011 abgeschafften Wehrpflicht hineinplatzte. Wieder allgemeine Dienstpflicht in der Bundeswehr; ein Gedanke, der in weiten Teilen der linken Meinungseliten schlicht für absurd gilt, ja schlimmer noch, eine verdächtige Nähe zur AfD vermuten lässt.

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So ließ auch die Zurückweisung des Högl-Vorstoßes durch das neue linke Duo der SPD, Esken und Borjan nicht lange auf sich warten. Schweigen und damit Ratlosigkeit bei fast allen anderen, nur Annegret Kramp-Karrenbauer lehnte die Idee mit Verweis auf ihre eigene Initiative für einen freiwilligen Dienst für die Gesellschaft ab. Unterstützung kam lediglich von der AfD und dem Reservistenverband der Bundeswehr. Die Stille bei der CDU ist mehr als verständlich, war sie es doch, die mit der Aufgabe der Aufhebung der Wehrpflicht ein Glanzstück des wertkonservativen Tafelsilbers preisgab. Ein Großteil ihrer Stammwählerschaft, der ins Nicht-Wähler-Lager und später zur AfD abgewandert ist, hat das bestimmt noch nicht vergessen. Geradezu diabolisch ist die Begründung der SPD für eine neue Wehrpflicht: Sie soll ein Mittel gegen die vermeintliche Ausbreitung des Rechtsextremismus in der Truppe sein. Wer kann denn da widersprechen?

Dass die Genossen dabei tief ins konservative Publikum hineingreifen, sogar ins Wählerpotential der AfD, sollte bei CDU und CSU alle Glocken läuten lassen.
Hier ist sie plötzlich wieder da, die seit dem Abgang Schröders verloren gegangene kalte machtstrategische Demagogie und trickreiche Taktik der Winkelzüge. Man denkt nur an die verzweifelte Situation der Genossen im Jahr 2002, mit seinen antiamerikanischen Ausfällen – in Erinnerung geblieben ist der Auftritt Schröders auf dem Marktplatz von Goslar. Tatsächlich rief der Kanzler der brodelnden Masse zu: „Wir werden die abenteuerliche Politik der USA im Irak nicht mittragen,“ und „Deutsche Außenpolitik wird in Berlin gemacht und nicht in Washington und auch nicht in der UNO“. Mit Kriegsangst und fast schon Hetze gegen die USA und den Präsidenten George W. Bush gelang es so kurz vor 12 die Stimmung für die rot- grüne Koalition noch einmal zu drehen und sich damit die Macht zu sichern. Kein Zweifel: Aus dem Willy-Brandt Haus in Berlin weht ein frischer Wind und der hat einen Namen, Rolf Mützenich.

Idee richtig, Begründung eine Frechheit
Wehrbeauftragte Högl möchte die Wehrpflicht wieder einführen
Der stille und oftmals verschmitzt dreinschauende überzeugte Linke verfügt über jahrelange Erfahrung in Partei und Politik und – noch viel wichtiger – den unbedingten Willen zu Macht. Der Wehrpflicht-Coup war zweifellos seine Idee. Die von ihm brachial durchgesetzte neue Wehrbeauftragte Högl würde es nie gewagt haben, ohne Absprache mit ihm bei einem gesellschaftspolitisch so sensiblen Thema wie der Wehrpflicht voran zu preschen. So wurde sie lediglich zum willigen Lautsprecher. Die Risiken innerhalb der SPD dürfte Mützenich durchkalkuliert haben, spätestens, wenn die anhaltenden miesen Umfrageergebnisse für die Genossen infolge der Debatte ein paar Millimeter nach oben rücken, ist die Sache für ihn gelaufen – weitere Überraschungen garantiert. Ganz davon abgesehen ist der Vorstoß in der Sache richtig, allerdings nicht zur Abwehr rechtsextremer Tendenzen in der Bundeswehr, vielmehr fordert die veränderte sicherheitspolitische Lage, verursacht insbesondere durch das aggressive Vorgehen Russlands, auch über die Stärke der Bundeswehr intensiv nachzudenken.
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