Tichys Einblick
Kampf gegen Rechts

Der Demokratieverächter Carl Schmitt lässt grüßen

Um in Thüringen zu verhindern, dass die AfD nach den Landtagswahlen bei einer Regierungsbeteiligung die damit verbundenen Machtbefugnisse wahrnehmen kann, empfehlen Autoren eines Verfassungsblogs Eingriffe in die bestehende Rechtsordnung vor den Wahlen. Sie orientieren sich dabei an der Lehre des einstigen NS-Kronjuristen Carl Schmitt.

picture alliance/dpa | Martin Schutt
Der angesichts anhaltend hoher Umfragewerte der AfD geführte „Kampf gegen Rechts“ der etablierten Parteien hat neben den Medien, den Verbänden, den Kirchen und den zahlreichen NGOs inzwischen einen weiteren Mitstreiter gefunden. Es handelt sich um den von dem Juristen und Journalisten Maximilian Steinbeis im Jahr 2009 gegründeten „Verfassungsblog“, in dem lange Zeit vorrangig verfassungsrechtliche Fragen im Zusammenhang der europäischen Integration behandelt wurden. Co-finanziert wird der Blog über eine Projektfinanzierung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Damit wird die Einbindung des Blogs in die Gruppe der Vorfeldorganisationen der Ampel deutlich.

Unter dem Titel „Rechtsstaatliche Resilienz in Thüringen stärken“ hat er nun für den „Fall einer autoritär-populistischen Regierungsbeteiligung oder gar -übernahme“ in diesem Bundesland auch erstmals Handlungsempfehlungen für die derzeit im Thüringer Landtag vertretenen politischen Konkurrenten der AfD veröffentlicht. Mit ihnen könnten laut den Autoren dieser Empfehlungen noch vor der Landtagswahl im September die politischen und rechtlichen Spielräume der AfD so weit beschnitten werden, dass sie die ihr unterstellte Absicht nicht in die Tat umsetzen kann, „die Institutionen von Rechtsstaat und Demokratie von innen auszuhöhlen und dem Ziel ihrer Machtausweitung bzw. ihres Machterhalts zu unterwerfen“.

Als besondere „Krux“ empfinden die Autoren in diesem Zusammenhang, dass die AfD ihre demokratiefeindlichen Absichten verfolgen könne, „ohne notwendigerweise gegen Gesetze und Verfassungsrecht zu verstoßen“. Ganz im Gegenteil könne sie bestehende Gesetze einschließlich der thüringischen Verfassung dazu nutzen, die Demokratie mit ihrer Hilfe zu demontieren. Um dies zu erschweren, werden sieben Handlungsempfehlungen mit gesetzlichen Änderungsvorschlägen beschrieben. Sie reichen von der Abschaffung der Wahl von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs durch parlamentarische Zwei-Drittel-Mehrheiten über diverse Einschränkungen der Rechte des Ministerpräsidenten bei der Kündigung von Staatsverträgen oder der Anstellung politischer Beamter bis hin zur Wahl des Ministerpräsidenten durch die Abgeordneten des Landtags.

Besonders erhellend, um nicht zu sagen verräterisch ist dabei der Vorschlag, das Amt des thüringischen Polizeipräsidenten sowie des thüringischen Verfassungsschutzpräsidenten aus der Kategorie des politischen Beamtentums herauszunehmen, um so zu unterbinden, dass diese beiden Ämter von einem neu gewählten Ministerpräsidenten neu besetzt werden können. Für deren Ausübung sei nämlich nicht „die Zusammenarbeit mit der Regierung an gemeinsamen politischen Zielen“, sondern „die politische Neutralität besonders wichtig“. Ein indirektes Eingeständnis des immer lauter öffentlich kritisierten Sachverhalts, dass sich die Verfassungsschutzämter nicht nur in Thüringen von der derzeit amtierenden Regierung für deren Kampf gegen die AfD zusehends politisch instrumentalisieren lassen.

Insgesamt handelt es sich bei den Empfehlungen des Verfassungsblogs um recht weitgehende (verfassungs-)rechtliche Änderungen, die die rot-rot-grüne Minderheits-Regierung unter Bodo Ramelow nur mit Hilfe von CDU und FDP bewerkstelligen könnte. Ein weiterer Stimmen-Turbo für die AfD, die sich, sollte es zu einer solchen Hilfestellung kommen, den thüringischen Wählern endgültig als die einzige noch verbliebene Oppositionspartei präsentieren könnte. Es darf daher bezweifelt werden, dass sie von den fraglichen Parteien aufgegriffen und vor den Wahlen in die Tat umgesetzt werden, es sei denn, die angesichts der Umfragen bei ihnen zusehends um sich greifende Panik verleitet sie endgültig zum politischen Selbstmord.

