Tichys Einblick
Corona: Sagen Sie mal Herr Doktor 2

Der Lockdown steht am Ende einer Kaskade von Fehlern und Versäumnissen

Der Lockdown steht am Ende einer Kaskade von Fehlern und Versäumnissen. Tatsache ist, dass viele europäische Länder (Deutschland, Österreich, Italien, Schweden) im Jahre 2020 keine Übersterblichkeit im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren aufweisen.

Corona-Schnelltestzentrum in Wien

imago images / Volker Preußer
Mit Internist und Onkologe Dr. Stefan Wöhrer sprach ich nach dem Corona-Quartett von Servus-TV am 23. November. Was leisten Tests, fragte ich Stefan Wöhrer als erstes, seine Antworten brachten mich auf die Idee, statt eines einmaligen Interviews eine lockere Serie von Fragen und Antworten zu versuchen. Hier Teil zwei.

Der andere Umgang mit Alten in Tübingen wird der deutschen Coronapolitik, aber damit indirekt auch der österreichischen vorgehalten. Ist der sorgfältig gezielte Schutz solcher Risikogruppen die Alternative zur Lockdown-Strategie?

Ein Lockdown ist eine Notbremse, die dann aktiviert werden muss, wenn Dinge außer Kontrolle geraten. Er ist sozusagen die ultima ratio, wenn gezielte Maßnahmen versagt haben, und stellt somit ein schlechtes Zeugnis über die bisher getroffenen Maßnahmen dar. Es ist allerdings wichtig zu unterscheiden, ob die Maßnahmen generell schlecht oder nur schlecht durchgeführt waren. Letzteres wird leider kaum thematisiert, was uns der Möglichkeit beraubt, aus unseren Fehlern zu lernen. Wie so oft, dürfte der Teufel im Detail liegen.

Natürlich würde es absolut Sinn machen, ausschließlich Risikogruppen rigoros zu schützen, während der Schul- und Berufsalltag aufrechterhalten wird. Regelmäßige, gezielte und qualitativ hochwertige Testungen, rasches Contact Tracing und konsequentes Maskentragen bei Kontakt mit anderen Personen wären aber Voraussetzungen, um diese Strategie sicher umsetzen zu können. Leider hat, zumindest in Österreich, genau das überhaupt nicht funktioniert.

Halten Sie nach dem Geschehen seit unserem Interview am 30. November die Massentests für wirksam zur Verlangsamung der Ausbreitung des Corona-Virus?

Nein. Die Art und Weise, wie die Massentests in Österreich durchgeführt wurden, halte ich für einen politischen Aktionismus. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass eine einmalige Testung wenig Nutzen hat, litt die Validität der Testergebnisse erheblich durch unzureichend geschultes Personal. Die Antigen-Schnelltests haben normalerweise eine Spezifität von über 98%, bei den Massentests lag sie nur bei ca. 50% und jeder zweite positive Schnelltest war falsch. Das ist zwar für die Betroffenen unangenehm, für die Entwicklung der Pandemie aber eher unerheblich. Was aber ganz und gar nicht unerheblich ist, ist die Zahl der falsch negativen Testergebnisse (=Sensitivität). Personen, die zwar das Corona-Virus haben und ausscheiden, aber eine negatives Testergebnis in den Händen halten, sind wie Öl, das man ins Feuer gießt, da sie sich in falscher Sicherheit wähnen. Die Sensitivität der Antigen-Schnelltests liegt bei optimalen Bedingungen bei ca. 90%, sinkt aber bei schlechter Durchführung des Abstiches dramatisch ab. Wenn schon die Spezifität bei den Massentests massiv gesunken ist, würde ich davon ausgehen, dass es sich mit der Sensitivität ähnlich verhält.

Der Großteil der österreichischen Bevölkerung (80%) hat die Sinnlosigkeit dieser Massentests erkannt und ließ sich deshalb nicht testen. Die Regierung versucht nun, diese Motivationslage dadurch auszugleichen, dass Personen die sich „freiwillig“ testen lassen, sieben Tage früher aus dem dritten Lockdown „dürfen“.

Wie muss mit den als infiziert Eingestuften über die Quarantäne hinaus umgegangen werden? Können sie sich erneut infizieren?

Normalerweise entwickelt sich nach durchgemachter Infektion ein Immunschutz, der für zumindest einige Monate bestehen bleibt. Das heißt, dass diese Personen weder ein zweites Mal erkranken noch ansteckend sind.

Ist der wiederholte Lockdown in Wahrheit nur dazu da, die Leute einigermaßen von der simplen Rückkehr zu alten Verhaltensweisen abzuhalten?

Der Lockdown hat viele Konsequenzen. Die wichtigste davon ist, dass weniger Leute „im Verkehr“ sind, und somit die Ausbreitung des Virus verlangsamt wird. Außerdem werden medizinische Ressourcen geschützt, da sich weniger Menschen verletzen oder an anderen Infektionskrankheiten erkranken. Letzten Endes ist der Lockdown aber auch ein Zeichen, dass die Regierung der Bevölkerung kein vernünftiges, ober besser gesagt regierungskonformes, Verhalten zutraut und sie deshalb „einsperrt.“

Oder soll die Lockdown-Strategie einfach nur von den massiven Versäumnissen der Politik bei der personellen und organisatorischen Infrastruktur des Gesundheitswesens ablenken?

Wie oben erwähnt, steht der Lockdown am Ende einer Kaskade von Fehlern und Versäumnissen.

Wie beurteilen Sie das Verhältnis von tatsächlich an Covid-19 Gestorbenen, mit dem Virus zusätzlich belastet Gestorbenen und den Toten durch Nichtbehandelns wegen der Vorfahrt für Covid-19-Erkrankte?

Das ist in Wirklichkeit die Gretchenfrage, über die man scheinbar nicht mehr offen diskutieren darf. Tatsache ist, dass viele europäische Länder (Deutschland, Österreich, Italien, Schweden) im Jahre 2020 keine Übersterblichkeit im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren aufweisen. Für Österreich wurde vor kurzem sogar berichtet, dass die Sterblichkeit von Menschen über 65 Jahren in Alters- und Pflegeheimen deutlich niedriger war als in den letzten Jahren. Diese Zahlen widersprechen dem katastrophalen, COVID-19 gefärbten Bild, dass viele Menschen vom Jahr 2020 haben.

Was tatsächlich katastrophal war, war die medizinische Unterversorgung von nicht-COVID-19 Patienten. Wissenschaftliche Studien zeigen mittlerweile eindeutig, dass die Sterblichkeit von Herzkreislauf- und Krebserkrankungen auf Grund der medizinischen Unterversorgung, die durch die COVID-19 Maßnahmen entstanden ist, signifikant nach oben ging. Diese Entwicklung bestätigen auch Krankenversicherungsdaten aus England. Eine Erhebung zeigte, dass es im April 2020 zu einer Übersterblichkeit kam, die aber größtenteils durch COVID-19 negative Sterbefälle verursacht wurde.

Skurriler Weise zeigten aber die öffentlichen Statistiken ein genau umgekehrtes Bild, nämlich dass seit Beginn der COVID-19-Pandemie weniger Menschen an Herzkreislauf- und Krebserkrankungen versterben. Die Ursache für dieses Paradoxon dürfte an der Zählweise der COVID-19-Verstorbenen liegen. Die vorliegenden Zahlen weisen darauf hin, dass einige „COVID-19 Todesfälle“ nicht dem Coronavirus geschuldet sind, sondern anderen bereits bestehenden Vorerkrankungen und es somit zu einer „Migration der Sterbefälle“ kommt. Teilweise quält mich dabei der Gedanke, dass diese Verzerrung nicht so sehr ein statischer Fehler, sondern vielmehr eine politische Agenda sein könnte, um gewisse Maßnahmen zu rechtfertigen.

Vielen Dank, Herr Doktor Wöhrer. Bis zum nächsten Mal.

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