Dessen ungeachtet irritiert die Nonchalance, mit der ein auch von renommierten Verfassungsrechtlern genutzter Internetblog schon vor einer demokratischen Wahl die recht- und verfassungsgemäße Machtausübung einer Partei einschränken will, bei der dessen Betreiber offenkundig davon ausgehen, dass die Wähler sie zur stärksten Fraktion im Thüringer Landtag küren werden. Die größte Gefahr für die Demokratie scheint aus der Sicht dieser Betreiber von deren Souverän, im vorliegenden Fall dem thüringischen Wahlvolk, auszugehen, das in großer Zahl eine Partei stärken will, deren vermeintliches Ziel die Abschaffung der Demokratie sei, obwohl Umfragen regelmäßig das Gegenteil belegen. Um dieser gleichwohl beschworenen Gefahr entgegenzuwirken, seien gravierende Eingriffe in bestehendes Recht vonnöten, die die Handlungsspielräume dieser Partei schon vor deren Wahl so einschränken sollen, dass sie nach ihr möglichst machtlos bleibt.

Diese Denkweise erinnert in starkem Maße an die Machtprämienlehre des die „nationalsozialistische Revolution“ bejahenden, in der Weimarer Republik und in Dritten Reich lehrenden Staats- und Verfassungsrechtlers Carl Schmitt. Sie besagt, dass in Parteien-Demokratien zwar das Prinzip der Chancengleichheit gelten muss, sodass einmal an die Macht gelangte Parteien in Wahlen durch andere ersetzt werden können; mit der Regierungsausübung gehen aber zugleich zwangsläufig gewisse Machtprämien einher, die den jeweiligen Parteien erlauben, sich für anstehende Wahlen Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten zu verschaffen. Dies bleibt laut Schmitt solange für die Aufrechterhaltung des Prinzips der Chancengleichheit unschädlich, wie die Konkurrenten von der Annahme einer „beiderseitig gleich legalen Gesinnung“ ausgehen können.

Sobald dies aber nicht mehr der Fall sei, müsse die Partei, die gerade die legale Macht innehat, ihre Machtprämien rücksichtslos ausspielen, um so den politischen Absichten ihrer Gegner zuvorzukommen und diesen den legalen Zugang zur Macht zu versperren, was diese andernfalls gegenüber ihren Gegnern tun würden. Das für die Demokratie essentielle Prinzip der Chancengleichheit in Wahlen ist damit eingeschränkt, wenn nicht beendet, und die Tür in Richtung Abschaffung der Demokratie geöffnet. An die Stelle von Recht und Demokratie tritt der offene politische Kampf, der nicht mehr über Wahlen, sondern auf der Straße ausgetragen und entschieden wird.

Dass den Autoren des Verfassungsblogs die Nähe ihrer Handlungsempfehlungen zu Schmitts Machtprämienlehre und deren demokratiegefährdenden Implikationen entweder nicht bewusst oder gleichgültig ist, spricht nicht dafür, dass es ihnen, wie behauptet, um die Verteidigung der Demokratie geht. Ihr Hauptmotiv dürfte wohl vor allem die Furcht sein, im Bundesland Thüringen könne erstmals auch in Deutschland eine Partei mit an die politischen Schalthebel gelangen, die sich explizit rechts der Mitte positioniert. Solche Parteien gehören mittlerweile in ganz Europa zum politischen Angebot für Wahlen, ohne dass ihnen dort durch ihre Konkurrenten ihre demokratische Legitimität einfach abgesprochen wird und ihre Wähler als Demokratiefeinde verunglimpft werden, weil sie zum Beispiel am Prinzip der nationalen Souveränität festhalten und die irreguläre Migration eindämmen wollen.

Deutschland beschreitet mit seinem Vorgehen gegen die AfD inzwischen auch hier einen besorgniserregenden Sonderweg, bei dem die Theorien des „Kronjuristen der Nazis“ nicht nur im Falle der Empfehlungen des Verfassungsblogs von Maximilian Steinbeis eine bemerkenswerte Rolle spielen. Auch die innerstaatliche Feinderklärung gegenüber der AfD durch den politmedialen Mainstream folgt offenkundig Schmitts Definition des Begriffs des Politischen als Freund-Feind-Beziehung, ohne dies offenzulegen.

Von daher kann man festhalten: Der rechte Demokratieverächter Carl Schmitt lässt grüßen, wenn sich in Deutschland selbsternannte Demokratieverteidiger mit Geld aus der Staatskasse immer radikaler in ihren „Kampf gegen Rechts“ stürzen.

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